Die Philadelphia Eagles spielen sich weiter in den Vordergrund, während die Chargers eher negativ auffallen. Außerdem: Der Rebuild in Detroit nähert sich der spannendsten Phase, die Raiders stehen bereits vor einem Scherbenhaufen - und was ist eigentlich los mit den Jacksonville Jaguars? SPOX-Redakteur Adrian Franke fasst den Sonntag für euch zusammen.
Mit Woche 3 beginnt für mich in aller Regel die Zeit der ersten Zwischenfazits. Mein erstes Power Ranking kommt zwar immer erst nach Woche 4, aber auch nach den ersten drei Spielen bekommt man ein zunehmend besseres Gefühl für die 32 Teams.
Nach den Overreactions nach Woche 1 und den Relativierungen nach Woche 2 ist die Sample Size nach dem dritten Spiel groß genug, um mit etwas mehr Sicherheit sagen zu können, welches Team in dieser Saison eher weiter oben und welches eher weiter unten einzusortieren ist.
Und natürlich werden Überraschungen noch kommen, genau wie - leider - Verletzungen. Manche Teams werden noch zuverlässiger ihren Rhythmus finden, andere werden nach einem frühen Hoch einbrechen; doch selbst einige Kandidaten, die dafür jeweils in Frage kommen, lassen sich zunehmend benennen.
Wie etwa die Green Bay Packers, deren Defense einige unschöne Momente in Woche 1 hatte, die aber zunehmend besser spielt, während die Line gesünder wird. Mit einer gut designten Offense und einem Elite-Quarterback ist die Vision relativ klar, und sofern die jungen Receiver sich weiter entwickeln, muss man sich hier wenige Sorgen machen.
Doch es gibt auch Teams, bei denen man nach drei Spielen ein ganz anderes Bild zeichnen muss. Das Bild einer Franchise, die einige Dinge hinterfragen muss. Und nach der Pleite im Krisengipfel in Tennessee sind die Las Vegas Raiders das diesjährige Paradebeispiel dafür.
1. Die Raiders stehen bereits vor einem Scherbenhaufen
Es war eine unbestreitbar ambitionierte Offseason in Las Vegas, aus zweierlei Perspektive: Die Raiders ließen sich von den All-In-Moves der Chargers und Broncos in der eigenen Division - sowie mit den Chiefs, die das beste QB-Head-Coach-Duo in der AFC West haben und als amtierender Champion erst einmal entthront werden müssen - nicht einschüchtern und gingen selbst in die Offensive.
Davante Adams, Chandler Jones, das sind Moves, die man macht, wenn man jetzt gewinnen will. Jones ist 32 Jahre alt und schon gegen Ende seiner Cardinals-Zeit konnte man sehen, dass er nachlässt. Adams ist nach wie vor ein Top-3-Receiver in der NFL, aber auch er wird dieses Jahr 30 und sein Fenster auf diesem Level ist dementsprechend limitiert.
Die andere Perspektive neben der Konkurrenz in der eigenen Division ist die der eigenen Schwachstellen.
All-In zu gehen, während die Offensive Line derart viele Fragezeichen mitbringt, während ein neuer Head Coach ein neues offensives System mitbringt, während eine neue Defense installiert wird und die Defense insbesondere auf dem zweiten und dritten Level noch Nachholbedarf hat. Und diese Problemzonen waren bereits deutlich in den ersten Wochen der Saison und sie werden die Raiders noch weitere Spiele kosten.
Raiders: Inwieweit wächst der Druck auf McDaniels?
Insbesondere dieser zweite Part macht die Strategie der Raiders so überraschend. Dass Las Vegas in den aufgeführten Bereichen Probleme bekommen würde, war absehbar - war es also ratsam, so viele Ressourcen ins Hier und Jetzt zu investieren? Inwieweit wächst der Druck auf Josh McDaniels, wenn trotz der Investitionen am Ende der vierte Platz in der Division steht? Und wie würde sich das dann auf die kommende Offseason auswirken?
Was die Raiders sich zusammengebaut haben, ist ein Team, das auf den ersten Blick gefällt, weil es die glänzenden Stars in manchen Schlüsselpositionen hat. Es ist aber auch ein Team, das in den Details aber zu viele potenzielle Brandherde aufweist. Diese Art Team hat häufig eine große Varianz - wenn die Playmaker, die Superstars, dominieren, kann man jedem Gegner gefährlich werden. Bleibt das aber aus, kann man in einzelnen Spielen auch nach unten sehr tief fallen.
