Verletzungen sind immer bitter, niemand will Verletzungen sehen - und jeder weiß, dass sie irgendwann kommen werden, bei jedem Team.
Aus einer übergreifenden Perspektive stechen dabei Quarterbacks immer besonders heraus, weil deren Ausfälle am gravierendsten sind. Manchmal kann so ein Playoff-Kandidat die Füße unter dem Boden weggezogen bekommen, manchmal wird die Saison eines echten Titelanwärters dadurch torpediert. Und dann gibt es einen Ausfall wie den von Trey Lance, dessen Knöchelverletzung gegen die Seahawks schwerwiegend aussah.
Head Coach Kyle Shanahan hat bereits bestätigt, dass Lance sich den Knöchel gebrochen hat, operiert werden muss und den Rest der Saison verpassen wird. Das beraubt ihn wertvoller Entwicklungszeit, es kostet San Francisco eine Saison in der perspektivischen Weiterentwicklung als Franchise, die bereit war, den Staffelstab an Lance zu übergeben. Und es öffnet die Tür für noch eine erfolgreiche Saison mit Garoppolo, dessen Verbleib jetzt ein echter Glücksfall ist, ehe Lance dann erneut übernimmt. In seiner dann dritten NFL-Saison.
Wer weiß, ob in Denver schon drastische Entscheidungen getroffen wurden, wenn in San Francisco die Planungen für 2023 laufen. Ohne an dieser Stelle zu sehr ins Detail zu gehen, muss man festhalten: Die Offense wirkt noch ziemlich inkonstant und das In-Game-Management von Nathaniel Hackett schreit nach kompletter Überforderung aufseiten des Rookie-Head-Coachs. Bis zu dem Punkt, dass die Fans in der Schlussphase regelmäßig die Play-Clock lautstark mit runter zählten, damit die Offense die Uhr nicht wieder vermasselt.
Es war einer dieser Spieltage, an dem sich so viele Storylines präsentierten, dass die Auswahl wirklich schwer fiel.
1. Bengals: Die Offense ist zum Problem geworden
Es hätte ein nettes Bounceback-Spiel werden sollen. Die Cowboys, ohne Dak Prescott, nachdem die Bengals in Week 1 ein von Turnovern geprägtes Spiel gegen Pittsburgh verloren hatten - sicher, Dallas hat nach wie vor eine gute Defense, aber hier sollte Cincinnati der Liga klarmachen, dass mit den Bengals erneut zu rechnen ist.
Stattdessen wiederholten sich viele der Probleme aus der Vorwoche. Die Probleme in der Offensive Line, die Sacks, die Burrow selbstverschuldet nimmt, die Probleme, offensiv auf andere Art und Weise zu gewinnen. Eine Offense, in der Plays scheinbar isoliert voneinander stattfinden, Burrow undiszipliniert in der Pocket ist oder seinen Reads nicht vertraut und die Line zwar verbessert, aber keine Unit ist, die plötzlich die Offense trägt. All das sind Punkte, die dazu führen, dass Cincinnati nicht ansatzweise seine individuellen PS auf die Straße bekommt.
Dass gegen Dallas die eigene Defense von Cooper Rush und Co. überrumpelt wurde, ist für sich betrachtet ein Problem. Dass man dieses Spiel nie an sich reißen konnte, ein alarmierendes Zeichen. Es ist vor allem die hochgelobte und hochkarätig besetzte Offense, die Bengals-Fans zunehmend Sorgen machen sollte. Eine Offense, die aktuell fehlerbehaftet, unkreativ und ohne die Big-Play-Explosivität der Vorsaison auftritt.
Bengals: Ernsthafte Fragezeichen beim Trainerstab
Wir sehen das regelmäßig: eine neue Offense oder eine neue offensive Herausforderung kommt auf die Bühne, und so stürmisch die ersten Erfolge sein können: fast wichtiger für die Offense ist, wie ihre Anpassungen aussehen. Denn Defenses werden Antworten finden, früher oder später.
Das extreme Beispiel dafür in der jüngeren Vergangenheit waren die Rams unter Sean McVay. Deren - und das ist sehr vereinfacht formuliert - vertikale 11-Personnel-Variante der Shanahan-Offense eroberte die Liga 2018 wie im Sturm; doch der Zauber hielt nichtmal ein Jahr, ehe erste Defenses sehr eindrucksvoll zeigten, wie man dieser Offense den Zahn ziehen kann.
Was folgte waren versuchte Anpassungen, bevor McVay es schließlich aufgab, rund um die Limitierungen von Jared Goff nochmals den goldenen Schlüssel zu finden und stattdessen in Person von Matt Stafford ein Quarterback-Upgrade holte. Das öffnete Teile des vertikalen Dropback Passing Games sowie Play Designs aus Empty, die mit Goff schlicht nicht zugänglich waren.
Ein Quarterback-Upgrade brauchen die Bengals nicht, auch wenn Burrow bisher keine gute Saison spielt. Hier steht für mich das große Fragezeichen auf der Seite des Trainerstabs.
