Top 5: Die wichtigsten Erkenntnisse aus Woche 17 in der NFL

Von Adrian Franke
03. Januar 202210:15
SPOX-Redakteur Adrian Franke blickt auf die größten Storylines nach Woche 17.getty
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Die Bengals schaffen den Statement-Sieg gegen Kansas City - noch rosiger aber ist der Ausblick auf die nächsten Jahre. Antonio Brown sorgt derweil für einen weiteren Eklat, die Cowboys fallen in alte Muster zurück und in Los Angeles muss man so langsam über den Stafford-Trade sprechen. SPOX-Redakteur Adrian Franke blickt zurück auf Woche 17.

Nach dem letzten Spieltag geht der Blick bei mir meist sehr schnell Richtung Playoffs. Was sind die kritischen Matchups in der Wildcard Round, welcher Außenseiter könnte einen Favoriten zuhause schocken, darum dreht sich dann in den Tagen bis zum Samstag alles.

Die ersten Tage nach dem vorletzten Spieltag bieten sich umso mehr an, um auf die anderen Teams zu schauen. Auf Umbrüche, auf die prägenden Offseason-Fragen und dergleichen, Kollege Jan Dafeld hatte diesen Stein letzte Woche bereits ins Rollen gebracht.

Und die Realität, dass in wenigen Tagen für viele Teams die Offseason beginnt, ist ja bereits allgegenwärtig - ein Beispiel: Wie das NFL Network am Sonntag berichtete, werden die Jaguars noch in dieser Woche Kellen Moore, Offensive Coordinator der Cowboys, und Todd Bowles, Defensive Coordinator der Buccaneers, virtuell für ihren vakanten Head-Coaching-Posten interviewen.

Eine Regeländerung macht das möglich. Teams, die ihren Head Coach gefeuert oder darüber in Kenntnis gesetzt haben, dass er zum Saisonende gehen muss, dürfen bereits ab nach dem vorletzten Spieltag Assistenztrainer anderer Teams für den Head-Coach-Posten interviewen. Vorausgesetzt, dessen aktuelles Team gibt grünes Licht.

Ich hätte ehrlicherweise gedacht, dass das dementsprechend bereits nach Woche 16 zu weiteren Entlassungen führt, ehe die Jaguars und Raiders bereits konkret die Fühler ausstrecken. In Chicago beispielsweise, wo sehr viel darauf hindeutet, dass Matt Nagy gehen muss. Minnesota und Denver könnten jetzt weitere Kandidaten sein. Die Offseason ist nah.

Aber natürlich müssen wir auch über einige Verrücktheiten dieses Spieltags sprechen, und keine war verrückter als der Auftritt von Bucs-Receiver Antonio Brown, der inmitten der zweiten Hälfte sein Trikot auszog, Teile seiner Ausrüstung in die Ränge warf und in die Kabine stürmte. Angeblich wollte Arians ihn aufs Feld schicken, Brown sagte, dass sein Knöchel weh tue, woraufhin Arians dann sagte, dass er für dieses Spiel fertig ist - und dann rastete Brown aus.

Mit Antonio Brown bekommt man das, was man sich einkauft. Tampa Bay ist nicht das erste Team, dass das zu spüren bekommt. Doch die Bucs richteten ihren moralischen Kompass für Brown neu aus, als der seinen Impfausweis fälschte und das Team es mit bemerkenswerter Gleichgültigkeit hinnahm. Inklusive Browns anschließender Kritik an den Medien, die ihm, so sein Vorwurf, immer Drama andichten wollen. Man richtete immer wieder die Parameter neu aus, um irgendwelche Rechtfertigungen zu haben, damit man Brown für einen Super-Bowl-Run behalten kann.

Das Drama war immer Brown selbst, und "Drama" ist dabei teilweise noch sehr freundlich formuliert. Die Bucs hatten die Chance, hier ein Zeichen zu setzen, indem man klar macht, dass nicht jedes Vergehen durchgewunken werden kann. Dass irgendwann Konsequenzen folgen. Dass man gewisse Richtlinien hat.

Stattdessen hat Tampa jetzt die Rechnung bekommen, und konnte die Entscheidung nur noch treffen, nachdem man sich gehörig blamiert hat: Brown ist, mit Verspätung, raus in Tampa Bay und die Bucs haben hier bekommen, was sie mit ihrem Verhalten verdient haben.