Und in diese Kategorie gehören die Raiders für mich in diesem Jahr ganz klar. Das kann sich sicher noch stabilisieren im Laufe der Saison, einfach wenn offensive und defensive Abläufe besser sitzen. Aber, so realistisch muss man selbst in dem Fall sein: Es ist gut möglich, dass das Playoff-Fenster in der starken AFC bis dahin zu ist.
Hätten die Titans dieses Spiel verloren, hätte ich Tennessee mit Blick auf die Playoffs noch nicht komplett abgeschrieben, allein aufgrund der Division. Diesen Bonus haben die Raiders nicht, das ist irgendwo Pech, aber auch keine überraschende Neuigkeit.
Drohen den Raiders unruhige Monate?
Alles deutet darauf hin, dass die Raiders die Playoffs verpassen werden. 98 Teams haben seit 2002 eine Saison mit drei Niederlagen eröffnet - nur ein einziges hat anschließend noch den Turnaround hingelegt und es in die Playoffs geschafft: Die 2018er Houston Texans.
Ein wenig muss man diese Statistik relativieren, mit dem zusätzlichen Saisonspiel und dem zusätzlichen Wildcard-Ticket bieten sich einige zusätzliche Möglichkeiten - aber rosig sind die Aussichten für 0-3-Teams nicht, so viel steht fest, und mit Blick auf die spezifische Raiders-Situation sind deren Chancen umso geringer.
Verpassen die Raiders die Playoffs, würden wir, nach dieser Offseason, ohne Frage von einer enttäuschenden Saison in Las Vegas sprechen. Wird es im weiteren Saisonverlauf richtig hässlich, werden vielleicht ganz andere Fragen gestellt.
2. Die Eagles sind ein ernsthafter Titelkandidat
Wir müssen über die Philadelphia Eagles als ernsthaften Titelanwärter sprechen! Das war ein dominantes Spiel in Washington, von einem Team, das nach drei Spielen die drei eindrucksvollsten Auftritte vorzuweisen hat!
Es gibt in meinen Augen kein Team, das das Thema Roster Building über die letzten Jahre besser angegangen ist als die Philadelphia Eagles.
Hier gibt es sehr viele Details, die zu beleuchten für sich mal einen eigenen Artikel rechtfertigen würden - aber die Basics:
- Jalen Hurts zu draften, obwohl man Carson Wenz hatte, mit der Idee, dass Hurts entweder ein günstiger High-Level-Backup wird - oder mehr, weil man nie weiß, was passiert.
- Wentz dann später aufzugeben, obwohl man ihm den teuren Vertrag gegeben und ihn zum Gesicht der Franchise gemacht hatte.
- Picks zu sammeln, nicht zuletzt mit dem zusätzlichen Trade mit den Saints - welcher, sollte Hurts enttäuschen, dabei helfen kann, erneut auf Quarterback-Jagd zu gehen.
- Und gleichzeitig ein Team aufzubauen, welches Hurts perfekte Umstände bietet, mit dem Trade für A.J. Brown als (vorläufig) finalem Puzzleteil.
Nochmal, hier gibt es deutlich mehr Nuancen, aber diese Eckdaten helfen dabei, das aktuelle Bild zu zeichnen, in dem sich dieses Team aktuell befindet. Und hier greifen zwei Themen, über die ich letztes Jahr mehrfach nachdenken musste und auch darüber geschrieben habe: Die Art und Weise, wie Teams eine Baseline kreieren, und wie sie dann das Ceiling hochschrauben.
Die Baseline, da ist meine Meinung mittlerweile relativ gefestigt, findet an der Line of Scrimmage statt - und der dominante Auftritt in Washington unterstrich das eindrucksvoll. Kurz vor der Halbzeitpause hatte Commanders-Quarterback Carson Wentz zwei Completions und hatte bereits sechs Sacks eingesteckt. Und sicher, wir sprechen von einem der schlechtesten Pocket-Manager der letzten Jahre in der NFL, aber der Punkt ist: Mit einer dominanten Defensive Line kann man so vielen Offenses in der NFL gravierende Probleme bereiten, dass man allein damit Spiele gewinnen wird.
