Einer der Hauptgründe für den Höhenflug der Cincinnati Bengals auf dem Weg zu Super Bowl LVI ist Quarterback Joe Burrow, der nach fulminanter zweiter Saison sogar zur Stilikone aufgestiegen ist und an eine Legende erinnert.
Im Vorfeld eines jeden Super Bowls blickt man naturgemäß speziell auf die Quarterbacks. Und wie in so vielen Bereichen dieses Super Bowls unterscheiden sich die Ausgangslagen beider Teams hier deutlich.
Während die übergreifende Storyline bei Rams-QB Matthew Stafford sein langer Weg von den Lions bis in den Super Bowl mit und in Los Angeles war, ist der Fokus bei Joe Burrow weitaus breiter gefächert.
Burrow ist nicht nur einer der wenigen Quarterbacks in der Geschichte dieses Sports, dem es gelang, sein Team schon in seinem zweiten Jahr in der NFL in den Super Bowl zu führen.
Burrow ist vielmehr mittlerweile auch zur Stilikone aufgestiegen.
Zigarre? "Nur zu besonderen Anlässen"
Das Bild, das man wohl am besten mit Joe Burrow im Vorfeld des Drafts 2020, als er von den Bengals an Nummer 1 gezogen wurde, assoziiert, ist die Szenerie nach seinem Triumph im National Championship Game mit LSU. Als er mit Siegeszigarre cool in der Kabine saß und den Moment des Sieges zelebrierte.
Ähnliches war dann etwas mehr als zwei Jahre später auch in den Katakomben des Arrowhead Stadiums von Kansas City zu beobachten. Burrow mit Siegeszigarre, dieses Mal für das Erreichen des Super Bowls nach dem spektakulären Upset über die favorisierten Chiefs.
"Nur zu besonderen Anlässen", rauche er Zigarren, verriet Burrow im Moment des Sieges. "Die erste Zigarre, die ich jemals geraucht habe, war nach dem National Championship Game. Und so habe ich mir gedacht, dass wenn ich etwas gewinne, sei es unsere Division, einen Super Bowl oder die nationale Meisterschaft, sollten wir wahrscheinlich ein paar Zigarren rauchen. Ich denke, wir haben daraus etwas Besonderes gemacht."
Und so folgte eine Berichterstattung, die wir in der Form über NFL-Quarterbacks in der Regel nicht mehr gewohnt waren. Wer nun nach "Burrow Cigar" googelt, bekommt eine Vielzahl an Artikeln, die darauf eingehen, warum er sie raucht, wann er sie raucht und - ganz wichtig: welche Marke er da eigentlich geraucht hat. Denn wie sich herausstellt, ist Burrow da durchaus flexibel.
Nach dem Gewinn der AFC North rauchten er und Kollegen eine "La Flor Dominicana Mysterio", die pro Stück 15,50 Dollar kostet. Nach der Meisterschaft mit LSU war es hingegen eine "La Aurora", die speziell für NBA-Legende Karl Malone angefertigt wurde. Es gibt sie laut Forbes in vier verschiedenen Größen zum Preis von rund 10 Dollar.
Joe Burrow und seine extravaganten Outfits
Für weitaus noch mehr Aufsehen sorgen jedoch dieser Tage Burrows Outfits. Zum AFC Championship Game reiste er mit einer extravaganten Sherpa-Jacke, einem Turtleneck, einer speziell angefertigten vom Nike-Swooosh inspirierten Kette und einer randlosen Sonnenbrille an.
The Athletic brachte in Erfahrung, dass die Jacke - UVP von rund 170 Dollar - von einem in Ohio ansässigen aufstrebenden Fashion-Designer stammt, dessen Bruder ein Kumpel von Burrow aus High-School-Zeiten ist. Wenig überraschend explodierte dessen Website mit Bestellungen, nachdem GQ als erstes die entsprechende Seite verlinkt hatte. Und die Kette? Die ist von Juwelen-Designern aus Houston.
Burrow, der auch schon während der Saison mit rose-farbiger Sonnenbrille zur Pressekonferenz erschien, trieft mit diesen Looks natürlich vor Selbstvertrauen.
