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Top 5: Die wichtigsten Erkenntnisse aus Woche 17 in der NFL

SPOX-Redakteur Adrian Franke blickt auf die größten Storylines nach Woche 17.
© getty

Die Bengals schaffen den Statement-Sieg gegen Kansas City - noch rosiger aber ist der Ausblick auf die nächsten Jahre. Antonio Brown sorgt derweil für einen weiteren Eklat, die Cowboys fallen in alte Muster zurück und in Los Angeles muss man so langsam über den Stafford-Trade sprechen. SPOX-Redakteur Adrian Franke blickt zurück auf Woche 17.

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Nach dem letzten Spieltag geht der Blick bei mir meist sehr schnell Richtung Playoffs. Was sind die kritischen Matchups in der Wildcard Round, welcher Außenseiter könnte einen Favoriten zuhause schocken, darum dreht sich dann in den Tagen bis zum Samstag alles.

Die ersten Tage nach dem vorletzten Spieltag bieten sich umso mehr an, um auf die anderen Teams zu schauen. Auf Umbrüche, auf die prägenden Offseason-Fragen und dergleichen, Kollege Jan Dafeld hatte diesen Stein letzte Woche bereits ins Rollen gebracht.

Und die Realität, dass in wenigen Tagen für viele Teams die Offseason beginnt, ist ja bereits allgegenwärtig - ein Beispiel: Wie das NFL Network am Sonntag berichtete, werden die Jaguars noch in dieser Woche Kellen Moore, Offensive Coordinator der Cowboys, und Todd Bowles, Defensive Coordinator der Buccaneers, virtuell für ihren vakanten Head-Coaching-Posten interviewen.

Eine Regeländerung macht das möglich. Teams, die ihren Head Coach gefeuert oder darüber in Kenntnis gesetzt haben, dass er zum Saisonende gehen muss, dürfen bereits ab nach dem vorletzten Spieltag Assistenztrainer anderer Teams für den Head-Coach-Posten interviewen. Vorausgesetzt, dessen aktuelles Team gibt grünes Licht.

Ich hätte ehrlicherweise gedacht, dass das dementsprechend bereits nach Woche 16 zu weiteren Entlassungen führt, ehe die Jaguars und Raiders bereits konkret die Fühler ausstrecken. In Chicago beispielsweise, wo sehr viel darauf hindeutet, dass Matt Nagy gehen muss. Minnesota und Denver könnten jetzt weitere Kandidaten sein. Die Offseason ist nah.

Aber natürlich müssen wir auch über einige Verrücktheiten dieses Spieltags sprechen, und keine war verrückter als der Auftritt von Bucs-Receiver Antonio Brown, der inmitten der zweiten Hälfte sein Trikot auszog, Teile seiner Ausrüstung in die Ränge warf und in die Kabine stürmte. Angeblich wollte Arians ihn aufs Feld schicken, Brown sagte, dass sein Knöchel weh tue, woraufhin Arians dann sagte, dass er für dieses Spiel fertig ist - und dann rastete Brown aus.

Mit Antonio Brown bekommt man das, was man sich einkauft. Tampa Bay ist nicht das erste Team, dass das zu spüren bekommt. Doch die Bucs richteten ihren moralischen Kompass für Brown neu aus, als der seinen Impfausweis fälschte und das Team es mit bemerkenswerter Gleichgültigkeit hinnahm. Inklusive Browns anschließender Kritik an den Medien, die ihm, so sein Vorwurf, immer Drama andichten wollen. Man richtete immer wieder die Parameter neu aus, um irgendwelche Rechtfertigungen zu haben, damit man Brown für einen Super-Bowl-Run behalten kann.

Das Drama war immer Brown selbst, und "Drama" ist dabei teilweise noch sehr freundlich formuliert. Die Bucs hatten die Chance, hier ein Zeichen zu setzen, indem man klar macht, dass nicht jedes Vergehen durchgewunken werden kann. Dass irgendwann Konsequenzen folgen. Dass man gewisse Richtlinien hat.