Die Offensive Line ist der andere Part der "Baseline-Rechnung", und hier ist Philadelphia im Verhältnis nochmal stärker als auf der defensiven Seite; die Eagles haben die in meinen Augen klar beste Offensive Line in der NFL aktuell. Und selbst wenn man ansonsten offensiv offene Fragen hat, so erlaubt es einem das, den Ball zu laufen und im Passspiel muss man aus Protection-Gründen nicht eindimensional werden.
Eagles-Offense: Klare Antworten statt offener Fragen
Der Punkt mit den Eagles ist, dass sie mittlerweile kaum noch offene Fragen haben. A.J. Brown gibt ihnen nicht nur den Nummer-1-Receiver, der auch jetzt schon merklich dazu beigetragen hat, die Mitte des Feldes für Jalen Hurts zu öffnen. Etwas, womit Hurts letztes Jahr in seiner ersten Saison als NFL-Starter noch Probleme hatte.
Das Spiel gegen Washington war aber auch das Paradebeispiel dafür, wie der eine Top-Receiver mal das eine Spiel dominieren kann - und dann der andere in der Woche drauf. Den Eindruck zumindest hatte man, wenn man DeVonta Smith am Sonntag sah. Es war nicht so, als wäre Smith regelmäßig offen gewesen, auch wenn Brown aufs Jahr gesehen fraglos auch Räume für seinen Nebenmann öffnen wird. Aber gegen Washington dominierte Smith einfach individuell mehrfach Gegenspieler am Catch Point.
Dass wir in den ersten drei Wochen der Saison schon gesehen haben, wie A.J. Brown Spiele an sich reißen kann und wie DeVonta Smith Spiele an sich reißen kann, ist extrem ermutigend für die Eagles, die zudem gute Sekundär-Waffen wie Dallas Goedert, einen tiefen Running-Back-Room und Speedster Quez Watkins haben.
Und eben eine dominante Line, hinter der man laufen kann, mit einem Run Game, welches durch das Quarterback-Option-Run-Game obendrauf noch eine Dimension bekommt, welche die Eagles seit etwa Mitte der vergangenen Saison deutlich konstruktiver nutzen und so weitere Mismatches kreieren.
Jalen Hurts: Eine klare Lösung - für jetzt
All das spricht dafür, dass bei den Entscheidungen im Roster-Building vieles richtig gemacht wurde. Und das ist schön und gut, doch um damit auch wirklich ganz oben angreifen zu können, braucht man den Quarterback dafür.
Wir hätten im Frühjahr auf die Eagles blicken können, mit dem Fazit, dass hier ein exzellenter Kader steht, dem nur noch der Quarterback fehlt. Und gänzlich auszuschließen ist dieses Szenario auch noch nicht, aber der Trend geht in eine ganz andere Richtung: Die Entwicklung bei Hurts als Passer ist klar positiv und darf den Eagles Hoffnung geben, dass er zumindest vorübergehend eine exzellente Lösung darstellt.
Ist Hurts ein Quarterback, dem man mal 45 Millionen Dollar pro Jahr zahlt? An dem Punkt bin ich sicher noch nicht. Aber ist er ein Quarterback, mit dem die Eagles jetzt einen Titel gewinnen können? Das denke ich zunehmend!
Der Schedule hilft hier zusätzlich. Philadelphia steht 3-0 und ich würde argumentieren, dass die schwierigsten Partien auf dem weiteren Schedule die Packers in Woche 12 und ... vielleicht die Cowboys in Woche 16 sind? Allzu viele echte Top-Gegner jedenfalls tummeln sich hier auf dem Papier nicht.
Eagles: Die Ausgangslage ist nahezu perfekt
Stand heute sehe ich nicht viele Spiele, in denen Philadelphia Außenseiter sein wird und es ist nicht auszuschließen, dass die Buchmacher die Eagles in jedem weiteren Regular-Season-Spiel für den Rest dieser Saison als Favorit einschätzen. So, wie sie aktuell spielen, fällt es ohnehin schwer, irgendwo in einem einzelnen Spiel aus neutraler Perspektive einen signifikanten Case gegen die Eagles zu entwerfen. Zumal Dallas nach der Prescott-Verletzung in der eigenen Division noch weniger wie eine Bedrohung aussieht.
