John Elway ist der größte Quarterback in der Geschichte der Denver Broncos. Heutzutage ist er einer der Topfunktionäre des Teams. Sein Weg nach Colorado war jedoch steinig und erfuhr kuriose Wendungen sowie eine beinahe Abkehr vom Football.
Spricht man über die Geschichte der Denver Broncos in der NFL, muss man unweigerlich auch immer über einen Mann im Besonderen reden: John Elway.
Der heutige President of Football Operations hatte bei nahezu allen großen Erfolgen dieser Franchise seine Finger im Spiel. Denver stand bis heute achtmal im Super Bowl und Elway war an sieben dieser Trips beteiligt - fünfmal als Spieler, zweimal als General Manager.
Er war es auch, der als GM Quarterback-Legende Peyton Manning nach Colorado holte. Und in seinem ersten Draft als GM war Teamlegende Von Miller sein erster Pick. Elway mag gerade beim Draften von Quarterbacks so seine Probleme gehabt haben, doch letztlich stellte er nach seiner erfolgreichen Spielerkarriere (MVP, zweimal Super-Bowl-Champion) auch noch einen weiteren Champion aufs Feld (Super Bowl 50).
Dass dieses Synonym für Broncos-Football aber überhaupt in Denver gelandet ist, war Anfang der 80er Jahre keineswegs eine klare Sache. Es erforderte vielmehr einige Wirrungen, Intrigen und glückliche Umstände. Ein Rückblick.
Wir schreiben das Jahr 1983, die NFL kam gerade aus einem langen, kräftezehrenden Spielerstreik, die Beliebtheit der Liga war im Keller und zu allem Überfluss profitierte davon die junge Konkurrenzliga USFL, die sogar so weit ging, streikende NFL-Stars abzuwerben und die damalige Marktlücke auszunutzen.
gettyJohn Elway: Top-Prospect im Draft 1983
Die NFL brauchte also dringend positive Schlagzeilen und einen Schub. Sie brauchte neue prägende Gesichter in einer Zeit, in der der Sport insgesamt ziemlich am Boden lag. Der beste Weg dahin war für viele ganz offensichtlich der Draft, zumal sich ein paar hochtalentierte Quarterbacks anschickten, die Liga im Sturm zu erobern.
Und auch wenn damals der Wert eines Quarterbacks noch nicht astronomisch höher war als jede andere Position, wie das heutzutage der Fall ist, waren sich im Vorfeld der Talenteauswahl seinerzeit alle einig, dass Stanfords Star-QB John Elway sicherlich der Topspieler im Draft sein würde.
Ultimativ lag das aber auch daran, dass der andere hochgeschätzte College-Quarterback der Ära, ein gewisser Dan Marino aus Pittsburgh, nach seiner grandiosen Saison 1981 in seinem letzten College-Jahr 1982 ein schlechteres Jahr hatte, wie er selbst in der ESPN-Doku "Elway to Marino" zugab. Zudem rankten sich Gerüchte um Drogen-Probleme Marinos, die dieser abstritt und die bis heute unbegründet sind. Die damaligen NFL-Funktionäre überzeugten schließlich aber auch die zahlreichen negativen Drogentests, die sich Marino auf dem College freiwillig unterzogen hatte, nicht.
Entsprechend fiel Marino am Draft-Tag bis auf Platz 27 - zu den Miami Dolphins.
John Elway: Das Problem der Baltimore Colts
Und auch wenn dieser tiefe Fall im Vorfeld des Drafts nicht offensichtlich erschien, war doch klar, dass Elway nach einer überragenden Saison die klare Nummer eins war.
Das Problem: Den ersten Pick im Draft hatten die Baltimore Colts unter dem kontroversen Besitzer Bob Irsay, dem Vater vom heutigen Colts-Besitzer Jim Irsay. Und dieser galt als sprunghaft und Gerüchte rankten sich, er würde das Team gerne umziehen. Zudem feuerte er kurz vor dem Draft seinen General Manager und beförderte den bisherigen Assistant-GM Ernie Accorsi mit den Worten: "Du bist jetzt der GM!" Zu allem Überfluss hieß der damalige Coach Frank Kush, der als Drill Sergeant galt, ein äußerst strenger Trainer, der keinen Spaß duldete.
