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NFL - Week 14, Gewinner und Verlierer: Mafioso am Spielfeldrand und ein Triumph der Nerds

Von Stefan Petri
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Week 14 der Regular Season hat es in sich: Patrick Mahomes fällt nach einem spektakulären "Nicht-Touchdown" negativ auf, in New York City werden nicht nur die Quarterbacks gefeiert. Ein Wide Receiver dreht mal wieder durch, Tyreek Hill bekommt einen verbalen Arschtritt von seiner besseren Hälfte. Außerdem: Ein Triumph für die Analytics, der neue beste Kicker der NFL - und eine Runde Mitleid für die Fans in Las Vegas. Die Gewinner und Verlierer der Woche.

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NFL, Week 14 - Gewinner: New Yorker Quarterbacks

Irgendwie ist man sich bei Giants-Quarterback Tommy DeVito immer noch nicht ganz sicher, ob an der ganzen Sache etwas faul ist. Hat er einen Fan-Wettbewerb gewonnen? Ist er ein Produkt der PR-Abteilung von Roger Goodell? Leben wir in einer Simulation? Er passt einfach viel zu gut, dieser Kerl mit italienischen Wurzeln, der sämtliche Klischees zu bedienen scheint und unter der Woche mal eben ein Ranking italienischer Gerichte aufstellt - typische Handbewegungen inklusive.

Oder habt Ihr seinen Berater gesehen? Sean Stellato heißt er, und wenn man ChatGPT damit beauftragen würde, einen italo-amerikanischen Berater/Agenten/Teilzeit-Mafioso zu erfinden, dann würde er zu 100 Prozent so aussehen. Kein Witz! DAS IST SEIN BERATER!

Da klappt mir die Kinnlade runter! Nicht zu vergessen: Tommy ist in der Kabine unglaublich beliebt - und spielt aktuell einen guten Ball. Chapeau, wie er gegen die Packers im Monday Night Game das Feld zum entscheidenden Field Goal heruntermarschierte. Der Junge genießt sein Leben aktuell in vollen Zügen, und wie könnte man ihm das nicht gönnen?

Ein ähnliches Lob hat sich Zach Wilson bei den Jets verdient. Der war eigentlich als Starter der Jets schon abgesägt - nicht zum ersten Mal! -, doch als Aaron Rodgers' Spezi Tim Boyle in Vertretung einfach nur eine Katastrophe war, klopfte das Team wieder bei Wilson an. Der soll laut The Athletic sogar gezögert haben, ob er sich das noch einmal tun will. Den Bericht dementierten alle Beteiligten natürlich emsig.

Wie dem auch sei: 30 Punkte legte Wilson mit den Jets gegen die Texans (30:6) hin, und das in nur einer Halbzeit. Das war dem Team im Saisonverlauf bisher erst einmal gelungen. "Er hat groß aufgespielt", lobte Receiver Garrett Wilson. "Zach war verrückt heute!"

Mit einer Bilanz von 5-8 dürften die Playoffs dennoch außer Reichweite sein, aber es war der erste Schritt zur Rehabilitation. Und: Zum ersten Mal seit einer gefühlten Ewigkeit musste man am Sonntag nicht über Aaron Rodgers sprechen.

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NFL, Week 14 - Verlierer: Die Zuschauer bei Raiders vs. Vikings

Weil es so schön war, kommen hier noch einmal alle Drives im Allegiant Stadium zum Mitschreiben. Fertig? Schnallt Euch an.

Punt, Punt, Punt, Punt, Punt, missed Field Goal, Punt, Punt - Halbzeit. Punt, Fumble, Punt, Punt, Punt, Punt, Punt, Punt, Punt, Punt, Field Goal, Interception, Punt, Fumble - Spielende.

An alle 62.626 Zuschauer im Stadion: Verlangt Euer Geld zurück! Oder rahmt Euch die Eintrittskarte ein? Ich weiß auch nicht. Auf jeden Fall war es das erste 3:0 in der NFL seit 2007 - und das Spiel mit den wenigsten Punkten in einem Indoor-Stadion überhaupt. Dazu noch die Verletzungen von Justin Jefferson und Josh Jacobs ... einfach nur brutal.

PS: Eine "perfekte" Halbzeit gab es auch zwischen den Jets und Texans zu sehen. Elf Punts in Serie bedeuteten ein 0:0 zur Pause. Anschließend bekamen die Zuschauer in den zweiten 30 Minuten aber gleich 36 Punkte zu sehen.