Stattdessen hat Tampa jetzt die Rechnung bekommen, und konnte die Entscheidung nur noch treffen, nachdem man sich gehörig blamiert hat: Brown ist, mit Verspätung, raus in Tampa Bay und die Bucs haben hier bekommen, was sie mit ihrem Verhalten verdient haben.

In diesem Sinne dennoch ein leicht verspätetes frohes neues Jahr, und wir richten den Blick auf das Sportliche in Woche 17.

1. Die Bengals auf dem Weg in eine goldene Zukunft

Was für ein unfassbares Ende in Cincinnati.

Warum haben die Chiefs die Bengals nicht viel früher in die Endzone gelassen, um den Ball nochmal zu bekommen? Warum hat Andy Reid seiner Defense eher vertraut als Mahomes? Und hat sich Burrow bei dieser Sequenz unansehnlicher Plays jetzt tatsächlich verletzt?

Die Bengals gewinnen mit diesem Sieg die Division, eine Woche vor Saisonende. Wer hätte das gedacht? Die Titans haben plötzlich den Nummer-1-Seed in der AFC - und in Cincinnati werden jetzt alle Fans den Anfang der Woche damit verbringen, zitternd auf Updates bezüglich Burrows Verletzung zu warten.

Wenn wir auf die Entwicklung der Bengals in den letzten beiden Jahren schauen, komme ich immer wieder an den Punkt, an dem ich daran denken muss, wie rosig die Zukunft für dieses Team aussieht - und wie Cincinnati eigentlich schon jetzt in dieser Saison eigentlich nur noch gewinnen kann.

Kaum jemand - ich sicherlich nicht - hätte vor vier Monaten prognostiziert, dass die Bengals eine Woche vor Saisonende den Divisionsieg perfekt machen können. Und sicher, dass die Ravens in puncto Verletzungen eine katastrophale Saison erleben, während in Cleveland Baker Mayfield einen Rückschritt im Vergleich zum Vorjahr macht, hilft bei dieser Gleichung. Genau wie ein vergleichsweise einfacher Schedule.

Aber auch wenn Cincinnati am Ende etwas Glück hatte. Auch wenn einige Flaggen in der zweiten Hälfte zumindest fragwürdig waren. Das war gegen dieses Chiefs-Team, das mehr und mehr wieder wie der feuerspuckende Drache auf dem höchsten AFC-Berg aussieht, ein Statement-Sieg.

Nicht weil es in irgendeiner Form besonders deutlich gewesen wäre, sondern weil die Spieler, die dieses Team auf Jahre prägen werden, Cincinnati in diese Situation brachten. Weil Burrow mal wieder Plays unter Druck machte, weil Ja'Marr Chase ein Rekordspiel ablieferte und in Phasen die Offense im Alleingang trug, und weil auch Higgins und Boyd kritische Plays machten. Weil die Defense in der zweiten Hälfte einen besseren Zugriff fand.

Selbst wenn wir auf die Problemzonen dieses Teams schauen, ist es für mich ein positiveres Bild als für viele andere Franchises; weil die zu betrachtende Baustelle so klar ist. Es sind nicht mehrere Zahnrädchen, die ineinander greifen müssen, oder eine Kombination aus in die Jahre gekommener Altstars und junger Spieler, die noch nicht viel gezeigt haben.

Die Bengals müssen ihre Offensive Line und insbesondere die Interior Line gravierend verbessern.

Ein Selbstläufer ist auch das nicht, und gegen die Chiefs hätte sie diese eklatante Schwachstelle auch beinahe das Spiel gekostet. Aber es gibt viel komplexere Kaderprobleme, die manche Teams überwinden müssen, als dieses. Anders formuliert: Der Pfad, um den nächsten Schritt als Team zu machen, ist im Fall der Bengals ziemlich eindeutig.