Und das geht Hand in Hand mit der Qualität in der NFC insgesamt. Wo wir in der AFC die Bills haben, die Chiefs, die Chargers, vielleicht ein Team aus der AFC North, das noch heiß läuft, gibt es diese Breite in der Spitze in der NFC in diesem Jahr so nicht.
Ich denke weiterhin, dass Tampa Bay gut sein wird, wenn die Offense mal länger etwas von Verletzungen verschont bleibt. Die Packers oder Rams könnten sich in der zweiten Saisonhälfte stabilisieren, die 49ers sollten mit Garoppolo und dieser Defense wieder einen hohen Floor haben - aber aktuell sind sie ganz eindeutig nicht auf dem Level, das die Eagles haben.
Philadelphia hat eine echte Chance, in der NFC vorneweg zu marschieren und als Top-Seed in die Playoffs einzuziehen; von da aus sind es nur noch zwei Heimsiege bis zum Super Bowl.
Damit blicken wir jetzt sehr weit zurück, das ist mir durchaus bewusst. Aber wenn wir über die Teams sprechen, die sich nach drei Wochen im obersten Kreis der Titelanwärter festgespielt haben, gehören die Eagles neben den Bills und den Chiefs für mich in das oberste Top-Tier und sind in einer fantastischen Situation, um das auszusetzen.
3. Jaguars obenauf - Chargers und Chiefs zu Recht in der Kritik
Die Jacksonville Jaguars haben eine echte Chance, Playoffs zu spielen!
Zugegeben, das liegt maßgeblich auch an der eigenen Division, in der kein Team bisher wirklich überzeugt - außer eben jenen Jaguars. Doch eine reine Überreaktion angesichts eines Teams, das 2-1 steht und gerade ein Chargers-Team mit deutlichen personellen Problemen geschlagen hat, ist es aber dennoch keineswegs.
Zunächst einmal ist der Unterschied zum Vorjahr eklatant, als unter Urban Meyer überhaupt nichts funktionierte. Doug Pederson hat der Offense ein ganz anderes Grundgerüst gegeben, nachdem zuvor in der Free Agency der Geldbeutel geöffnet wurde.
Mir gefällt die Vielseitigkeit in der Offense, und wie sie trotzdem Dinge kombinieren. Play Action, Screens, Run Game, RPOs, Under Center, Shotgun, wie sie den Ball verteilen - all das darf Hoffnung für die Zukunft machen, das gewichtigste Pfund jedoch ist die Entwicklung von Trevor Lawrence. Und Lawrence war letztes Jahr nicht so schlecht, wie die Stats vermuten lassen; in dieser Saison allerdings sieht man nochmal einen merklichen Schritt.
Wie er die Offense kontrolliert, die Mischung aus seiner Mobilität und gleichzeitig der Quickness in seiner Wurfbewegung, wie viele Ausnahmeplays er mittlerweile auflegt: Lawrence und die Offense sind unter Doug Pederson schnell angekommen, und das Potenzial für Jacksonville, gerade auch im Vergleich mit Indianapolis und Tennessee, ist einfach höher, angefangen mit Lawrence. Die Jaguars haben hier eine echte Chance, das Ruder schnell herumzureißen und sich als das Team in dieser Division festzubeißen, das sich an der Pole Position festsetzt.
Ich mag außerdem defensiv diese Jaguars-Front, die wie gemacht dafür ist, mit Stunts Probleme in der Protection-Zuteilung zu forcieren. Das war gegen die Colts letzte Woche bereits sehr auffällig, und mit Blick auf die Spieler, die Jacksonville hier hat, ergibt das durchaus Sinn.
Josh Allen mit seiner Explosivität, der Ultra-Athlet Travon Walker, der vielseitige Arden Key, dazu Devin Lloyd, der vom zweiten Level aus blitzen kann - das bietet Jacksonville Möglichkeiten, und man sieht schon die Tendenz, dass die Jaguars ohne den Blitz als Defense insgesamt gefährlicher sein können.
Denn es passt auch zu einer explosiven, athletischen Secondary, die Plays machen kann, die Räume schnell schließen kann - gegen die eher langsamen Chargers-Receiver fiel das ebenfalls auf.
