Die Las Vegas Raiders haben durch die Verpflichtung von Chandler Jones und den Blockbuster-Trade für Davante Adams unter Beweis gestellt, in einer starken AFC West mitspielen zu wollen. Welche Chancen hat das Team aus der Sin City auf die Playoffs - und welche Baustellen gibt es noch im Kader?
Der erste große Dominostein, der ligaweit in dieser Offseason fiel, war der Trade von Russell Wilson zu den Denver Broncos.
Für ein Paket aus zwei Erstrundenpicks sowie weiteren Picks und mehreren Spielern sicherten sich die Broncos mit Wilson endlich den Franchise-Quarterback, den man in der Mile High City seit den Tagen von Peyton Manning vermisst hatte. In der Free Agency wurde dann nachgelegt und mit Randy Gregory ein starker Pass-Rusher verpflichtet, der gegenüber von Bradley Chubb auf Quarterback-Jagd gehen soll.
Auch die Chargers konnten sich früh in der Offseason verstärken und tradeten einen Zweit- und Sechstrundenpick zu den Chicago Bears für Khalil Mack, der zusammen mit Joey Bosa das vielleicht gefährlichste Pass-Rush-Duo der Liga bilden wird.
Zudem holten die Bolts mit J.C. Jackson den vermeintlich besten Cornerback auf dem Markt und konnten so eine weitere Lücke im Kader schließen. Dazu kommen die Verlängerung mit Wide Receiver Mike Williams und mehrere Verstärkungen in der Defensive Line und die Chargers haben auf dem Papier einen der besten Kader der Liga.
Die Kansas City Chiefs müssen sich nach dem Abgang von Tyreek Hill neu aufstellen. Mit den Wide Receivern JuJu Smith-Schuster und Marquez Valdes-Scantling - sowie plötzlich einer Masse an Draft-Munition - wurde der Neustart eingeleitet. Safety Justin Reid soll helfen, Tyrann Mathieu zu ersetzen.
Raiders: "Alles tun was nötig ist, um zu gewinnen"
Schaut man sich die stark verbesserte AFC West an, wirkten die Raiders zwischenzeitlich trotz Playoff-Teilnahme in der letzten Saison auf dem Papier wie das Team mit dem schlechtesten Kader innerhalb der Division.
Dabei hatte der neue Head Coach der Raiders, Josh McDaniels, bei seiner ersten Pressekonferenz im Amt angekündigt: "Wir werden auf dem Feld und abseits davon alles tun was nötig ist, um zu gewinnen."
Wie ernst die Raiders es damit meinten, haben sie in der bisherigen Offseason eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Zunächst wurde mit Chandler Jones einer der besten Pass-Rusher der Liga verpflichtet, danach mit Davante Adams der wohl beste Wide Receiver der gesamten NFL per Trade nach Vegas geholt.
Damit war klar: Die Raiders werden sich nicht in der AFC West verstecken, sondern versuchen, sie zu gewinnen.
AFC West: Auch die Raiders stocken auf
Der erste große Move der Raiders in dieser Offseason war es, den Vertrag mit Defensive End Maxx Crosby zu verlängern. 2019 holten die Raiders den Pass Rush-Spezialisten in der vierten Runde des NFL Draft und belohnten ihn nach 25 Sacks in seinen ersten drei Spielzeiten und einer Auszeichnung als Second Team All Pro 2021 mit einem neuen Arbeitspapier über vier Jahre und bis zu 98,98 Millionen Dollar.
Dass die Raiders keinesfalls mit dem Gedanken spielen, aufgrund der starken Konkurrenz innerhalb der Division zu tanken, wurde spätestens klar, als sie mit Chandler Jones einen der größten Namen auf dem Free Agent-Markt verpflichteten. Seit Jones 2012 in die Liga kam kommt er auf 107,5 Sacks - kein anderer Spieler schaffte in diesem Zeitraum mehr.
Kurz darauf schickten die Raiders dann Defensive End Yannick Ngakoue per Trade zu den Indianapolis Colts. Der hatte im Vorjahr zwar eine starke Saison gespielt, doch durch die Verpflichtung von Jones wurde er verzichtbar und durch seinen Cap Hit von 13 Millionen war er letztendlich zu teuer.
Adams und Carr erfüllen sich "einen Traum"
Im Gegenzug bekamen die Raiders Cornerback Rock Ya-Sin von den Colts und konnten so eine große Lücke innerhalb des Kaders schließen. Casey Hayward hatte diese im Vorjahr besetzt, doch im Zuge einer schematischen Umstellung auch defensiv wird man andere Cornerback-Typen brauchen.
