NFL: Darauf sollten Teams beim Draft eines Quarterbacks achten

Marcus Blumberg
15. April 202209:45
Trevor Lawrence fand keine guten Umstände in Jacksonville vor.getty
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Der NFL Draft 2022 ist nur noch wenige Tage entfernt und auch in diesem Jahr dürften - unabhängig von der Qualität der Klasse - wieder einige Teams auf Quarterback-Suche sein. Doch worauf sollten sie dabei achten und welche Schlüsse lassen sich nicht zuletzt aus dem Vorjahr ziehen?

Quarterback ist die mit Abstand wichtigste Position im Football. Wer einen Top-Quarterback hat, darf sich glücklich schätzen und ist grundsätzlich in der Lage, erfolgreich zu sein - sprich: wenigstens um die Playoffs mitzuspielen. Wer keinen hat, muss dagegen zusehen, einen solchen so schnell wie möglich zu bekommen.

Der langfristig ideale Weg, um dies zu bewerkstelligen, ist der Draft. Und völlig losgelöst davon, dass die QB-Klasse von 2022 eher niemanden vom Hocker reißen wird, werden auch in diesem Jahr Quarterbacks relativ weit oben im Draft gezogen werden, verbunden mit der Hoffnung, das er der Heilsbringer für die kommenden zehn Jahre sein kann.

NFL Draft 2021: Quarterbacks in Runde 1

Draft-PositionSpielerTeamQBR
1.Trevor LawrenceJaguars33,5
2.Zach WilsonJets28,2
3.Trey Lance49ers33,4
11.Justin FieldsBears26,4
15.Mac JonesPatriots50,9

Im Vorjahr wurden gleich fünf Quarterbacks in Runde 1 gezogen, drei weitere an Tag 2 und zwei am dritten Tag des Drafts. Und die kurzfristige Entwicklung derer lässt durchaus Rückschlüsse ziehen darauf, was zu beachten ist, wenn man einen Quarterback im Draft zieht.

Was sollten Teams bedenken? Was beeinflusst die Entwicklung des QBs - und bei welchen Teams wären die künftigen Rookies am besten aufgehoben?

Eine gute Gesamtsituation ist essentiell für die Entwicklung

Es gibt diese Phrase, "Bad Teams stay bad", die sich scheinbar immer wieder bewahrheitet. Und das fängt meist ganz oben an. Schlechte Teameigner sind keine gute Grundlage für Erfolg. Ebenso wenig hilft es, wenn solche Teameigner zielsicher alle paar Jahre Funktionäre engagieren, die nicht gut genug sind für ihren Job - um diese dann regelmäßig wieder auszutauschen.

Ohne hier jetzt jedes Negativbeispiel rauszuholen, aber jemand mit einer Bilanz wie Trent Baalke, der bereits den zwischenzeitlichen Niedergang der 49ers nach dem Höhenflug unter Jim Harbaugh vor rund zehn Jahren mitverantwortet hat, sollte nicht die Schlüssel zum Schloss bei einer anderen Organisation gereicht bekommen.

Denn was folgte daraus? Die Jaguars verpflichteten mit Urban Meyer einen Head Coach, der rückblickend betrachtet von Tag eins an ein Desaster war. Und das gilt vollends auch für seinen offensiven Coaching Staff, der gespickt war mit Leuten, die anderswo schon durch schlechte Arbeit aufgefallen waren - allen voran Brian Schottenheimer und Darrell Bevell, deren Ansichten von Offensivspiel antiquiert sind.

Das Sportportal The Ringer hat zu Beginn der Vorsaison Nachforschungen angestellt zur Frage, was für Teams in der Regel eine hohe Trefferquote aufweisen, wenn es darum geht, gute Quarterbacks zu draften. Unterschieden wurde in "gute" und "schlechte" Teams, also solche, die zuvor positive Bilanzen hatten und sogar die Playoffs erreichten, und solche, die mehr Spiele verloren als sie gewannen.

Wenig überraschend lag die Trefferquote bei den guten Teams bei rund zwei Drittel, die der schlechten nur bei einem Drittel, was das Picken von guten QBs angeht. Dabei wäre die Trefferquote der guten Teams sogar bei fast 83 Prozent - die Rede ist übrigens im Zeitraum von 2011 bis 2018 - gelegen, wenn John Elway nicht Brock Osweiler, Paxton Lynch und Trevor Siemian nach Denver geholt hätte. Das nur am Rande.