Jacksonville wird auch noch seine Tiefs durchlaufen, mit vielen jungen Spielern in Schlüsselpositionen lässt sich das kaum vermeiden. Aber man sieht die Entwicklung, das Potenzial ist viel greifbarer geworden. Und ganz simpel: Die Jaguars machen Spaß, was ich so über die anderen Teams in dieser Division bisher nicht sagen kann.
Chargers: Brandon Staley manövriert sich ins Abseits
Und wir müssen auch nochmals über Brandon Staley sprechen. Ich hatte den Head Coach der Chargers bereits letzte Woche kritisiert, weil er sich in meinen Augen in puncto Game Management gegen die Chiefs mehrere kritische Fehler geleistet hat - und weil er Herbert im Spiel ließ, obwohl er offensichtlich deutlich angeschlagen war.
Bis wenige Stunden vor Kickoff war selbst eineinhalb Wochen später nicht klar, ob Herbert gegen Jacksonville spielen können würde. Er spielte, wirklich gut bewegte die Offense den Ball über weite Strecken nicht - und als das Spiel mit weniger als fünf Minuten auf der Uhr und einem 28-Punkte-Rückstand eindeutig entschieden war, hielt Staley Herbert abermals im Spiel. Der dann prompt noch einen Hit Richtung Oberkörper einsteckte, inklusive sehr fadenscheiniger Erklärung von Staley im Anschluss. Herbert habe "mit seinen Mitspielern auf dem Platz stehen" wollen.
Das würde vermutlich jeder Spieler sagen, wenn man ihn einfach fragt.
Staley war letztes Jahr so etwas wie ein Medien-Darling, weil er viele gute Dinge in Interviews sagte, weil seine defensiven Ideen grundsätzlich spannend sind und an der Speerspitze defensiver Trends in der NFL aktuell stehen.
Wahr ist aber auch, dass er es letztes Jahr nicht schaffte, seine defensiven Ideen vorübergehend an das Personal anzupassen, welches er in L.A. hatte. Wahr ist auch, dass die Aussagen über Spielersicherheit aus dem Vorjahr dieses Jahr scheinbar nur bedingt Bestand haben. Und wahr ist auch, dass der von ihm zusammengestellte Trainerstab gerade offensiv ein frustrierend zähes Scheme spielen lässt.
Die Fragen werden größer, und die Kritik ebenfalls. Zu Recht.
Chiefs schenken den Sieg her
Parallel gewannen auch die Colts ihr Duell mit dem anderen AFC-West-Schwergewicht, sodass Jacksonville nicht davonzieht. Doch der Sieg der Colts über die Chiefs, so sehr man sie dafür beglückwünschen möchte, war zwar vom Ergebnis her unheimlich wichtig, die Protection bleibt aber ein Problem - und dass Kansas City dieses Spiel nicht gewann, war in erheblichem Ausmaß selbstverschuldet.
Ein Muffed Punkt führte direkt zum ersten Colts-Touchdown, Andy Reid puntete von der gegnerischen 49-Yard-Linie, die Chiefs kickten ein Field Goal von der gegnerischen 7-Yard-Line (Fourth-and-Goal), sie versuchten einen Field-Goal-Fake bei Fourth-and-11 an der gegnerischen 24-Yard-Line und sie verfehlten ein Field Goal bei Fourth-and-7 an der gegnerischen 16-Yard-Line. Außerdem ging beim ersten Touchdown der Extrapunkt daneben.
Kansas City mit Mahomes, mit einer aktuell sehr gut spielenden Defense hat signifikant mehr Spielraum als die meisten anderen Teams. Aber auch dieser Spielraum endet irgendwann, und Possessions sind gerade umso wichtiger, weil Kansas City eben nicht diesen dominanten Wide Receiver hat, über den die Offense notfalls garantiert in der Crunchtime laufen kann.
All das ging so weit, dass sich Mahomes und Offensive Coordinator Eric Bieniemy an der Seitenlinie auf dem Weg Richtung Halbzeitpause ein Wortgefecht lieferten, bis Andy Reid dazwischenging. Mahomes erklärte anschließend, dass er seinen Standpunkt klargemacht hatte, dass er aggressiv agieren und auf Touchdown-Chancen gehen will, um solche Spiele nicht eng werden zu lassen. Um es gar nicht zuzulassen, dass ein paar Special-Teams-Fehler die Partie entscheiden.