Ya-Sin hatte in seinen ersten drei Jahren sicherlich einige Höhen und Tiefen, aber er ist zumindest ein solider Starter auf einer Position, auf der die Raiders dünn besetzt sind. Zudem hat er in der kommenden Saison einen Cap Hit von nur 2,5 Millionen und dadurch hatten die Raiders genug Cap Space, um anschließend einen der größten Trades der letzten Jahre einzutüten.
Im Austausch für einen Erst- und Zweitrundenpick im kommenden Draft schnappten sich die Raiders mit Davante Adams den wahrscheinlich besten Receiver der Liga und ehemaligen College-Teamkameraden von Quarterback Derek Carr.
"Irgendwann wieder zusammenzuspielen war für mich und Derek Carr etwas, worauf wir unsere Augen gerichtet hatten", erklärte Adams bei seiner ersten Pressekonferenz in den Farben Silber und Schwarz. "Es ist ein Traum, jetzt ein Raider zu sein."
imago imagesRaiders haben plötzlich ein starkes Waffenarsenal
"Der Wendepunkt für mich kam, als ich mich hingesetzt habe und mich fragte, was das Beste für mich und meine Familie ist", erklärte der fünfmalige Pro Bowler, der als Fan der Raiders in der Nähe des Oakland Coliseum aufwuchs, zu seinem Abschied aus Green Bay. Adams ist seiner Familie nun deutlich näher, was für ihn eine große Rolle gespielt hat.
Wirft man einen Blick auf die Skill Positionen in der Offensive der Raiders, kann man durchaus das Potenzial erkennen, dass die Offense unter McDaniels zu den besten der Liga gehören kann.
Mit Adams hat man endlich wieder einen klaren Nummer-1-Receiver, Hunter Renfrow ist eine Waffe aus dem Slot und Darren Waller ist einer der besten Tight Ends der NFL. Dazu kommt ein solides Running Back-Tandem aus Josh Jacobs und Kenyan Drake sowie Derek Carr, der mit 4804 Passing Yards letzte Saison seine Karriere-Bestmarke aufstellen konnte.
Davante Adams vergleicht Raiders-Offense mit der der Chiefs
"Ich habe mit Josh McDaniels geredet und gesagt, dass es ähnlich wie die Situation in der Chiefs-Offense ist", erklärte Adams. "Du kannst Tyreek Hill doppeln, aber dann macht Travis Kelce 200 Yards. Oder du doppelst Kelce und dann weißt du, dass die Yards an Tyreek gehen werden."
Damit hat Adams nicht unrecht - auch wenn die Chiefs Hill mittlerweile nach Miami getradet haben -, denn gegnerische Teams werden aller Voraussicht nach versuchen, entweder ihn oder Waller zu doppeln, was mehr Räume für den jeweils anderen bedeuten wird.
Laut Matt Harmon von Yahoo Sports wurde in den letzten acht Jahren kein anderer Spieler so oft von zwei Verteidigern gedeckt wie Adams in der letzten Saison. Waller dürfte also von Adams' Ankunft stark profitieren und auch für Renfrow werden sich zusätzliche Räume öffnen. Letztes Jahr fing der Slot Receiver Bälle für über 1000 Yards, erzielte 9 Touchdowns und wurde in den Pro Bowl gewählt.
"Die Leute sagen, ich könnte Hunter viel beibringen. Aber ich denke mir - vielleicht kann er mir ein paar Dinge beibringen", schwärmte Adams von seinem neuen Teamkameraden.
Las Vegas Raiders: Welche Baustellen gibt es in der Offensive?
So gut die Offense auf dem Papier aussieht - falls die Offensive Line ähnlich schwach performt wie im Vorjahr, dann werden die Raiders vor Probleme gestellt werden. Insgesamt 40-mal wurde Carr in der letzten Spielzeit gesackt, nur vier andere Quarterbacks in der Liga mussten mehr Sacks einstecken.
Mit Kolton Miller hat Las Vegas immerhin einen guten Left Tackle und auf der Center-Position ist man mit Andre James zumindest solide besetzt. Doch alle anderen Positionen in der O-Line lassen aktuell noch zu wünschen übrig.
Der Erstrundenpick des letzten Jahres, Alex Leatherwood, funktionierte als Right Tackle überhaupt nicht. Als er dann als Right Guard eingesetzt wurde, spielte er teilweise etwas besser, alles in allem blieb er jedoch weit hinter den Erwartungen zurück.