In diesem Sinne dennoch ein leicht verspätetes frohes neues Jahr, und wir richten den Blick auf das Sportliche in Woche 17.

1. Die Bengals auf dem Weg in eine goldene Zukunft

Was für ein unfassbares Ende in Cincinnati.

Warum haben die Chiefs die Bengals nicht viel früher in die Endzone gelassen, um den Ball nochmal zu bekommen? Warum hat Andy Reid seiner Defense eher vertraut als Mahomes? Und hat sich Burrow bei dieser Sequenz unansehnlicher Plays jetzt tatsächlich verletzt?

Die Bengals gewinnen mit diesem Sieg die Division, eine Woche vor Saisonende. Wer hätte das gedacht? Die Titans haben plötzlich den Nummer-1-Seed in der AFC - und in Cincinnati werden jetzt alle Fans den Anfang der Woche damit verbringen, zitternd auf Updates bezüglich Burrows Verletzung zu warten.

Wenn wir auf die Entwicklung der Bengals in den letzten beiden Jahren schauen, komme ich immer wieder an den Punkt, an dem ich daran denken muss, wie rosig die Zukunft für dieses Team aussieht - und wie Cincinnati eigentlich schon jetzt in dieser Saison eigentlich nur noch gewinnen kann.

Kaum jemand - ich sicherlich nicht - hätte vor vier Monaten prognostiziert, dass die Bengals eine Woche vor Saisonende den Divisionsieg perfekt machen können. Und sicher, dass die Ravens in puncto Verletzungen eine katastrophale Saison erleben, während in Cleveland Baker Mayfield einen Rückschritt im Vergleich zum Vorjahr macht, hilft bei dieser Gleichung. Genau wie ein vergleichsweise einfacher Schedule.

Aber auch wenn Cincinnati am Ende etwas Glück hatte. Auch wenn einige Flaggen in der zweiten Hälfte zumindest fragwürdig waren. Das war gegen dieses Chiefs-Team, das mehr und mehr wieder wie der feuerspuckende Drache auf dem höchsten AFC-Berg aussieht, ein Statement-Sieg.

Nicht weil es in irgendeiner Form besonders deutlich gewesen wäre, sondern weil die Spieler, die dieses Team auf Jahre prägen werden, Cincinnati in diese Situation brachten. Weil Burrow mal wieder Plays unter Druck machte, weil Ja'Marr Chase ein Rekordspiel ablieferte und in Phasen die Offense im Alleingang trug, und weil auch Higgins und Boyd kritische Plays machten. Weil die Defense in der zweiten Hälfte einen besseren Zugriff fand.

Selbst wenn wir auf die Problemzonen dieses Teams schauen, ist es für mich ein positiveres Bild als für viele andere Franchises; weil die zu betrachtende Baustelle so klar ist. Es sind nicht mehrere Zahnrädchen, die ineinander greifen müssen, oder eine Kombination aus in die Jahre gekommener Altstars und junger Spieler, die noch nicht viel gezeigt haben.

Die Bengals müssen ihre Offensive Line und insbesondere die Interior Line gravierend verbessern.

Ein Selbstläufer ist auch das nicht, und gegen die Chiefs hätte sie diese eklatante Schwachstelle auch beinahe das Spiel gekostet. Aber es gibt viel komplexere Kaderprobleme, die manche Teams überwinden müssen, als dieses. Anders formuliert: Der Pfad, um den nächsten Schritt als Team zu machen, ist im Fall der Bengals ziemlich eindeutig.

Saison in Cincinnati mit extremen Hochs und Tiefs

Dass Burrow in dieser Saison bei rund einem Drittel seiner Dropbacks unter Druck stand, ist ein Grund dafür, dass Cincinnati noch teilweise sehr drastische Formschwankungen im Laufe der Saison hatte. Auch wenn der sehr überschaubare Auftritt gegen Denver vor zwei Wochen etwa blitzartig vergessen war, nachdem die Bengals Baltimores gebeutelte Defense abgeschossen hatten. Aber die Hochs und Tiefs dieser Bengals-Saison waren mitunter enorm.

