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Warten auf das Quarterback-Karussell: Die fragenden Blicke der Eltern

Könnten die Minnesota Vikings einen Trade von Kirk Cousins in das diesjährige Quarterback-Karussell werfen?
© getty

Russell Wilson, Aaron Rodgers, Deshaun Watson, Jimmy Garoppolo, Derek Carr: Das potenzielle Quarterback-Karussell sah nach Saisonende überaus attraktiv aus und sorgte für spektakuläre Gedankenspiele. Doch wenige Tage vor dem Start der Free Agency schrumpft der Markt zunehmend - während die Teams auf der Suche in den Vordergrund rücken.

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Die Scouting Combine ist Jahr für Jahr ein spannender Termin im NFL-Kalender. Die Tests der Draft-Prospects sorgen für neue Konversationen und Prognosen Richtung Draft; wirklich spannend aber sind häufig die Dinge, die zwischen den Zeilen durchsickern.

Die Combine ist in den meisten Fällen nicht nur die erste Gelegenheit seit Saisonende, um von den Head Coaches und GMs zu hören, von denen sich die meisten der Presse stellen. Es ist auch die Nummer-1-Brutstätte für Gerüchte.

Selten sind so viele NFL-Verantwortliche zur gleichen Zeit am gleichen Ort, und das mit einer Vielzahl an Journalisten und Team-Insidern. Es wäre fast verwunderlich, wenn hier keine Gerüchte entstehen würden - und auch Deals kommen hier zustande, oder werden zumindest sehr konkret.

Das ligaweite Warten auf Aaron Rodgers

Doch wer in diesem Jahr darauf gehofft hatte, dass das Quarterback-Karussell Anfang März so richtig Fahrt aufnimmt, sieht sich nach der Combine eher unterwegs in die entgegengesetzte Richtung.

Das Karussell ist fast zum Stillstand gekommen, die ersten Kinder steigen schon aus und die Eltern an der Seite werfen sich fragende Blicke zu, ob hier noch etwas passiert, oder ob man den Heimweg antreten kann.

In Teilen ist das auch das Warten auf den ersten Dominostein, und dieser erste Dominostein heißt Aaron Rodgers. Packers-Coach Matt LaFleur sprach während der Combine darüber, dass er Rodgers nicht "nerven" wolle, GM Brian Gutekunst verkündete, dass er bisher keine Trade-Anfragen für den 38-Jährigen bekommen habe.

Rodgers selbst hatte ursprünglich angekündigt, dass er seine Entscheidung frühzeitig treffen wolle - allzu viel Zeit bleibt nicht mehr, ehe die Packers kritische Free-Agency-Entscheidungen treffen müssen, für die es vorteilhaft wäre, zu wissen, ob man sich All-In mit Rodgers oder im Rebuild mit Jordan Love befindet.

Alles, was von Rodgers seit Saisonende zu hören war, geht in die Richtung, dass es hinter den Kulissen deutlich besser läuft als zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres, als das Tischtuch beinahe schon zerschnitten schien.

Green Bay holte sogar QB-Coach Tom Clements zurück, auch etwas, das Rodgers positiv bewertete - während LaFleur kein Geheimnis daraus machte, dass Rodgers eine "signifikante Rolle" in dieser Entscheidung gespielt hat.

Quarterback-Karussell: Wie sieht die Liga diesen Draft?

Die Kernfrage, die sich hier somit stellt, lautet: Worauf wartet Rodgers? Alle Karten in Green Bay liegen auf dem Tisch - geht es um einen neuen Vertrag in Green Bay? Oder wartet er doch noch darauf, dass sein Ex-Coach Nathaniel Hackett aus Denver das Angebot schickt, das die Packers - und Rodgers selbst - nicht ablehnen können?

Von der Combine sickerte durch, dass die Packers sehr viel Aufwand - auch finanzieller Natur - betreiben, um Rodgers zu halten, doch dass andere Teams sich gleichzeitig noch Chancen auf Rodgers ausrechnen.

So oder so: Während die Gerüchte rund um Russell Wilson mehr und mehr abgeklungen sind, und sich die Raiders klar zu Derek Carr bekannt haben und bereits an einem neuen Deal für Carr arbeiten sollen, während die Liga bei Deshaun Watson weiterhin darauf wartet, was gerichtlich passiert und wie das seine Verfügbarkeit beeinflussen wird, ist Rodgers der klare erste Dominostein in jeglicher Kalkulation.

Zwar scheinen sich die Gerüchte rund um den MVP auf Denver und Green Bay - oder das überraschende Karriereende? - zu beschränken; doch falls Rodgers tatsächlich via Trade zu haben ist, wird es ein spektakuläres Wettbieten geben.

Denn, und diese Berichte kamen von der Combine: Mehrere Teams, die einen neuen Quarterback brauchen, wollen einen Veteran - und wollen eher nichts mit dieser Quarterback-Klasse zu tun haben.

Das passt zur bisher vermittelten ligaweiten Einschätzung der Quarterbacks im diesjährigen Draft. Es ist eine sehr überschaubare Klasse, und selbst die Teams, die auf das Potenzial von Malik Willis setzen könnten, scheinen - so die Gerüchtelage - in Willis nach Möglichkeit keine Option direkt für 2022 zu sehen, sondern stufen ihn eher als Projekt für 2023 ein.

QB-Markt: Mitch Trubisky plötzlich im Mittelpunkt

Was also als potenziell wilder Quarterback-Sturm gehandelt wurde, kristallisiert sich mehr und mehr als laues Lüftchen heraus; und so rücken andere Namen in den Fokus.