Kurzum: Elway und sein Vater Jack, der lange Jahre College-Head-Coach war und Anfang der 90er zwei Jahre die Frankfurt Galaxy in der World League of American Football (Vorgänger der NFL Europe) trainierte, machten schon früh klar, dass John nicht unter Kush - und Irsay - spielen wollte.
Nun ist ein Draft bekanntlich kein Wunschkonzert - man spielt für das Team, das einen zieht. Das war auch damals schon so. Doch 21 Jahre vor Eli Manning, der - auch mit Hilfe seines Vaters Archie - als Top-Pick erfolgreich einen Trade von den Chargers zu den Giants erzwang, war auch Elway früh bereit, das System infrage zu stellen.
gettyJohn Elway: Präferenz Westküste
Elway wurde damals vom Agenten Marvin Demoff, der kurioserweise auch Marino vertrat und dessen Tagebuch die Grundlage für die ESPN-Doku bildete, vertreten. Demoff nahm sich dem Problem schon früh an und erstellte einen Plan, die Colts von Elway im Draft abzuhalten.
Hinter den Kulissen wurde schon Monate vor dem Draft mit den Colts verhandelt und klar kommuniziert, dass Elway auf keinen Fall für sie spielen würde. Und basierend darauf, wen man fragt, soll es auch eine Einigung diesbezüglich gegeben haben.
Accorsi bestreitet dies zwar, doch gab er zu, dass es den Plan gab, den ersten Pick im Draft zu traden. Für einen heftigen Preis, versteht sich: Drei Erstrundenpicks, darunter zwei im Draft 1983 und einer 1984 sowie zwei Zweitrundenpicks. Für die Öffentlichkeit wurde derweil die Erklärung konstruiert, dass Elway, der im Bundesstaat Washington geboren und aufgewachsen war, an der Westküste spielen wollte. Es sollte zur Gesichtswahrung der Colts dienen.
Elway hatte zudem noch ein weiteres veritables Druckmittel parat, für den Fall, dass die Verhandlungen schwierig werden würden. Die New York Yankees hatten ihn im Baseball-Draft 1981 gezogen, obwohl der damalige Teameigner George Steinbrenner genau wusste, dass Elway Football bevorzugen würde. Und in dem einen Sommer, in dem Elway in den Minor Leagues während der College-Football-Pause mitwirkte, zeigte er direkt sein großartiges Talent und unterstrich, dass dies durchaus eine Karriere für ihn sein könnte.
Das nahm zwar keiner in der NFL allzu ernst, doch die Tage zum Draft 1983 wurden weniger und ein Deal kam nicht zustande. Accorsi kam in Verhandlungen nicht schnell genug voran, sodass Irsay eines Tages das GM-Büro übernahm und selbst die Verhandlungen führte. Accorsi soll gesagt haben: "Er ist außer Kontrolle, er ist unmöglich."
Elway baute dann noch ein wenig mehr Druck auf, indem er kurz vor dem Draft im Yankee Stadium aufkreuzte und sich dort als zukünftiger Right Fielder des Teams durch die heiligen Hallen führen ließ. Die Message war klar: "Ich muss nicht unbedingt Football spielen."
Ein Team, das besonders nah an einen Trade herankam, waren kurz vorm Draft schließlich die New England Patriots, die unter anderem den späteren Hall-of-Fame-Guard John Hannah für den ersten Pick geboten hatten. Und Kush wäre dafür gewesen, woraufhin Accorsi nach eigenen Angaben erklärte: "Wenn du diesen Trade machst - und das Recht dazu hast du -, dann gibt es zwei Pressekonferenzen. Eine, in der du den Trade verkündest. Und eine, in der ich meinen Rücktritt erkläre, denn ich will kein Teil davon sein."
John Elway: Draftpick ohne Zeit zu verlieren
Das hatte Wirkung, der Trade kam nicht zustande. Überhaupt kam kein Trade zustande, sodass Accorsi, für den Elway "das beste Prospect, das ich jemals gesehen habe" war, zum Trotz Sekunden nach der Eröffnung des Drafts bereits seinen Pick einreichte. Commissioner Pete Rozelle verkündete schließlich John Elway von Stanford.
