O.J. Simpson gab es viermal. Mindestens. Er war der strahlende Football-Star, später der legendäre Pechvogel-Detective Nordberg in den Nackte-Kanone-Filmen. Dann der berühmteste Polizeiflüchtling der Welt, als er 1994 des Doppelmordes verdächtigt vor einem Millionen-TV-Publikum den Cops davonjagte, vor Gericht aber freigesprochen wurde. Und schließlich wurde er dann doch für viele Jahre ein trauriger Häftling.
Am Mittwoch ist Orenthal James Simpson im Alter von 76 Jahren gestorben, er erlag im Kreise seiner Kinder und Enkel einem Krebsleiden. Dies teilte seine Familie mit. Nach einem, wohl eher mindestens vier Leben, die sich nicht einmal Hollywood hätte ausdenken können.
Simpson war alles, American Hero und Erzschurke, Vorbild und warnendes Beispiel. Und vielleicht steht niemand so sehr für die grenzenlosen Möglichkeiten, aber auch die grenzenlosen Abgründe, welche das amerikanische Leben bieten kann.
Simpson, das hatte er sich beibehalten, kämpfte seinen Kampf gegen den Krebs mit Humor. Schon deutlich gezeichnet konterte er im Februar die Gerüchte, er habe sich zum Sterben zurückgezogen mit einem Twitter-Video. "Hospiz? Ich? Ich gehe doch in kein Hospiz", rief er hinter dem Steuer seines Autos und amüsierte sich köstlich. Stattdessen drückte er kurz darauf seinem Ex-Klub San Francisco 49ers, wenngleich vergeblich, die Daumen im Super Bowl.
Den hatte er als Profi nie gewonnen, dennoch war er eine Naturgewalt auf dem Feld, ein in besten Zeiten kaum zu stoppender Runningback bei den Buffalo Bills und den 49ers. Am 16. Dezember 1979 absolvierte er sein letztes NFL-Spiel - nach 13.378 Yards Raumgewinn und 61 Touchdowns in Hauptrundenspielen und einem 21:31 bei den Atlanta Falcons war Schluss.
Simpson setzte seine Schauspielkarriere fort, die er schon Ende der 1960er angeschoben hatte. Die Nordberg-Rolle in "The Naked Gun", in den drei - beziehungsweise 33 3/3 Teilen der gnadenlosen guten Krimi-Klamotte an der Seite von Leslie Nielsen, war sein Meisterstück. Der letzte Film erschien 1994. Im gleichen Jahr ging alles den Bach runter.
Am 17. Juni wurde aus dem Football- und Kinostar der wegen des Mordes an seiner Ex-Frau und deren Begleiter gesuchte Verbrecher Simpson, der in einem weißen Ford Bronco verfolgt von 20 Polizeiautos durch Beverly Hills davonbrauste, gefilmt aus einem Hubschrauber. Für die Live-Berichterstattung wurde sogar die Übertragung der NBA-Finals unterbrochen.
Simpson wurde im Indizienprozess freigesprochen, trotz erheblicher Zweifel an seiner Unschuld - ganz Amerika klebte während des Prozesses, der irgendwo zwischen Klamotte und Tragödie verlief, vor dem Fernseher. Dem Gefängnis entkam Simpson aber nicht auf Dauer. 2008 wurde der gefallene Sportheld wegen eines bewaffneten Raubüberfalls auf ein Hotel in Las Vegas zu einer 33-jährigen Haftstrafe verurteilt.
2017 verließ Simpson das Lovelock Correctional Center vorzeitig auf Bewährung, die erst 2021 aufgehoben wurde. Ein freier Mann wurde Simpson nie mehr - nach der Haft griff der Krebs nach ihm.
"Trauert nicht um mich, ich hatte ein großartiges Leben", schrieb O.J. Simpson in einem Abschiedsbrief. Im Juni 1994 war das. Kurz bevor er in seinem Bronco jenem alten Leben davonjagte.