Cam Newton als positive Ausnahme

Hinzu kommt, dass in besagtem Zeitraum nur eines der "schlechten" Teams durch einen im Draft geholten Quarterback großen Erfolg gehabt hat - die Panthers, nachdem sie Cam Newton 2011 an erster Stelle gezogen hatten. Sie erreichten in der Saison 2015 den Super Bowl. Doch ansonsten hielt sich der Erfolg dieser Teams eher in Grenzen.

Jacksonville durfte man getrost vor dem vergangenen Draft als schlechtes Team einstufen, nach damals drei Saisons mit negativer Bilanz in Serie und einer 1-15-Saison 2020. Und die Jaguars bestätigten diesen Trend 2021 mit Lawrence.

Wie gut er wirklich sein kann, sahen wir eigentlich erst gegen Saisonende und auch dann nur in Ansätzen. Keiner weiß schon jetzt, ob das in Zukunft so bleiben wird. Es ist durchaus möglich, dass Lawrence mit einer klareren Strategie, besserem Coaching und besseren Mitspielern aufblühen wird und sein großes Potenzial aufs Feld bringt. Doch 2021 war er unter den gegebenen Umständen keine große Hilfe.

Gleiches gilt für Zach Wilson bei den New York Jets. Zwar dürfte hier die Qualität im Coaching größer gewesen sein, doch fehlte es eben mindestens mal an Erfahrung. Weder Head Coach Robert Saleh noch Offensive Coordinator Mike LaFleur hatten zuvor in ihrer jeweiligen Position gearbeitet. Zudem gab es gerade zu Saisonbeginn keine ernsthafte Alternative zu Wilson, der folglich sofort startete und große Probleme hatte.

Der Dritte im Bunde, der ein durchwachsenes erstes Jahr hinlegte, war Justin Fields in Chicago. Er startete nicht von Beginn an, doch auch recht zeitig. Was jedoch deutlich wurde, war, dass der Coaching Staff der Bears um Matt Nagy keinen wirklichen Plan hatte, wie man die einzigartigen Fähigkeiten Fields' gewinnbringend einsetzen könnte. Entsprechend passte wenig zusammen.

Trevor Lawrence fand keine guten Umstände in Jacksonville vor.getty

Mac Jones: Bester Rookie-Quarterback 2021

Dass es auch anders gehen kann, zeigte derweil Mac Jones in New England. Zwar war er auf vielen Draft Big Boards eher die Nummer 3 bis 5 der QB-Hackordnung, doch spielte er die mit Abstand beste Saison aller Rookie-Quarterbacks 2021. Dabei geholfen hat sicherlich ein etabliertes System der Patriots, gestützt durch Head Coach Bill Belichick und Offensive Coordinator Josh McDaniels.

Klar hatten auch die Patriots eine Losing Season 2020 (7-9), doch das dürfte zuvorderst dem schwachen Personal geschuldet gewesen sein nach dem Abgang von Tom Brady. 2021 hatte man wieder deutlich mehr Qualität auf dem Feld, wovon Jones von Tag eins an profitierte, auch wenn man für ihn die Offense eher zögerlich öffnete zu Beginn.

Neben dem Coaching hilft es auch, gute Mitspieler auf dem Feld zu haben. Eine stabile Offensive Line, gute Receiver und dergleichen. Der QB ist der zentrale Punkt, aber selbst kann sich auch der Beste nicht den Ball zuwerfen. Es spricht also zumindest einiges dafür, vielleicht erstmal ein Gerüst aufzubauen und dann den QB zu holen.

Beispiele, die dies unterstreichen, sind etwa die Philadelphia Eagles, die 2017 den Super Bowl gewannen. Ihr Kader war bereits vor Carson Wentz' Ankunft auf hohem Niveau unterwegs - das wird deutlich dadurch, dass selbst mit Backup Nick Foles der ganz große Wurf gelang. Ähnlich verhielt es sich mit den Chiefs, bei denen Patrick Mahomes nach einer sehr ordentlichen Saison mit Alex Smith übernahm und damit in ein schon sehr gut funktionierendes Gefüge hinein kam.

Generell lässt sich also sagen, dass Teams gut daran tun, schon vor dem QB ihre Hausaufgaben zu machen und für ein stabiles Fundament zu sorgen. Dazu gehört ein fähiges Front Office, ein innovativer und qualifizierter Coaching Staff und eben ein Kader, der dem neuen QB helfen kann und nicht zur Bürde wird.

Ein klarer Zukunftsplan ist unabdingbar

Mehrere Wochen bevor der Draft überhaupt eröffnet war, fädelten die San Francisco 49ers ihren Trade mit den Miami Dolphins für den Nummer-3-Pick im Draft 2021 ein. Und schon da dürfte ihnen klar gewesen sein, dass Trey Lance ihre Wahl sein wird. Gerüchten zufolge soll auch Mac Jones in der Verlosung gewesen sein, doch eigentlich sah es schon früh so aus, dass Lance die Präferenz war.