Als ich die Bengals-Offense vor dem vergangenen Super Bowl analysierte, kam ich immer wieder auf ein übergreifendes Thema zurück: Cincinnatis Offense war eine Playmaker-Offense. Ja, Zac Taylor ist geprägt in der Shanahan-/Kubiak-Offense, doch im Laufe der Saison bemerkten die Bengals, dass sie mit dieser Line keine Offense basierend auf dem Run Game aufziehen können - und dass sie Teams mit Ja'Marr Chase überraschen können.
Joe Burrow war absurd effizient bei Go-Balls, und Chase war ein Monster Downfield, also erinnerte die Bengals-Offense zunehmend an jene historische 2019er LSU-Offense, welche Burrow und Chase angeführt hatten. Viel Empty Spread, viel Fokus darauf, dass die eigenen Receiver besser sind als die gegnerischen Cornerbacks und der Quarterback den Ball zu ihnen bringt.
Hat Cincinnati einen offensiven Plan B?
Doch obwohl Cincinnati erst im Laufe der Saison sich mehr auf diese Playmaker-Offense verlagerte, sah man auch hier schon im Laufe der Playoffs, dass Defenses nach und nach diese Offense anders spielen werden: mehr 2-Deep-Coverages, mehr Fokus darauf, die Big Plays zu unterbinden und Cincinnati zu einem Plan B zu zwingen.
Das hat sich auf die Frühphase dieser Saison übertragen, Cincinnati hatte gegen Dallas kaum Möglichkeiten, vertikal zu gehen. Meine große Frage rund um die Bengals-Offense in der Offseason war: wie würde dieser Plan B aussehen? Und hat Zac Taylor genügend Ideen in der Hinterhand?
Wer die Investitionen in die Offensive Line so interpretierte, dass Cincinnati jetzt seine Offense erweitert, sieht sich bisher getäuscht. Es ist immer noch eine Offense, die statisch ist, die nahezu nur Under Center geht, um den Ball zu laufen - hier wird dann das Outside Zone Run Game als eine Wurzel sichtbar -, und die sich darauf verlässt, dass Chase und Burrow Plays machen. Es ist eine Offense, deren Route-Designs für Defenses so gut lesbar sind, dass Coverage-Sacks ein echtes Problem sind, trotz der individuellen Qualität der Receiver. All das ist alarmierend, auch weil sich bei Burrow so schlechte Gewohnheiten festsetzen können. Die Cowboys sahen mehrfach Screens oder Play-Action-Pässe frühzeitig kommen.
Das Run Game wirkt strukturell noch immer wie ein Fremdkörper, auch weil im Passspiel nichts darauf aufbaut. First-Down-Runs als Selbstzweck, ohne übergreifende Struktur. Vielleicht liegt es daran, dass Burrow ungern mit dem Rücken zur Defense spielt? Vielleicht liegt es daran, dass Burrow sich generell in den LSU-Playbook-ähnlichen Konzepten wohler fühlt?
Bengals: So wird es schwer, ganz oben mitzuspielen
Grundsätzlich spricht nichts dagegen, die Vorlieben des eigenen Quarterbacks im Playbook zu berücksichtigen, ganz im Gegenteil. Gefährlich wird es aber dann, wenn diese Vorlieben die Offense eindimensional machen. Und den Eindruck habe ich zunehmend bei der Bengals-Offense, die statisch wirkt, die strukturell sehr simpel wirkt und in der das Scheme zu wenig der Gesamt-Production trägt.
Dass sich erfolgreiche College-Offenses nicht einfach auf die NFL übertragen lassen - zumindest nicht in der mittel- und langfristigen Perspektive -, das haben wir immer wieder gesehen. Genauso haben wir immer wieder gesehen, dass kurze Stichflammen des Erfolges auf diesem Wege möglich sind; aber dass es dann eine Version 2.0 braucht. Und eine Version 3.0. Und irgendwann vielleicht ganz neue Ideen, sodass der einstige Kern der Offense womöglich irgendwann nur noch ein paar Play-Designs in einem neuen, übergreifenden Konzept ausmacht.
Ich denke nicht, dass die Bengals eine 180-Grad-Drehung brauchen, und ich verstehe jeden Bengals-Fan, der auf all das hier reagiert mit: "Ich setze gerne auf Burrow, Chase, Higgins, Boyd und Mixon", und in einzelnen Matchups wird das auch reichen.
Wenn wir aber über ein Team sprechen, das einen fantastischen jungen Kern an Spielern hat, und jetzt den Schritt zum jährlichen Titelanwärter machen will, dann wird das nicht reichen. Und das nicht nur, weil man an irgendeinem Punkt nicht alle diese Spieler bezahlen kann, sondern auch ganz konkret mit Blick auf diese Saison.
Wenn die Bengals um einen Titel spielen wollen, dann müssen sie - neben starken Teams wie den Chargers oder Ravens - nicht zuletzt mit den Chiefs und den Bills mithalten können; zwei Teams, die noch gefährlicher, noch vielseitiger wirken als im Vorjahr und die das Musterbeispiel sein sollten: Offenses, die einstmals noch viel stärker eine sehr spezifische Handschrift fokussiert auf ihren jeweiligen Quarterback hatten. Und die sich über die letzten Jahre permanent weiterentwickelt haben.
Ich habe nur Zweifel daran, dass Zac Taylor dazu in der Lage ist.