Gelingt es, diese Baustelle zu schließen, hat Cincinnati eine echte Chance, in die kommende Saison mit der Erwartung, Playoffs zu spielen, zu gehen. Und darum geht es ja letztlich bei der Weiterentwicklung eines Teams und beim Umbruch, den Teams durchlaufen: Wie kann man den Standard schrittweise erhöhen, dass gleichzeitig auch die Erwartungshaltung nach und nach steigt?

Dass es eben nicht überraschend ist, um die Division-Krone mitzuspielen, sondern dass das erwartet wird. Dass es nicht überraschend ist, gute Teams zu schlagen. Spiele wie dieses gegen Kansas City können da auch in der Identitätsbildung eines Teams eine Rolle spielen, und die nächste Frage ist dann: Kann Cincinnati vielleicht sogar dieses Jahr schon um den Titel mitspielen?

Hier wiederum würde ich nochmals einhaken und - bei allem Optimismus was die mittel- und langfristige Perspektive angeht - davor warnen, die Erwartungshaltung nach und auch in dieser Saison zu hoch zu schrauben. Cincinnati hatte einen vergleichsweise angenehmen Schedule, die Inkonstanz war immer wieder zu beobachten und alles steht noch auf wackligen Füßen, so wirkt es. Mal ist es das Play-Calling, mal die Defense, mal einer der jungen Offense-Stars, und meistens die Offensive Line. Cincinnati hat noch nicht den Floor eines Titelanwärters. Aber die Bengals können heiß laufen.

Der Kern für die nächsten Jahre ist gefunden, jetzt muss dieser Kern unterstützt werden. Alles, was jetzt in den Playoffs passiert, betrachte ich aus Bengals-Sicht als Bonus.

Bengals in einer extrem luxuriösen Position

Aber gleichzeitig sage ich auch: Wenige Teams sehe ich aktuell in einer ähnlich luxuriösen Position wie Cincinnati.

Burrow hat den Schritt hin zu einem Franchise-Quarterback gemacht und spielt eine sehr gute Saison, Chase, Higgins und Boyd können auf Jahre eines der besten Receiver-Trios in der NFL bilden, mit Chase und Higgins noch jahrelang auf den Rookie-Verträgen. In Joe Mixon hat man einen kompletten Back, und selbst die Investitionen in die Defensive Front haben sich als Glücksgriff entpuppt.

Cincinnati ist damit jetzt nicht nur bereit, den nächsten Schritt zu machen, sondern die offensive Feuerkraft, die hier entsteht und dieses Jahr auch schon sehr deutlich zu sehen war, gibt den Bengals perspektivisch in jedem Spiel eine Chance und sollte das Team für sehr lange Zeit mindestens mal unterhaltsam machen. Als Fan ist das schon nah am Maximum, was man erwarten kann.

Es ist eine wahnsinnig vielversprechende Ausgangslage - die auch danach schreit, in dieses Fenster jetzt All-In zu gehen, ehe Burrow, Higgins und Chase sehr, sehr teuer werden. Das Front Office der Bengals wird sich daran messen lassen müssen, wie aggressiv man mit diesem Fenster umgeht. Und Zac Taylor wird sich daran messen lassen müssen, was er aus diesem Potenzial macht.

Die Zeit der konservativen Umbrüche in Cincinnati ist mit dieser Saison vorbei.

2. Müssen wir uns um die Cowboys Sorgen machen?

Nach dem spektakulären Sunday Night Game gegen Washington schien Dallas wieder zurück in der Spur zu sein. Die Offense trat variabel auf, Prescott spielte wieder besser, die Defensive Front war dominant. Dallas schien auf bestem Wege, pünktlich vor den Playoffs wieder in die Spur zu finden und dann als eines der gefährlichsten Teams in die Postseason einzuziehen.

Doch dann kam dieses Spiel gegen Arizona, und das war definitiv ernüchternd. Weil die Cowboys wieder extrem sloppy auftraten, weil sie zehn Strafen für 88 Yards kassierten, und weil auch Prescott abermals über weite Strecken nicht gut spielte. Gleich zweifach hatte er Interception-Glück, der zweite Fehlwurf hätte ein Pick Six zu Budda Baker sein müssen, und die Offense fand nur bei zwei Drives einen Rhythmus - gegen eine stark angeschlagene Cardinals-Defense.