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NFL, Week 14 - Fast-Touchdown der Woche: Travis Kelce und Kadarius Tooney (Kansas City Chiefs)

Diesen Eintrag hätte man auch mit "Sündenbock der Woche" betiteln können, aber wir wollen doch lieber den Fokus auf das Positive richten, nämlich auf die unglaubliche Aktion von Travis Kelce. Der 34-Jährige hatte auf der Cleveland Heights High School in jungen Jahren Quarterback gespielt, was bei seinem Querpass auf Toney auch erkennbar war. Schaut es Euch noch einmal an, weil man es gar nicht oft genug sehen kann: Normalerweise sind Querpässe bzw. Laterals irgendwie gelöffelt und flattern bei kürzester Distanz durch die Gegend. Kelce auf Toney? Das war eine waschechte "Spirale".

Es ist erst zwei Wochen her, da haben wir an dieser Stelle mehr Lateral-Trick-Plays für die NFL vorhergesagt. Aber da ging es um geskriptete und damit geübte Plays. Bei Kelce war es ein spontaner Geistesblitz, was es nur noch besser macht.

Toney kann man derweil nur wünschen, dass er sich in den kommenden Wochen mit dem einen oder anderen Big Play rehabilitiert. Der 24-Jährige hatte nach einem schwachen Auftritt mit mehreren Drops zum Saisonauftakt gegen die Detroit Lions vor drei Monaten seinen X-Account deaktiviert und die Kommentare auf seinem Insta-Account limitiert. Man mag sich gar nicht vorstellen, welche Häme nach Sonntag auf ihn eingeprasselt wäre. Das Team steht derweil weiter zu ihm: "Er ist noch jung und hat nicht sehr viel Erfahrung, aber in meinen Augen wird er jede Woche besser", sagte Head Coach Andy Reid. "Ich schaue nicht nur auf das Negative, sondern auch auf das, was er für uns schon geleistet hat."

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NFL, Week 14 - Heulsuse der Woche: Patrick Mahomes (Kansas City Chiefs)

Wir haben es gestern schon ausführlich behandelt, deshalb nur kurz: Wie sich Patrick Mahomes nach Toneys klarem Regelverstoß (!) aufführte, war nicht die feine englische Art. Die Sympathiewerte des 28-Jährigen sind generell unglaublich hoch, aber das könnte ihn durchaus ein paar Sympathien gekostet haben. Immerhin fiel ihm das am Montag bei einem Radiointerview selbst auf. "Ich bereue es, wie ich mich gegenüber Josh [Allen] nach dem Spiel verhalten habe, denn er hatte nichts damit zu tun", sagte er bei 610 Sports Radio. "In der Hitze des Gefechts war ich noch emotional, aber das darf man so nicht machen. Da war ich kein gutes Beispiel für die Kinder, die zugeschaut haben."

Okay, besser als nichts. Jetzt noch eine Entschuldigung in Richtung der Referees und wir haken die Sache ab.

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NFL, Week 14 - Gewinner: Buffalo Bills

Die Bills hatten gelinde gesagt eine "turbulente" Woche hinter sich: Erst hatte sich Pass Rusher Von Miller nach Vorwürfen häuslicher Gewalt der Polizei gestellt, dem Super-Bowl-MVP von 2015 wird vorgeworfen, seine schwangere Freundin tätlich angegriffen zu haben. Dann machte Head Coach Sean McDermott Schlagzeilen, weil enthüllt wurde, dass er die Terroristen vom 11. September 2001 vor einigen Jahren in einem Team Meeting als positives Beispiel für gelungene Kommunikation herausgestellt hatte.

Immerhin sportlich gesehen gehörte Buffalo am Sonntagabend nach dem knappen 20:17 über die Kansas City Chiefs dann aber zu den Gewinnern. Der Playoff-Zug schien schon fast abgefahren, doch nach dem wichtigen Auswärtssieg beim AFC-Erzrivalen und einigen Patzern der Konkurrenz dürfen Josh Allen und Co. wieder auf eine Wildcard hoffen. Unglaublich, aber wahr: Gleich sechs Teams in der AFC weisen eine Bilanz von 7-6 auf - und sechs Teams in der NFC stehen bei 6-7.