Lance passte einfach in die Idealvorstellung von Head Coach Kyle Shanahan, der viel auf sein Zone Blocking Scheme setzt und über das Run Game ein flüssiges, in sich schlüssiges Offensiv-Konstrukt aufgebaut hat. Lance passt hier mit seiner Athletik einfach sehr gut rein.

Dennoch war den Niners offenbar schon früh bewusst, dass Lance vermutlich nicht vom Start weg bereit sei für die NFL. Dementsprechend unternahmen sie auch keine Anstrengungen, Veteran-QB Jimmy Garoppolo weg zu traden. Vielmehr hielten sie an ihm fest und Shanahan machte recht früh deutlich, dass jener sein Starter sei.

Die Patriots wiederum gingen in die andere Richtung und setzten zunächst alles daran, die Qualität ihrer Offense grundlegend zu verbessern mit einer Einkaufstour, die ihresgleichen suchte. Sie bestellten das Feld so gut es eben ging, unabhängig davon, wer letztlich under Center stehen würde. Das Personal war grundsätzlich darauf ausgelegt, dem Quarterback das Leben leichter zu machen. Das hätte damit auch Cam Newton sein können, der vor dem Draft um ein weiteres Jahr in Foxboro verlängert hatte.

Letztlich fiel ihnen mit Jones ein QB in den Schoß, von dem sie überzeugt waren, dass er diese Offense auf gutem Niveau ausführen könne. Wäre das nicht der Fall gewesen, dann wäre New England womöglich auch mit Überzeugung mit Newton in die vergangene Saison gegangen. Er wäre wohl nur Plan B gewesen, aber immerhin gab es einen übergeordneten Plan.

Bears: Kein Plan für Justin Fields

Als dann klar wurde, dass Jones schon bereit war, wurde mit Newton ein mögliches Störfeuer entfernt. Unschön? Ja. Doch so knallhart ist das Business NFL. Für Erfahrung im QB Room sorgte derweil Backup Brian Hoyer, der eine Art weiterer QB Coach für Jones war und immer noch ist.

Auch hier gibt es Negativbeispiele wie eben die Bears im Vorjahr. Sie tradeten sogar hoch für Fields, was löblich war, schließlich brauchten sie dringend einen neuen Franchise-QB nach den jüngsten Fehlgriffen.

Jedoch machten die Bears eben auch deutlich, dass es nicht damit getan ist, den neuen QB zu holen. Schon für Mitch Trubisky hatten sie hoch getradet. Das Ergebnis war überschaubar. Nun sollte es Fields richten, doch fehlte eben jegliche Idee, wie man Fields mit seinem ihm eigenen Skillset gewinnbringend einbauen könnte. Wäre Fields etwa in San Francisco gelandet, hätte Shanahan sicherlich mehr aus ihm herausgeholt als Nagy in Chicago.

Dass aber auch für Andy Dalton keine grundlegend schlüssige Offense auf dem Feld stand, deutet hier auf ein tiefer liegendes Problem hin. Doch speziell mit Blick auf den Rookie-QB sollte eine Franchise einfach besser situiert sein.

Wer einen neuen QB holt, mit dem Anspruch, dass dieser der Franchise-QB der nächsten Dekade sein soll, muss einfach klar sein, wie genau man sein Potenzial maximieren kann - am besten eben schon innerhalb der ersten vier bis fünf Jahre, da er danach zwangsläufig richtig teuer wird. Ist das nicht gegeben, stehen die Chancen schlecht, dass dieser QB die gewünschte Entwicklung nehmen wird.

Geduld bewahren, wo es angebracht ist

Die Green Bay Packers mögen mit ihren jüngsten Drafts nicht immer offensichtlich gute Entscheidungen getroffen - und bei ihrem Franchise-QB für Frustration gesorgt - haben. Doch was die Packers schon seit vielen Jahren richtig machen, ist, für starke QB Rooms zu sorgen.

Die generelle Erkenntnis: Solange der Franchise-QB da ist, ist man konkurrenzfähig, doch wenn er mal ausfällt, muss angemessener Ersatz vorhanden sein. Zudem sollte man einigermaßen für die Zukunft gerüstet sein. Die Packers spielen hier also schon länger das "Long Game". Das taten sie schon in den finalen Jahren von Brett Favre, als sie 2005 Aaron Rodgers zogen, obwohl da noch nicht absehbar war, wie lange der legendäre Favre noch spielen würde.