Und diese Denkweise ist nur allzu gut nachzuvollziehen. Aus Chiefs-Sicht bleibt zu hoffen, dass Mahomes diese Denkweise noch mehr bei seinem Trainerstab anbringt. Denn verschenkte Spiele wie dieses gegen die Colts können am Ende teuer werden.
4. Dolphins-Defense legt Buffalos Offense lahm
So viele mögliche Headlines rund um das Spiel der Dolphins am Sonntag, etwas, das ein Thema für Miamis Saison zu werden scheint. Und erneut mit besserem Ausgang für die Dolphins, die jetzt 3-0 stehen und von ganz oben grüßen.
Dementsprechend gibt es genügend mögliche Themen, über die in dieser Woche gesprochen werden wird.
Der Late Hit gegen Tua etwa, nach dem Miamis Quarterback augenscheinlich klar benommen war, dennoch aber nach der Halbzeitpause überraschend zurückkam - eine Situation, die noch ein Nachspiel haben wird. Oder die schwierigen äußeren Bedingungen durch Hitze und Luftfeuchtigkeit, welche mehrere Bills-Spieler in die Knie zwangen. Oder Josh Allens Auseinandersetzung mit Christian Wilkins. Oder der Butt-Punt. Oder die Reaktion von Buffalos Offensive Coordinator auf die Niederlage. Oder, oder, oder.
All das sind Themen, die man ansprechen sollte. Aber für mich die zentrale Überschrift über diesem Spiel war das, was Miamis Defense leistete.
Das war eine durchaus interessante Frage im Vorfeld dieses Duells zweier Division-Rivalen: Miami hatte Josh Allen im Vorjahr in zwei Spielen sehr aggressiv geblitzt, insbesondere im zweiten Spiel. Und das mit zumindest wechselhaftem Erfolg. Aggressives Blitzing mit Man Coverage ist nach wie vor die Identität dieser Dolphins-Defense, auch ohne Brian Flores - doch gegen Allen regelmäßig zu blitzen kann das Rezept für ein Desaster sein.
Und so wirkte das Spiel auch früh nach einem "Live by the Blitz, Die by the Blitz"-Spiel für die Dolphins. Hier und da erwischte Allen sie, aber auch der Strip Sack tief in der eigenen Hälfte etwa kam per Blitz. Und vielleicht hätten sie damit das Spiel am Ende auch gewonnen, mit Big Plays auf beiden Seiten.
Dolphins: Defensive Kontrolle statt maximalem Risiko
Doch spannender war, wie die Dolphins dann in der zweiten Hälfte einen Zugriff fanden: Nicht einfach mit blinder Aggressivität, sondern mit exzellenter, wahnsinnig enger Coverage und dem Vertrauen darauf, dass man mit dem 4-Man-Rush zwar Allen vermutlich nicht häufig unter Druck setzen kann, gleichzeitig die sieben in Coverage aber auch spät im Down nichts zulassen.
Das klappte. Allen hielt den Ball häufig lange, er warf den Ball im Schnitt nur sechs Yards tief und musste immer wieder improvisieren. Die Bills-Offense, die zum Start des Spiels gleich rund lief, die zeigte, wie gut sie darin ist, mit vielen Personnel-Groupings und Formationen zu attackieren, war in der zweiten Hälfte deutlich unrunder. Und Allen hatte dabei noch mehrfach Interception-Glück.
Dass die Bills dennoch einzelne Big Plays fabrizierten und dass sie am Ende die Chance hatten, das Spiel zu gewinnen - schon vor dem Punt-Fake und dem Wahnsinn ganz am Ende - spricht für die individuelle Qualität der Bills, die Qualität ihres Quarterbacks und ihres Offensive Coordinators. Ich denke auch nicht, dass die Dolphins hier eine magische Formel gegen die Bills gefunden haben.
Buffalo hatte 90 (!) Plays - Miami 39. Die Bills hatten mehr als doppelt so viele First Downs (31:15), mehr als doppelt so viele Total Yards (497:212) und über 20 Minuten mehr Ballbesitzzeit (40:40 vs. 19:20). Buffalo sollte dieses Spiel in den meisten Fällen nicht verlieren.