War das der Turnaround in dieser bisher so verkorksten Saison? Werden die Bills das klassische Team, "auf das in den Playoffs niemand treffen will"? Dafür waren sie dann doch nicht gut genug, außerdem stehen unter anderem noch Spiele gegen die Cowboys und bei den Dolphins an. Andererseits: Buffalo würde als Wildcard-Team wohl mehr Angst verbreiten als etwa die Steelers ...

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NFL, Week 14 - Verlierer: Miami Dolphins

Wer das Freilos in den AFC-Playoffs abstauben und bis zum Super Bowl Heimrecht haben will, der darf einfach nicht gegen die Tennesse Titans verlieren. Schon gar nicht daheim, und erst recht nicht mit einer 27:13-Führung kurz vor Schluss. Bei 99,6 Prozent lag die Siegwahrscheinlichkeit 3:08 Minuten vor Schluss, hatten die Analysten von Next Gen Stats flugs errechnet - seit 2016 habe nur ein Team einen noch sichereren Sieg verspielt (natürlich waren es die Jets).

Immerhin: Receiver Tyreek Hill, der zwischendurch rausmusste, scheint sich nicht schwerer am Knöchel verletzt zu haben. Der extravagante Wideout (er kam mit McDonalds-Tüte in der Hand ins Stadion) erzählte, dass es seine Frau war, die ihn im dritten Viertel wieder zurück ins Spiel gebracht hatte: "Bei der Verletzung dachte ich zuerst: Mann, das war es mit meinem Knöchel." In der Pause habe er seiner Frau eine Nachricht geschickt: "Das tut richtig weh." Ihre Antwort: "Du bewegst deinen Arsch gefälligst wieder zurück aufs Spielfeld!" Also habe er sich mit den Schmerzen abgefunden und sich mehr oder minder selbst wieder eingewechselt. Wir würden Keeta Vaccaro, so heißt die Gute nämlich, spontan einen Job als Assistant Coach anbieten!

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NFL, Week 14 Kicker der Woche: Brandon Aubrey

Aus dem Weg, Justin Tucker: Brandon Aubrey ist spätestens jetzt der beste Kicker der NFL. Drei Field Goals aus mindestens 50 Yards verwandelte der 28-Jährige gegen die Eagles, darunter eins aus 59 und eins aus 60 Yards Entfernung - und sie alle fanden problemlos ihr Ziel. Damit hat Aubrey in seiner Rookie-Saison in der Liga bislang alle 30 Field Goals verwandelt - natürlich Rekord.

Das Besondere: Es sieht leicht und locker aus, wenn das einstige Fußball-Talent zum Field Goal antritt, als würde er gar nicht mit voller Kraft schießen. "Ich weiß, dass ich jeden Versuch verwandeln kann, den sie von mir verlangen", sagte er nach dem Spiel - das darf er dann in den Playoffs beweisen. Den NFL-Rekord hält Tucker mit einem Treffer aus 66 Yards. Würde mich nicht wundern, wenn der demnächst fällt. Und an die restlichen NFL-Teams: Es gibt genügend (Ex-)Fußballer da draußen. Ruft doch mal Christian Fuchs an!

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NFL, Week 14 - Gewinner: Mike Vrabel (Head Coach Tennessee Titans)

Ein Sieg für die Nerds? 14 Punkte lagen die Titans gegen Miami kurz vor Schluss hinten, zwei Touchdowns eben. Aber als sie 2:40 Minuten vor dem Ende verkürzten, schossen sie nicht den obligatorischen Extrapunkt zum 20:27, sondern spielten direkt die Two-Point-Conversion aus.

Heißt: Im Erfolgsfall reicht bei einem zweiten Touchdown der PAT zur Führung - klappt die Conversion nicht, kann man es beim zweiten TD noch einmal probieren und sich so in die Verlängerung retten.

Okay, schlagen beide Two-Point-Conversions fehl, ist man der Gelackmeierte, aber wenn man in etwa von einer 50/50-Chance bei den Zweipunktversuchen UND später in der hypothetischen Overtime ausgeht, macht das mathematisch durchaus Sinn. Wer das noch einmal genauer nachlesen will: hier klicken.

So oder so ist es aus neutraler Beobachter-Sicht der richtige Schachzug, weil es einfach für jede Menge Spannung sorgt. Insofern: Hoffentlich sehen wir das Szenario auch in den Playoffs - und hoffentlich zeigt der entsprechende Head Coach dann die gleichen dicken Eier wie Mike Vrabel.