Falls er auch nächstes Jahr als Guard eingesetzt wird, bleibt die Hoffnung, dass er aus seinem Rookie-Jahr gelernt hat und noch deutlich besser spielen kann. Die andere Guard-Position ist mit John Simpson ebenfalls nur unterdurchschnittlich besetzt.
Rüsten die Raiders auch auf Right Tackle noch nach?
Sollte Leatherwood weiter als Guard spielen, wird die Verpflichtung eines Right Tackles jedoch Priorität haben.
Verfügbare Free Agents, die auf der Position des Right Tackles beheimatet sind, wären beispielsweise Billy Turner, Riley Reiff oder Germain Ifedi. Sicherlich keine Optionen, welche die Herzen der Raiders-Fans höherschlagen lassen werden; aber dennoch besser als alles, was Las Vegas aktuell sonst so auf der Position zu bieten hat.
In Anbetracht der Pass-Rusher, die in der nächsten Saison in der AFC West auflaufen werden, muss Vegas hier definitiv nochmal nachbessern. Ansonsten werden die Chiefs mit Chris Jones und Frank Clark, die Broncos mit Chubb und Gregory und die Chargers mit Bosa und Mack vermutlich leichtes Spiel haben.
gettyLas Vegas Raiders: Wie steht es um die Defensive?
Der neue Defensive Coordinator Patrick Graham wird vor allem darauf setzen, dass seine beiden Pass-Rusher Crosby und Jones viel Druck auf gegnerische Quarterbacks erzeugen können und die Offense des Gegners so vor Probleme stellen werden. Die Raiders haben auf den anderen Positionen ihrer Defense zwar keine Stars, sind aber überall zumindest recht solide aufgestellt.
Mit Ya-Sin, Trayvon Mullen, Nate Hobbs und Anthony Averett hat man vier durchschnittlich bis ordentliche Cornerbacks, Jonathan Abraham in der Box sowie Trevon Moehrig als Allrounder sind zwei solide Safeties, die das Defense Backfield der Raiders abrunden.
Auch bei den Linebackern ist man mit Denzel Perryman und Divine Diablo recht ordentlich aufgestellt. Das Problem auf der defensiven Seite des Balls liegt vielmehr in der Breite des Kaders.
Sollte einer der genannten Spieler sich verletzen, sieht es dahinter dann schon recht dünn aus. Glück mit Verletzungen gehört in der NFL immer ein Stück weit dazu, bei den Raiders könnte es nächstes Jahr aber noch wichtiger sein als ohnehin schon ist.
Wenn die Raiders weitestgehend gesund bleiben, dann könnte die Defense gerade gut genug sein, um oben mitzuspielen, zumal man wohl ohnehin versuchen wird, Spiele über die stark besetzte Offense zu gewinnen.
Haben die Raiders eine echte Chance in der AFC West?
"Das ist momentan die beste Division im Football", erkannte Adams nach seinem Trade an. "Es wird nicht einfach, aber das ist definitiv etwas, worauf ich mich freue. Ich bin immer auf der Suche nach einer Herausforderung." Eine Herausforderung wird es auch definitiv werden. Alle Teams in der AFC West bringen Playoff-Potenzial an den Start, und die Playoff-Plätze in einer auch sonst starken AFC sind nunmal begrenzt.
Trotzdem darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Raiders vergangene Saison im entscheidenden Spiel in Woche 17 die Chargers besiegten und in den Playoffs standen. Dort unterlag man dann den Cincinnati Bengals, auch weil Las Vegas, wie auch schon in der gesamten Spielzeit, Probleme in der Red Zone hatte.
Tatsächlich war Las Vegas im Vorjahr das drittschlechteste Team, was die Effizienz innerhalb der Red Zone betrifft. Doch gerade in diesem Bereich dürfte sich die Verpflichtung von Adams bezahlt machen: In den letzten beiden Saisons erzielte er 24 Touchdowns in der Red Zone - kein anderer Ballfänger schaffte in den letzten zwei Jahren mehr.
Durch den Trade hat man im kommenden Draft aber auch erst ab Runde 3 einen Pick und der neue General Manager Dave Ziegler wird ein ähnlich gutes Händchen wie in der Free Agency beweisen müssen, um die Breite des Kaders zu verstärken.
In der NFC West schafften es letztes Jahr am Ende drei Teams in die Playoffs und so stark wie die AFC West momentan erscheint, könnten nächste Saison erneut drei Teams aus einer West-Division den Sprung in die Postseason schaffen.
Den Anspruch, darum mitzuspielen, haben die Raiders jedenfalls bewiesen. Jetzt werden sie ihr Potenzial auf dem Feld ausspielen müssen, um in der AFC West mitreden zu können.