Wenn man den Spieß hier umdreht, könnte man auch sagen: Die Cowboys-Offense hatte seit Woche 11 gegen die Chiefs, die Saints, die Giants und auch im ersten Spiel gegen Washington kein gutes Spiel, und agierte jetzt sehr Hot-and-Cold gegen Arizona. Die Offense ist inkonstanter als sie es angesichts ihrer Qualität sein sollte - und jetzt hat sie Michael Gallup mit einem Kreuzbandriss verloren.

Und trotzdem hatten die Cowboys bis zum Schluss eine Chance gegen Arizona, und beim Fumble von Chase Edmonds hatten sie noch Pech. Trotzdem schlugen sie die Saints, Washington und die Giants in den eben angesprochenen Spielen. Das führt zu einer Thematik zurück, die ich letzte Woche bereits thematisiert hatte: Die Frage nach dem Spielraum für Fehler.

Defense wird Dallas in den Playoffs nicht tragen

Gegen Washington in Woche 16 verzeichnete Dallas' Defense 20 individuelle Pressures, in Woche 14 waren es im ersten Duell sogar derer 24 und gegen die Saints in Woche 13 28. Das ist ein Luxus, den wenige Offenses haben - Kansas City im zweiten Saisondrittel wäre ein weiteres Beispiel dafür. Die Defense kann Dallas mit dem Pass-Rush einen Floor geben. Aber ich würde davor warnen, hier schon zu große Schlüsse zu ziehen.

Arizona präsentierte seit Wochen die erste echte offensive Herausforderung, trotz der Ausfälle, die die Cardinals auch auf dieser Seite des Balls haben. Und während Dallas zwar das Early-Down-Run-Game stoppte und Arizona hier zwang, andere Wege zu finden, war doch vor allem auffällig, dass Arizonas Protection funktionierte - und dass Murray vertikal gehen konnte.

Murray generell hatte ein exzellentes Spiel, auch Kingsburys Play-Calling öffnete Räume und gab Murray Möglichkeiten. Der Fake Punt, aber auch die Entscheidung, Fourth-and-Goal auszuspielen, zeigten ein gutes Gefühl für das Spiel. Murray hatte unter der Woche darüber gesprochen, dass Arizona nicht so weit weg von der "alten" Form ist, dafür aber in erster Linie die selbstverschuldeten Fehler abstellen muss. Gegen die Cowboys waren sie dieses Mal auf der anderen Seite dieser Gleichung.

Cowboys-Offense spielt unter den individuellen Möglichkeiten

In den Playoffs warten andere offensive Kaliber auf Dallas als zuletzt während der dominanten Auftritte der Defense. Arizona war da nur ein Vorgeschmack. So eindrucksvoll Trevon Diggs' Interception-Zahlen auch sind - er, genau wie der Rest der Defense, ist anfällig für die Big Plays und wenn die Front nicht dominiert, entstehen dahinter Lücken.

Das war vor dem eindrucksvollen Defense-Run der letzten Wochen gegen die Raiders an Thanksgiving zu sehen, genau wie auch bei der Heimpleite gegen Denver, wenn wir mal bei der zweiten Saisonhälfte bleiben.

Es ist ein Luxus, diese Defensive Front zu haben, weil der Spielraum für Fehler für die eigene Offense vergrößert ist. Aber man kann sich nicht darauf verlassen, dass das gegen die Top-Teams in den Playoffs reicht, und die wackligen Auftritte jener Offense haben sich in der zweiten Saisonhälfte für meinen Geschmack zu sehr gehäuft.

Das sollte, und da müssen wir auch über Prescott sprechen, angesichts des Talent-Levels nicht der Fall sein.

3. Wir müssen über den Stafford-Trade sprechen

Ich hatte letzte Woche schon über die Rams geschrieben, und darüber, dass Matt Stafford dieses Team zu einer kuriosen Achterbahn macht. Die "Achterbahn" beschreibt dabei natürlich seine Leistungen - kurios ist es, weil die Rams schematisch offensiv sowie auch auf der defensiven Seite des Balls einen so hohen Floor haben, und durch Stafford trotzdem eine Wundertüte sein können.