Die Dolphins sind ein gefährliches Team
Aber dieser Auftritt der Defense verdient besondere Beachtung. Gerade weil ich nicht weiß, inwieweit er gegen die Bills kopiert werden kann. Und fairerweise muss man auch sagen, dass Buffalo mit einigen Ausfällen zu kämpfen hatte im Laufe des Spiels, gerade in der Offensive Line.
Gravierender waren jedoch die Verletzungen auf der defensiven Seite. Dass beide Safeties fehlten - für Micah Hyde ist die Saison verletzungsbedingt beendet - merkte man nicht permanent, doch bei einem 45-Yard-Rainbow auf Jaylen Waddle bei Third-and-22 merkte man es. Der Pass war der Wegbereiter zu Miamis Game-Winning-Touchdown.
Neben der Bewunderung für Miamis Defense steht am Ende auf meinem Notizzettel für dieses Spiel in erster Linie, dass dieses Dolphins-Team gefährlich sein kann. Selbst wenn wir alle Gespräche um Tua und dessen Limitierungen ausblenden, dann bin ich zunehmend zuversichtlich, dass die Dolphins ähnlich wie die 49ers in den letzten Jahren erfolgreich sein können.
Mit einer gefährlichen - wenn auch gänzlich anders strukturierten - Defense und einer exzellent designten Offense mit brandgefährlichen Playmakern und einem sehr guten Play-Caller.
5. Der Rebuild der Lions: Der spannendste Teil rückt näher
Am Ende fehlte nicht viel, und ein bisschen ironisch war es schon, dass Lions-Coach Dan Campbell, der das ganze Spiel über den Fuß auf dem Gaspedal gehalten hatte, ganz am Ende der Partie gegen die Vikings der Mut verließ.
Bei eigener 24:21-Führung mit noch 1:14 Minuten auf der Uhr hätte Detroit an der gegnerischen 36-Yard-Line Fourth Down ausspielen können. Vier Yards fehlten zum First Down, welches das Spiel beendet hätte. Minnesota hatte keine Timeout mehr.
Campbell entschied sich für den 54-Yard-Field-Goal-Versuch, welcher sein Ziel verfehlte, und nachdem er bis dahin in diesem Spiel sechs (!) Fourth Downs ausgespielt hatte, vier davon erfolgreich, war diese Entscheidung der Wegbereiter für Minnesotas Comeback-Sieg.
Das war für den neutralen Beobachter zugegebenermaßen etwas antiklimaktisch, genau wie für all diejenigen, die nach zwei Spielen begeistert von der stürmischen, attackierenden, explosiven Art dieses Lions-Teams waren. Eine Art, die nicht selten in klarem Gegensatz zur Spielweise des eigenen Quarterbacks steht, die aber so gut zu diesem Neustart passt, zu dieser neuen Kultur, die Campbell in Detroit installieren will.
Lions-Rebuild: Eine klare Handschrift ist erkennbar
Die Lions sind für mich eines der spannendsten Teams in der NFL aktuell, weil ein echter Rebuild für mich nach wie vor eine der interessantesten Dynamiken in der NFL darstellt. Wie gehen Teams diesen an? Was priorisieren sie? Wie kreieren sie Ressourcen, und an welchem Punkt wird aus einem Verkäufer- ein Käufer-Team?
Und die kritischste Frage, die am Ende über allem steht: Wie wird die Quarterback-Frage beantwortet?
Zu dem Punkt kommen wir gleich noch mit den Lions, aber allein ein Blick auf den Kader nach der 2020er Saison zeigt, wie weitreichend der anschließende Umbruch bereits umgesetzt wurde. Die Receiver Kenny Golladay, Marvin Jones und Jamal Agnew ließ man gehen, Matt Stafford wurde getradet, Matt-Patricia-Defense-Spieler wie Jamie Collins, Jahlani Tavai, Duron Harmon oder Justin Coleman wurden aussortiert.
Und gleich der erste Draft des Brad-Holmes-Dan-Campbell-Regimes war ein klarer Fingerzeig darauf, wo die Reise hingehen soll: Die Trenches sollen gewonnen werden!