Saison in Cincinnati mit extremen Hochs und Tiefs

Dass Burrow in dieser Saison bei rund einem Drittel seiner Dropbacks unter Druck stand, ist ein Grund dafür, dass Cincinnati noch teilweise sehr drastische Formschwankungen im Laufe der Saison hatte. Auch wenn der sehr überschaubare Auftritt gegen Denver vor zwei Wochen etwa blitzartig vergessen war, nachdem die Bengals Baltimores gebeutelte Defense abgeschossen hatten. Aber die Hochs und Tiefs dieser Bengals-Saison waren mitunter enorm.

Gelingt es, diese Baustelle zu schließen, hat Cincinnati eine echte Chance, in die kommende Saison mit der Erwartung, Playoffs zu spielen, zu gehen. Und darum geht es ja letztlich bei der Weiterentwicklung eines Teams und beim Umbruch, den Teams durchlaufen: Wie kann man den Standard schrittweise erhöhen, dass gleichzeitig auch die Erwartungshaltung nach und nach steigt?

Dass es eben nicht überraschend ist, um die Division-Krone mitzuspielen, sondern dass das erwartet wird. Dass es nicht überraschend ist, gute Teams zu schlagen. Spiele wie dieses gegen Kansas City können da auch in der Identitätsbildung eines Teams eine Rolle spielen, und die nächste Frage ist dann: Kann Cincinnati vielleicht sogar dieses Jahr schon um den Titel mitspielen?

Hier wiederum würde ich nochmals einhaken und - bei allem Optimismus was die mittel- und langfristige Perspektive angeht - davor warnen, die Erwartungshaltung nach und auch in dieser Saison zu hoch zu schrauben. Cincinnati hatte einen vergleichsweise angenehmen Schedule, die Inkonstanz war immer wieder zu beobachten und alles steht noch auf wackligen Füßen, so wirkt es. Mal ist es das Play-Calling, mal die Defense, mal einer der jungen Offense-Stars, und meistens die Offensive Line. Cincinnati hat noch nicht den Floor eines Titelanwärters. Aber die Bengals können heiß laufen.

Der Kern für die nächsten Jahre ist gefunden, jetzt muss dieser Kern unterstützt werden. Alles, was jetzt in den Playoffs passiert, betrachte ich aus Bengals-Sicht als Bonus.

Bengals in einer extrem luxuriösen Position

Aber gleichzeitig sage ich auch: Wenige Teams sehe ich aktuell in einer ähnlich luxuriösen Position wie Cincinnati.

Burrow hat den Schritt hin zu einem Franchise-Quarterback gemacht und spielt eine sehr gute Saison, Chase, Higgins und Boyd können auf Jahre eines der besten Receiver-Trios in der NFL bilden, mit Chase und Higgins noch jahrelang auf den Rookie-Verträgen. In Joe Mixon hat man einen kompletten Back, und selbst die Investitionen in die Defensive Front haben sich als Glücksgriff entpuppt.

Cincinnati ist damit jetzt nicht nur bereit, den nächsten Schritt zu machen, sondern die offensive Feuerkraft, die hier entsteht und dieses Jahr auch schon sehr deutlich zu sehen war, gibt den Bengals perspektivisch in jedem Spiel eine Chance und sollte das Team für sehr lange Zeit mindestens mal unterhaltsam machen. Als Fan ist das schon nah am Maximum, was man erwarten kann.

Es ist eine wahnsinnig vielversprechende Ausgangslage - die auch danach schreit, in dieses Fenster jetzt All-In zu gehen, ehe Burrow, Higgins und Chase sehr, sehr teuer werden. Das Front Office der Bengals wird sich daran messen lassen müssen, wie aggressiv man mit diesem Fenster umgeht. Und Zac Taylor wird sich daran messen lassen müssen, was er aus diesem Potenzial macht.

Die Zeit der konservativen Umbrüche in Cincinnati ist mit dieser Saison vorbei.