Das, was ich letzte Woche geschrieben habe, trifft auch weiterhin zu, und die Rams können immer noch hoffen, dass Stafford zum Start der Playoffs heißlaufen könnte. Darauf deutet aktuell nichts hin, aber Stafford hat das in sich, und manchmal wird einem solchen Quarterback ein Schalter umgelegt, ohne offensichtlichen Grund.

Falls das passiert, sind die Rams ein heißer Super-Bowl-Kandidat - und dann sagen Mitte Februar vielleicht alle Verantwortlichen in Los Angeles, dass man mit Stafford alles richtig gemacht hat. Dass er eben derjenige war, der die Offense, als es am meisten gezählt hat, auf ein Level gehoben hat, das mit Jared Goff nicht möglich gewesen wäre.

Aber ist das nicht eine Konversation, die wir an irgendeinem Punkt führen müssen? Wie viel schlechter wäre Goff in dieser Rams-Offense, auf die Saison gesehen, als das was wir von Stafford mittlerweile bekommen? Man kann gut argumentieren, dass Stafford das Spiel gegen die Titans weg geworfen hat, gegen die Niners entscheidenden Anteil an der Niederlage hatte, und gegen die Vikings und Ravens zumindest alles versucht hat, um seinem Team ein Loch zu graben.

Und Stafford hatte sie auch dieses Jahr schon, diese "Big Boy"-Spiele, wo sein Armtalent der Schlüssel zu einer explosiven Rams-Offense war und das ganze Feld für McVay geöffnet hat. Aber drehen wir die Frage mal weiter: Wenn wir den Preis mit einberechnen - an welchem Punkt ist das noch ein guter Deal für die Rams? Oder anders gefragt, was muss passieren, damit es ein guter Deal wird?

Welchen Stafford bekommen die Rams in den Playoffs?

Ganz nüchtern betrachtet, liegt die Antwort vermutlich in genau dem Punkt, den ich gerade angesprochen hatte.

Wenn Stafford in den Playoffs einen Schalter umlegt, wird die jetzt fundierte Kritik niemanden mehr interessieren. Aber ich bleibe dabei: Ich kann mir nicht vorstellen, dass McVay diese große Bandbreite an Leistungen prognostiziert hat, als sich die Rams für das Goff-Upgrade in Person von Matt Stafford entschieden haben.

Nicht falsch verstehen, Stafford ist ein besserer Quarterback und er gibt den Rams mehr Möglichkeiten, selbst in diesem Spiel gegen Baltimore war das wieder zu sehen. Aber die gravierenden Fehler - wieder ein Pick sinnlos in Coverage tief in der eigenen Hälfte, dazu ein Wurf in Triple Coverage ohne Druck, der Fumble in der Red Zone - nehmen im Moment Überhand.

Und ich habe hier ein sehr positives Bild für die mögliche Prognose gemalt. Was - und das scheint an diesem Punkt mindestens so wahrscheinlich wie das positive Szenario -, wenn Staffords Turnover die Rams aus den Playoffs kegeln? Aktuell spielt er nicht ansatzweise wie ein Quarterback, der in zwei Wochen eine Playoff-Offense anführen kann.

Die Rams haben in den letzten Jahren viele aggressive Moves gemacht. Gegen Baltimore waren es am Ende Big Plays von Odell Beckham und Von Miller, den beiden großen In-Season-Trade-Neuzugängen, die diesen Sieg nach Hause brachten.

Aber der Stafford-Trade wurde sehr lange in sehr positivem Licht gesehen und dargestellt. Und ich denke, es ist an der Zeit, darüber zu reden, dass die Rams sich zwar ein Upgrade geholt haben - aber dass Stafford nur mit viel Glück in puncto Timing der Spieler sein wird, der den Rams als Team wirklich zum nächsten Schritt verhilft. Und für diese Varianz war er zu teuer.

Im Moment jedenfalls ist er in erster Linie Beifahrer.

4. Eagles in den Playoffs: Eine antizyklische Antwort

Es ist ganz deutlich sichtbar, dass in Philadelphia eine Findungsphase während dieser Saison stattgefunden hat - mit einem klaren Ergebnis. Über mehrere Wochen wirkte die Offense früher in der Saison etwas richtungslos und war ganz offensichtlich noch dabei, herauszufinden, was für sie funktioniert und was nicht. Diese Phase ist vorbei.