Offensive Tackle Penei Sewell in Runde 1, die Defensive Tackles Levi Onwuzurike und Alim McNeill in den Runden 2 und 3, und dann mit Amon-Ra St. Brown der Receiver in jenem Draft, der neben Ja'Marr Chase am meisten mit seiner physischen Spielweise auffiel. Im diesjährigen Draft kam mit Nummer-2-Overall-Pick Aidan Hutchinson dann der erhoffte Nummer-1-Edge-Rusher mit dazu.
Eine klare sportliche Philosophie ist also erkennbar, und die überträgt sich bereits in dieser Saison auf den Platz: Die Lions haben eine sehr gute Offensive Line und dahinter, trotz einiger früher Ausfälle in der Interior Line, das explosivste Run Game dieser Saison-Frühphase. Hier sieht man die ganze Kreativität der Lions, das ist die Kernidentität des Teams an diesem Punkt.
Der Rebuild der Lions: Bisher war der einfache Part
Sehr vieles von dem, was die Lions bisher gemacht haben, gefällt und macht Spaß. Nach unbefriedigendem Mittelmaß unter Jim Caldwell, gefolgt von Frust unter Matt Patricia, ist eine neue Aufbruchstimmung da. Dan Campbell ist ein sehr Medien- und Fan-Liebling, das Team spielt hart und war im ersten Jahr des Rebuilds besser als erwartet.
Mit den kalkulierten Free-Agency-Abgängen - inklusive entsprechender Compensatory Picks im diesjährigen Draft - sowie dem Trade von Matt Stafford wurde auch hinter den Part eines jeden Rebuilds, in dem es darum geht, möglichst viel Kapital zu sammeln, ein Haken gemacht.
Gleichzeitig gilt aber auch: Dieser erste Part des Rebuilds ist nicht schwierig.
Sicher, man braucht einen Head Coach, der die Fans genau wie das Team mitreißen kann, das rein sportlich gesehen einen der schwächsten Kader der Liga hat. Aber ansonsten? Gute Spieler abzugeben ist keine Kunst; die erste große Frage lautet: Was macht man mit den angesammelten Ressourcen?
Wie sieht die Quarterback-Lösung aus?
Die ersten Zeilen der Handschrift dieses Regimes - ein Fokus auf Physis und die Line of Scrimmage - haben wir jetzt ausführlich besprochen, aber so vielversprechend das auch im Moment alles wirkt: Man muss sich klar machen, dass das zwar ein gutes Grundgerüst ist, aber dass man, um in der NFL erfolgreich zu sein, zusätzlich zum Grundgerüst eine nette Veranda und ein ausgebautes Obergeschoss braucht.
Gemeint ist natürlich der Franchise-Quarterback, der Jared Goff erwiesenermaßen nicht ist, so gut er auch in die Verwalter-Rolle aktuell passt.
Noch wissen wir nicht, wie Detroit diese elementare Frage angehen wird; was aber Mut machen darf, ist die Tatsache, dass die Lions im Zuge des Stafford-Trades einen zweiten Erstrunden-Pick im kommenden Draft haben. Und ohne zu viel hier rein interpretieren zu wollen, könnte man daraus schon ablesen, dass die Lions die kommende Offseason - ob via Trade für einen Veteran oder potenziell einen Trade nach oben im Draft - als die Offseason ausgemacht haben, in welcher der Quarterback gefunden werden soll.
Es ist der natürliche Prozess eines jeden Umbruchs. Alles ist schön und gut, bis die Quarterback-Entscheidung gefällt wurde. Die Browns hatten nach ihrem drastischen Umbruch 2017 drei Erstrunden-Picks, inklusive Nummer-1-Overall - und entschieden sich für die "sichere" Variante mit Myles Garrett. Erst im Jahr danach wurde, erneut an 1, Baker Mayfield ausgewählt.
Mit dieser Quarterback-Entscheidung tickt die Uhr. Ob die Lions in diesem Jahr fünf, sechs oder acht Spiele gewinnen, ist am Ende des Tages zweitrangig. Wenn allerdings der Würfel auf der Quarterback-Position gefallen ist - und die kommende Offseason sollte der logische Spot dafür sein -, und eine weitere Offseason ins Roster Building investiert wurde, dann werden Ergebnisse verlangt. Und das zurecht.
Auch für Detroit wird diese Phase kommen, und ich bin sehr gespannt darauf, welche Art Quarterback Dan Campbell als seinen Wunschkandidaten auswählt.