Allzu viele Gedanken an seine Outfits verschwendet er jedoch nicht: "Es ist nicht so, dass ich shoppen gehe und mir denke, 'oh, das werden alle lieben'. Es interessiert mich einfach nicht, was andere darüber denken, was ich anziehe oder mache. Ich trage einfach, was mir gefällt."
Auf die Frage, ob die Edelsteine an seiner Kette echt seien, konterte er derweil trocken: "Ich verdiene zu viel Geld, als dass die fake sein könnten."
Die Outfits, der Schmuck, das selbstbewusste Auftreten auf und neben dem Platz und der eine oder andere lockere Spruch - man denkt hier einfach unweigerlich an keinen geringeren als Hall-of-Famer Joe Namath, der in den 60er und 70er Jahren bei den New York Jets ähnlich auffällig unterwegs war.
Einzig die Super-Bowl-Sieg-Garantie fehlt bei Burrow vor dem Sonntag für die perfekte Parallele. In der heutigen Medienwelt ist das aber vielleicht auch besser so.
Wiedervereinigung mit Ja'Marr Chase als Katalysator
Die Grundlage für diesen neu erreichten Kultstatus Burrows ist aber zweifelsohne der steile sportliche Aufstieg in dieser Saison.
Nachdem er eine zumindest mal ordentliche Rookie-Saison als First-Overall-Pick hingelegt hatte und diese durch einen Kreuzbandriss ein jähes Ende gefunden hat, drehte er im zweiten Jahr richtig auf. Auch dank seiner Wiedervereinigung mit seinem einstigen Top-Receiver zu LSU-Zeiten, Ja'Marr Chase, hievte er die Bengals auf ein gänzlich neues Niveau und mit dem Super-Bowl-Einzug in lange nicht mehr gesehene Höhen.
Diese Entwicklung wiederum kommt allerdings nicht gänzlich überraschend. Schon seine finalen zwei College-Jahre hatten einen ähnlichen Verlauf - wenn auch ohne schwere Verletzung. Nach einer aussichtslosen Situation bei Ohio State, als Burrow erst hinter J.T. Barrett und dann hinter dem späteren Erstrunden-Bust Dwayne Haskins auf der Bank schmorte, transferierte der gebürtige Ohioan ins Bayou zu LSU.
Dort recht spät in der Vorbereitung angekommen legte er eine solide Saison 2018 hin, war jedoch in der Gesamtbetrachtung der QBs der Nation eher eine Randnotiz - ein Kandidat für die Draft-Runden 4 oder 5.
2020 dann folgte der ganz große Durchbruch. Er war von Beginn an dabei, lernte das Offensiv-Scheme vom Passing Game Coordinator Joe Brady, der mehr auf Spread-Formationen, RPOs und das Passspiel setzte, von Anfang an - und legte dann SEC-Rekorde für Yards und Touchdowns hin und staubte auf dem Weg zur nationalen Meisterschaft gegen Clemson auch noch die Heisman Trophy ab.
gettyJoe Burrow: Unmoralisches Angebot der Miami Dolphins
Anschließend herrschte unter allen Draftexperten Einigkeit: Burrow würde als erster Pick insgesamt im folgenden Draft gezogen werden. Burrows Jugendcoach Don Cooley ging damals sogar soweit, zu prognostizieren, dass Burrow die "Zukunft des Bengals-Footballs verändern" würde, wie er seinerzeit dem lokalen TV-Sender FOX19 sagte.
Dass er dann aber auch tatsächlich als erster Pick im Draft bei den Bengals landete, war einer schwierigen Entscheidung Cincys zu verdanken: Den Bengals lag ein beeindruckendes Trade-Angebot der Miami Dolphins vor, die laut eines Berichts von Ian Rapoport vom NFL Network gewillt waren, all ihre drei Erstrundenpicks 2020 nach Ohio zu schicken, um Burrow zu ziehen.
Die Bengals lehnten ab. Und stehen nun erstmals seit der Saison 1988 im Super Bowl.
Joe Burrow: Statistiken in der NFL
Saison | Spiele | Yards | Touchdowns | Interceptions | QBR |
2020 | 10 | 2688 | 13 | 5 | 48,5 |
2021 | 16 | 4611 | 34 | 14 | 54,2 |