Im Laufe der Saison hat Rookie-Head-Coach Nick Sirianni gemeinsam mit First-Year-Starter Jalen Hurts die Identität dieses Teams gefunden. Und die liegt im Run Game.

Beziehungsweise, genauer formuliert, sie liegt in der Option-Offense und dem um den Quarterback herum aufgezogenen Run Game. Nicht die Ravens sind aktuell die zentrale Zone-Read-Offense in der NFL; dieser Titel gehört derzeit die Eagles.

Doch die Eagles sind auch gut darin, weitere Konflikte für die Defense zu kreieren. Etwa mit der Nub-Formation, also ein Tight End alleine auf einer und alle Receiver auf der anderen Seite der Formation.

Das bringt den alleinigen Coverage-Verteidiger - meist der Corner in Zone Coverage - auf der Tight-End-Seite in Konflikt und sorgt im Idealfall dafür, dass er seine Run-Gap etwas zögerlicher attackiert, was weitere Räume im Run Game kreiert. Diante Lee von PFF hatte vor einigen Wochen über diese Formation geschrieben.

Die Fortsetzung der Quarterback-Read-Offense?

Hier funktionieren mehrere Dinge zugunsten der Eagles. Da wäre natürlich Hurts' Athletik. Da wäre die Offensive Line die seit Wochen auf Top-5-Level spielt. Die Eagles haben in Dallas Goedert auch den idealen Tight End für diese Art Offense, der eine reale Bedrohung als Receiver darstellt, aber auch blocken kann.

All diese Punkte sind allerdings nicht neu; vor etwa zehn Jahren gab es mehrere Offenses in der NFL, die auf diese Art und Weise gespielt haben, und das kurzzeitig auch sehr erfolgreich. Und natürlich ist die Option Offense grundsätzlich keineswegs neu, auch wenn sie damals um Robert Griffin III., Colin Kaepernick, Cam Newton und ein Stück weit auch Russell Wilson als eine frische Welle in die NFL schwappte.

Diese Offenses waren - und sind, in meinen Augen - nicht vielseitig genug, um langfristig Bestand zu haben. Zumindest, und das war damals eine wichtige Erkenntnis, als Basis und Rückgrat einer Offense. Einzelne Plays daraus verschwanden nie aus der Liga, Newton, Wilson, in der nächsten Welle dann Kyler Murray, Josh Allen und natürlich Lamar Jackson, sie alle nutzten diese Mittel, mal mehr, mal weniger.

Die Eagles-Offense passt zum Defense-Trend

Doch mit Ausnahme von Jackson, dessen Ravens-Offense als Sonderfall zu betrachten ist, blieb es nicht lange das Rückgrat von Offenses in der NFL. Und ich denke auch, dass die Eagles sich basierend auf ihrer aktuellen Offense früher oder später weiterentwickeln müssen, um nicht zu eindimensional zu werden.

Aber ein weiterer Unterschied zu jenen Offenses vor rund zehn Jahren? Defenses spielen deutlich anders.

Es ist eines der Themen dieser Saison, dass deutlich mehr Defenses primär aus 2-High-Shells agieren, und Offenses so insbesondere im vertikaleren Passspiel limitieren wollen. Die Effekte daraus sehen wir insbesondere dadurch, dass extreme Passing- und Spread-Teams wie die Chiefs oder die Bills dagegen Probleme haben und noch dabei sind, sich neu auszurichten.

Aber im Gegensatz zu den während des vergangenen Jahrzehnts vorherrschenden Single-High-Coverages, welche einen zusätzlichen Verteidiger in der Box haben, präsentieren viele Defenses mittlerweile mehr leichte Boxes gegen den Run. Und wenn man dann, so wie die Eagles aktuell, zwei Verteidiger mit dem QB-Read und mit Formationen bereits aus dem Play nehmen kann, ohne dass man sie direkt blockt, dann gibt das gegen leichte Boxes einen riesigen Vorteil.

In Kombination mit der starken Offensive Line hat das die teilweise riesigen Lücken kreiert, durch welche Eagles-Backs in den vergangenen Wochen mitunter spaziert sind.