Chris Burke, Lions-Insider für The Athletic, berichtete etwa von der Combine, dass er in Indianapolis mehrfach mit einer Frage konfrontiert wurde, die er im Vorfeld so gar nicht auf dem Zettel hatte: Die Frage danach, ob die Lions überlegen könnten, Jared Goff via Trade abzugeben.

Aus Browns-Reporter-Kreisen war rund um die Combine zu vernehmen, dass die Verantwortlichen keine - realistisch verfügbare - bessere Option für die kommende Saison sehen als Baker Mayfield. Und der Quarterback, dessen Name am häufigsten aus der Combine-Gerüchteküche zu vernehmen war, ist Mitch Trubisky.

Trubisky hat nach dem Aus in Chicago die vergangene Saison als Backup von Josh Allen in Buffalo verbracht, hier häufen sich die Berichte, dass er einen sehr soliden Markt in der Free Agency haben wird - und zwar als Starter für ein Team. Stimmen die Meldungen von der Combine, dann sprechen wir von einem Deal im zweistelligen Millionenbereich.

Ein Sinnbild dafür, wie dringend manche Teams suchen, und der eine oder andere GM wird noch überaus positive Pre-Draft-Evaluierungen für Trubisky in der Schublade haben.

Washington, Carolina - Colts? Wer ist aggressiv?

Washington ist eindeutig auf der Suche, und soll vor allem auf den Veteran-Markt blicken. Die Carolina Panthers sind verzweifelt und es ist schwer vorstellbar, dass Matt Rhule in einer Make-or-Break-Saison auf einen Rookie aus dieser Klasse plus Sam Darnold setzt.

Die Panthers könnten allein durch diesen Faktor am Ende das Team sein, das bereit ist, auf das Risiko Deshaun Watson zu setzen. Auch Tampa Bay fällt womöglich in diese Kategorie, nicht so sehr aus Verzweiflung, sondern weil es schwer vorstellbar ist, dass Bruce Arians mit seinen knapp 70 Jahren nochmal einen Neustart mit einem Rookie hinlegt.

Die Verantwortlichen der Colts nutzten die Combine indes trotz des mutmaßlichen Mangels an Top-Qualität auf dem Markt nicht dafür, um sich doch für Carson Wentz auszusprechen. Im Gegenteil, die Colts zählten Wentz, der im Vorjahr per Trade aus Philadelphia gekommen war und Indianapolis unter anderem den Erstrunden-Pick im kommenden Draft kostet, weiter an.

So sprach GM Chris Ballard etwa ganz offen darüber, dass noch keine Entscheidung für Wentz gefallen sei, und dass die internen Diskussionen noch laufen. Ultimativ werde man "das machen, was der beste Weg für die Colts ist. Kurz- wie auch langfristig."

Auch auf die Nachfrage, ob die Verantwortlichen noch an Wentz glauben, wich Ballard aus. Selbst Coach Frank Reich, der Wentz aus Philadelphia kannte und der nach eigener Aussage sich stark für den Trade eingesetzt hatte, gab zu, dass er nicht wisse, ob Wentz' Zukunft bei den Colts liegt.

QB-Karussell: Was passiert mit Jimmy Garoppolo?

Es gehört nicht allzu viel Interpretation dazu, um die Aussagen der Colts-Verantwortlichen so zu interpretieren: Falls Carson Wentz 2022 noch der Quarterback in Indy ist, dann nur, weil man keine bessere Option gefunden hat. Und das scheint in der ligaweiten Betrachtung des Quarterback-Markts eine relativ realistische Sichtweise auf eben jenen zu sein.

Denn auf einem Markt, auf dem mehrere Teams händeringend nach einem Starter suchen, könnte am Ende Jimmy Garoppolo die attraktivste Lösung sein. Garoppolo ist sicher kein High-End-Starter, aber man kann sehr genau sagen, in welcher Art Offense er funktioniert und was er kann.

Eine OP an der rechten Schulter wird es ihm bis in den Juni nicht erlauben, den Ball zu werfen, doch die Art und Weise, wie sich der Markt entwickelt, könnte dazu führen, dass die 49ers doch noch einen Zweitrunden-Pick für Garoppolo einstreichen können.

Vielleicht von den Broncos, sollte Rodgers nicht kommen, vielleicht auch von den Colts oder den Bucs.

Kirk Cousins als die Wildcard auf dem Markt?

Und dann gibt es noch eine große Wildcard, die bisher nur bedingt medial ein Thema zu sein scheint, aber die beste verfügbare Option am Ende sein könnte: Vikings-Quarterback Kirk Cousins.

Cousins würde 2022 in sein letztes Vertragsjahr in Minnesota gehen, mit einem astronomischen Cap Hit über 45 Millionen Dollar. Die Vikings starten mit neuem GM und neuem Head Coach - wenngleich Kevin O'Connell bereits in Washington kurzzeitig mit Cousins zusammengearbeitet hat - den Umbruch; ist der 33-jährige Cousins der Quarterback dafür?

In dem Fall ist durchaus denkbar, dass Cousins eine Vertragsverlängerung erhält, um den Cap Hit für 2022 zu verringern. Sollten O'Connell und GM Kwesi Adofo-Mensah aber in Cousins nicht ihre Antwort sehen, könnten sie jetzt auf dem Markt noch wertvolles Draft-Kapital in einem Trade erhalten - vielleicht mehr als man auf den ersten Blick denken würde.

Denn so viel scheint klar: Das Quarterback-Karussell 2022 benötigt dringend jemanden, der es anschubst.

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