Die Packers bewiesen schon damals Geduld, als sie bis Position 24 warteten und ihnen Rodgers in den Schoß fiel. Er war damals als Top-Pick gehandelt worden, doch die 49ers zogen Alex Smith. Die Packers, die Rodgers hoch einschätzten, konnten dann ihr Glück nicht fassen und ergriffen die Gelegenheit beim Schopf.

Und dann hatten sie kein Problem damit, Rodgers erstmal drei Jahre auf der Bank zu parken, ehe er schließlich übernahm. Was danach passierte, war und ist eine beeindruckende Karriere mit nun vier MVP-Titeln und einem Super-Bowl-Ring für Rodgers. Es liegt auf der Hand, hier zu erkennen, dass der Plan mit Jordan Love ganz ähnlich war, auch wenn der Pick im Endeffekt nicht funktioniert hat.

Angehende Top-Quarterbacks müssen nicht zwingend sofort starten

Und Rodgers ist kein Einzelfall, wenn es darum geht, einen QB zu draften und ihn nicht sofort starten zu lassen. Einige der besten Quarterbacks der letzten Jahre und Jahrzehnte waren nicht sofort Starter. Mahomes saß etwa ein Jahr hinter Smith, ehe er übernahm in Kansas City. Drew Brees saß in seiner ersten Saison in San Diego hinter Doug Flutie auf der Bank. Und selbst Tom Brady, der damals sogar nur die Nummer 3 oder 4 war, wartete hinter Drew Bledsoe mehr als ein Jahr auf seine Chance.

Es ist also keine Schande, nicht direkt der Auserwählte zu sein. Es kann sich lohnen, einen QB erstmal die Bank reiten und das Clipboard halten zu lassen, um den ganzen NFL-Zirkus zunächst aus sicherem Abstand auf sich wirken zu lassen.

Das knüpft dann aber auch wieder an die ersten beiden Punkte an - diese Teams hatten bereits ein gutes Gerüst parat und einen langfristigen Plan. Zudem bewiesen sie Geduld mit ihren jungen QBs. Die Entwicklung des Quarterbacks abseits des Platzes ist dabei mindestens so wichtig wie das Gerüst, welches diese Teams meist bereitstellen.

Dass auch Quarterbacks, die von Beginn an starten, Erfolg haben können, ist auch klar. Man denke an Joe Burrow, der ohne seine Knieverletzung vermutlich schon als Rookie eine noch bessere Rolle gespielt hätte und eben in Jahr 2 direkt den Super Bowl erreichte. Mac Jones führte sein Team direkt in die Playoffs. Aber bei Lawrence und Wilson darf eben schon bezweifelt werden, ob diese wirklich so früh ins kalte Wasser hätten geworfen werden müssen.

Sie starteten letztlich aber vor allem deshalb, weil es eben keine brauchbaren Alternativen beziehungsweise Platzhalter gab. Auch hier stellt sich die Frage, wo der übergreifende Plan war.

Nichts ist wichtiger als ein Franchise-Quarterback

Abschließend sollte eines klar sein: Wer keinen Franchise-Quarterback hat, sollte alles daran setzen, einen solchen zu bekommen. Und wenn das über den Draft passiert, muss man eben die Chance ergreifen, wenn sie sich ergibt. Und es kann sich lohnen, mit einem starken Gerüst auch teuer hoch zu traden und das entsprechende Kapital aufzubringen.

So haben es die Niners mit ihrem Trade im Vorjahr gemacht. So machten es ein paar Jahre zuvor die Chiefs mit ihrem damaligen Trade für den Pick, der Mahomes wurde. Oder die Texans mit dem Pick für Deshaun Watson. Oder die Bills mit Josh Allen. Die Liste hier ist lang.

Sollte ein Team in diesem Jahr also der Überzeugung sein, dass einer der vorhandenen Quarterbacks die langfristige Lösung sein könnte, dann sollte es nicht zögern, diesen QB auch im Draft zu bekommen - auf welchem Wege auch immer. Und wenn man mit dieser Einschätzung daneben liegen sollte, dann gilt es, im kommenden Jahr einen weiteren Anlauf zu starten.

Die Cardinals zogen Kyler Murray damals nur ein Jahr, nachdem sie zuvor schon mit einem Erstrundenpick sogar via Uptrade Josh Rosen geholt hatten. Rosen brachte trotz einer desolaten Rookie-Saison noch einen Zweitrunden-Pick der Dolphins ein.

Die QB-Klasse von 2022 mag nicht das beste Beispiel für diesen Ansatz sein. Und doch gibt es keine andere Position, auf der man derart kompromisslos agieren sollte, wie beim Quarterback.