Die Eagles können in der Folge das Geschehen diktieren, auch ohne ein ausgeprägtes Passspiel. Mit dem Option Run Game und mit Shot Plays. Wenn Defenses mehr Verteidiger in die Box stellen, präsentieren sich Outside Eins-gegen-Eins-Situationen, und Jalen Hurts hat nicht umsonst eine der höchsten Deep-Pass-Quoten in der NFL dieses Jahr.

Eagles ein unangenehmer Gegner in den Playoffs

Man spricht ja gerne davon, das manchmal ein Team in die eine Richtung geht, während der Rest der Liga in die andere trendet. Häufig sind diese Aussagen etwas überzogen, oder der Effekt ist sehr überschaubar, respektive kurzzeitig. Und wie gesagt, auch die Eagles werden sich weiterentwickeln müssen, in Teilen sieht man das auch schon.

Im Moment aber präsentieren sie ein echtes Problem für Defenses, die schematisch andere Dinge priorisieren.

Und selbst Defenses, die vermeintlich in der Lage sein sollten, einen besseren Zugriff zu bekommen - etwa die Saints, die viel Man Coverage aus 2-High-Shells spielen, aber mit ihrer individuell dominanten Defensive Line den Run bis dato sehr gut stoppen konnten - wackelten, weil Philadelphia in seiner Run-Identität gerade ein sehr gutes Komplettpaket präsentiert.

Die Eagles stehen in den Playoffs, das alleine ist schon viel mehr, als man sich von dieser Eagles-Saison erwarten konnte. Und in diesem Jahr, in dem Teams ohnehin sehr Matchup-abhängig sind, könnte diese klare und etwas antizyklische Identität Philadelphia auch in den Playoffs zu einem sehr unangenehmen Gegner machen.

5. Umbrüche: Giants, Panthers, Dolphins - wann ist Schluss?

Mit -10 Net Passing Yards sorgten die Giants gegen Chicago für einen weiteren bitteren Tiefpunkt in einer Saison, die nicht gerade arm an Tiefpunkten war. Ja, New York konnte den Ball am Boden einigermaßen bewegen, aber seit der Verletzung von Daniel Jones wird die uninspirierende Natur dieser Offense umso deutlicher.

Dass sich Joe Judge danach vor die Presse stellte und - neben einem längeren Rant - erklärte, dass ihm heute noch ehemalige Spieler aus dem Vorjahr sagen würden, dass sie lieber wieder für die Giants spielen würden, und dass intern viele Dinge in die richtige Richtung laufen würden, wirkt in erster Linie wie ein verzweifeltes Verteidigen der eigenen Rolle.

Die Aussagen nach dem Spiel in ihrer Gesamtheit stinken geradezu nach vielen leeren Phrasen. Phrasen über Energie im Team, über den Charakter eines Teams mit einem merkwürdigen Vergleich zu 2018 bei den Patriots, darüber, wie tough die Stadt ist, wie das Team einen Turnaround eigentlich schon hingelegt hat, der aber nicht auffällt, weil Reporter wegen Corona nicht täglich in der Kabine sind, und so weiter.

Und ich muss ehrlich sagen: Es ist schwer, darauf zu vertrauen, wenn das Produkt auf dem Platz so leer wirkt. Nur weil das Team sich nicht direkt aufgibt in einem Spiel? Das ist schön, aber das reicht nicht als messbarer Fortschritt in Jahr 2. Diese Aussagen wirken dann wie leere Worthülsen, wie Durchhalteparolen.

Einerseits bin ich der Meinung, dass Umbrüche Zeit brauchen, das lässt sich auf Matt Rhule in Carolina erweitern, der zuletzt ebenfalls nochmals betonte, dass der Prozess funktioniere, nur die Ergebnisse noch nicht sichtbar seien. In unter drei Jahren ist es schwer, etwas komplett neu aufzubauen; und ohne einen Franchise-Quarterback ist es in der Zeit kaum möglich.

Aber auch Geduld will verdient sein.

Panthers und Giants: Mentalität ist nicht alles

Bei den Panthers frage ich mich, ob die Vision, die Rhule präsentiert - ein defensives Team, das offensiv über den Run kommen will -, zeitgemäß ist. Ob das die Vision eines Teams ist, auf dessen Entwicklung man warten möchte. Für einen kurzen Moment auch mal unabhängig vom gesamten Managements der Quarterback-Position.