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NFL, Week 14 - Touchdown der Woche: Tylan Wallace (Baltimore Ravens)

Kickoff- und Punt-Return-Touchdowns gibt es gefühlt in der NFL kaum noch zu bewundern - da ist die Chance deutlich größer, mit einem nicht gefangenen Punt oder Kick zum Deppen zu werden (siehe Eric Garror bei den Tennesee Titans in der Nacht auf Dienstag). Umso schöner, wenn es dann doch passiert, ganz besonders in Overtime. Deshalb: Chapeau, Tylan Wallace! Der 24-Jährige legte für die Ravens einen Punt-Return-TD zum 37:31-Overtime-Erfolg gegen die Rams hin - und geschenkt war der ganz sicher nicht. Auf rutschigem Geläuf lies Wallace mehrere Gegner aussteigen, ließ sich auch von hinten nicht mehr tackeln und sprang schließlich übermütig in die Endzone. 76 Yards ins Glück!

War der eine oder andere Block in den Rücken dabei? Kein Kommentar. Freuen kann man sich trotzdem für Wallace, der kurzfristig als Returner einspringen musste und in seiner gesamten Karriere noch kein wirkliches Highlight vorzuweisen hatte (sechs Catches als Receiver in drei Jahren). "Es fühlt sich großartig an, den Unterschied zu machen und dem Team zum Sieg zu verhelfen", sagte er. "Ein einmaliger Moment." Besser gesagt: viermalig. Es war nämlich erst der vierte Punt-Return-Touchdown in Overtime in der NFL-Historie.

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NFL, Week 14 - Gewinner: Jake Browning und Joe Burrow (Quarterbacks Cincinnati Bengals)

Dass Bengals-Quarterback Browning hier auftaucht, dürfte niemanden überraschen. Vor zwei Wochen war der Backup von Joe Burrow noch völlig unbekannt, doch nach sehr guten Leistungen bei Siegen über die Jaguars und Colts (18/24, 275 Yards, insgesamt drei Touchdowns, eine Interception) träumt man in Cincinnati wahrscheinlich schon von einem ähnlichen Playoff-Run, wie in der Saison 2017 den Eagles mit Nick Foles gelang: die holten bekanntlich im Super Bowl gegen die New England Patriots den Titel.

Aber warum zählt der verletzte Starter Burrow ebenfalls zu den Gewinnern? Ganz einfach: Er trat vor dem Spiel seine Loge im Stadion an Browning ab, damit der dort Familie und Freunde aus Kalifornien unterbringen konnte - die waren für das Spiel extra angereist.

"Das war sehr nett von Burrow", bedankte sich Browning artig. "Besser als draußen zu sitzen. Wir sind aus Kalifornien und die Kälte nicht gewohnt. Naja, ich jetzt schon, aber die anderen nicht."

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NFL, Week 14 - Verlierer: DK Metcalf (Seattle Seahawks)

Der Wide Receiver der Seattle Seahawks lernt es einfach nicht. Metcalf lieferte sich beim 18:28 gegen die San Francisco 49ers eine Rangelei mit Fred Warner und flog aus dem Spiel - und wenn es das erste Mal gewesen wäre, könnte man ja noch Nachsicht zeigen. Doch der so enorm talentierte 25-Jährige leistet sich regelmäßig persönliche Strafen und ist dabei enorm erfinderisch: Von Provokationen über Griffe ins Gesichtsgitter und illegale Blocks war schon alles dabei.

Darauf angesprochen, hatte er sich schon im Oktober uneinsichtig gezeigt: "Ich werde meine Herangehensweise nicht ändern." Die Tatsache, dass er auf der Strafen-Übersicht von Head Coach Pete Carroll immer wieder ganz oben auftauche? Jeder habe ja mal einen schlechten Tag.

Die kommen aber so häufig vor, dass er seinem Team einen Bärendienst erweist. Und natürlich bleibt das den Gegnern nicht verborgen. "Wir werden die Nummer 14 dazu kriegen, den Kopf zu verlieren", hatte Niners-Coach Kyle Shanahan laut San Francisco Chronicle zu seinen Spielern gesagt. "Ein Weihnachtsgeschenk für denjenigen, der das schafft." Das war dann der erfahrene Linebacker Fred Warner, der Metcalf erst einen mitgab und dann das Unschuldslamm spielte und so ohne Strafe davonkam.

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