Was folgte, war ein "am Boden zerstörter" Elway, wie Demoff in seinem Tagebuch notierte. Auf einer Pressekonferenz kurz darauf wurde der QB nach einem Telefonat mit Kush dann deutlich: "Ich will kein Arsch sein, aber wir haben seit gut drei Monaten darüber gesprochen, dass ich nicht für Baltimore spielen will. Also habt Ihr aktuell gar nichts. Und dann habe ich aufgelegt."
Was folgte, waren abstruse Entwicklungen. Die Broncos zogen Guard Chris Hinton mit dem vierten Pick im Wissen, dass Kush ihn mochte - für den Fall der Fälle.
Die Colts versuchten derweil, einen Deal mit den 49ers einzufädeln, der Joe Montana im Tausch für Elway nach Baltimore gebracht hätte. Doch Head Coach Bill Walsh "könnte Montana niemals traden". Die San Diego Chargers, die an Position fünf an der Reihe waren, hielten sogar drei Erstrundenpicks im Draft, boten aber ausgerechnet den fünften Pick nicht für Elway. Später kam raus, dass sie Elway ohnehin nur als Druckmittel für ihren Franchise-QB Dan Fouts benutzt hatten. Jener unterschrieb kurz darauf einen neuen langfristigen Vertrag und ein Deal mit Baltimore war schnell wieder vom Tisch.
NFL Draft 1983: Quarterbacks in Runde 1
Draft-Posiiton | Spieler | College | Team |
1. | John Elway | Stanford | Baltimore Colts |
6. | Todd Blackledge | Penn State | Kansas City Chiefs |
14. | Jim Kelly | Miami/FL | Buffalo Bills |
15. | Tony Eason | Illinois | New England Patriots |
24. | Ken O'Brien | California-Davis | New York Jets |
27. | Dan Marino | Pittsburgh | Miami Dolphins |
John Elway: Baseball statt Football!
Demoff wurde es dann zu bunt und er erklärte gegenüber der Presse, dass Elway Baseball spielen werde. Elway wurde daraufhin gefragt, wie das mit seinem Wunsch, an der Westküste spielen zu wollen, in Einklang zu bringen war: "Sie spielen ja im Sommer."
Eine weitere heiße Spur für einen Trade am Draft Day führte schließlich nach Oakland, wo Al Davis gerade die Liga verklagt hatte, um sein Team umziehen zu dürfen. Er wollte Elway, hatte aber keinen Top-6-Pick, der für Accorsi ein Muss war. Irgendwie fädelte der Raiders-Eigner dann einen Trade mit den Bears für Pick Nummer sechs ein, doch dieses Geschäft löste sich plötzlich auf Nachfrage aus dem League Office in New York in Luft auf - bis heute ist nicht ganz klar, was da passierte. Demoff jedenfalls gab dem Commissioner die Schuld ...
Und so ging die erste Runde zu Ende und kein Trade war zustande gekommen. Elway war Baseballspieler der Yankees.
Wie kam Elway dann also doch noch zu den Broncos? Rund eine Woche nach dem Draft trafen sich Irsay und Edgar Kaiser, der damalige Besitzer der Broncos, in Las Vegas und handelten den Trade direkt aus. Die Broncos bekamen Elway, die Colts Backup-Quarterback Mark Herrmann, Guard Chris Hinton und einen Erstrundenpick im Draft 1984. Um den Deal perfekt zu machen, stieg Elway schließlich in San Francisco in einen Privatjet nach Seattle, um Kaiser von dort abzuholen und dann ging es Richtung Denver. Noch im Flieger unterschrieb Elway die Einwilligung zum Trade - ohne einen Vertrag konnte er nicht getradet werden. Accorsi wiederum trat nach dieser Farce als Colts-GM zurück.
gettyJohn Elway: Legende der Denver Broncos
Der Rest ist Geschichte: Irsay zog die Colts nur eineinhalb Jahre später entgegen seiner öffentlichen Bekundungen im Streit mit der Stadt in einer Nacht- und Nebelaktion aus Baltimore nach Indianapolis um und erlebte keinen Erfolg mehr mit dem Team. Accorsi heuerte bei den Browns an und wurde später langjähriger GM der Giants bis 2006, ehe er dort im Ring of Honor landete.
Und Elway? Nun, der wurde zum größten Quarterback in der Geschichte der Denver Broncos und krönte seine lange Karriere mit zwei Super-Bowl-Triumphen zum Abschluss in den Spielzeiten 1997 und 1998.