Bei den Giants frage ich mich, wo genau Judge dieses Team besser gemacht hat, und was generell die Vision für dieses Team ist. Judge soll bleiben, er soll wohl auch in die GM-Suche mit eingebunden werden. Intern scheint man von seiner Vision für dieses Team überzeugt zu sein, aber ich bin nicht sicher, was genau diese sein soll. Ein besonders toughes Team? Das verbinde ich nicht mit den Giants. Ein extrem diszipliniertes Team? Auch eher weniger.

Die Offense scheint ziemlich im Nichts zu sein, nicht erst nach dem Coordinator-Wechsel. Daniel Jones ist vermutlich nicht die Antwort, aber er könnte auf jeden Fall besser sein, wenn die Umstände besser wären. Die Defense wurde in der Offseason - genau wie die Offense - individuell deutlich verbessert und enttäuschte dann sportlich ziemlich.

Einer Franchise eine Mentalität, eine Kultur, eine Identität einzuimpfen, das alles ist schön und gut. Aber ohne Siege wird das nie funktionieren; weil so viel Zeit bekommt ein Head Coach selten - und all diese Dinge zu implementieren ist so viel schwieriger, wenn die Spieler dabei die Ergebnisse nicht sehen.

Dolphins gehen baden - was wird jetzt aus Tua?

Vielleicht spielte der Regen wirklich eine größere Rolle, es wirkte zumindest so, als hätte es Tua Tagovailoa in Nashville am Sonntag nie so richtig geschafft, den Ball unter Kontrolle zu bringen. Nicht nur der verlorene Fumble, bei welchem er den Ball in der Wurfbewegung schlicht verlor, legte das nahe.

Tua hatte, man muss das so klar sagen, ein wirklich schlechtes Spiel. Hat regelmäßig Receiver verfehlt, war regelmäßig knapp - und manchmal auch deutlicher - daneben, und in einem Spiel gegen einen Playoff-Kontrahenten, in dem Miami für einen Sieg und für das Fortbestehen der Playoff-Hoffnungen einfach mehr von der Offense und mehr von seinem Quarterback gebraucht hätte, war beides schlicht nicht da.

Mit dem Sieg der Chargers später am Abend gegen Denver sind die Dolphins damit offiziell aus dem Playoff-Rennen eliminiert, und so gehören auch die Dolphins zu den Teams, bei denen die Offseason in den Mittelpunkt rückt. Ich bleibe dabei, dass diese Saison durch die Umstände nur wenige echte Rückschlüsse über Tua zulässt, wie ich auch dabei bleibe, dass die 7-Spiele-Siegesserie wenig über das Team aussagt. Sieben Spiele in Serie zu gewinnen ist schwer in der NFL, der Spielplan für die Dolphins war dafür aber sehr angenehm. Beide diese Dinge können zutreffen.

Die Offense war das ganze Jahr über viel zu simpel, was natürlich maßgeblich durch die Probleme in der Offensive Line geprägt war. Man kann hier fairerweise darüber diskutieren, ob ein anderer Quarterback aus dieser Situation mehr hätte machen können; Tatsache ist aber, dass uns diese Saison in der Evaluierung von Tua nur minimal weitergebracht hat. Das ist das größte Problem für die Dolphins aus dieser Saison.

Unter dem Strich steht ein drittes Jahr unter Flores und ein drittes Jahr ohne Playoffs, mit einem Team, das sich im Vergleich zum Vorjahr sportlich gesehen nicht weiterentwickelt hat. In dem sehr viele sehr rasche Entscheidungen in puncto Roster-Building getroffen wurden. In dem die Offensive Line als Großbaustelle in die Offseason geht.

Es würde mich nicht wundern, wenn die Antwort der Dolphins letztlich dennoch der Trade für Deshaun Watson wäre, um Löcher im Kader zu kaschieren und 2022 den Sprung in die Playoffs zu schaffen, während man die weiteren Baustellen schrittweise angeht. Ich weiß generell nicht, wie viel ich Miami was die Zusammenstellung des Kaders angeht noch vertraue.