Zweites Spiel der Stanley-Cup-Finals, zweites Drama! In Spiel 1 hatte Raffi Torres Vancouver 19 Sekunden vor Schluss der regulären Spielzeit zum Sieg geschossen, diesmal traf Alex Burrows nach 11 Sekunden der Overtime und machte den Canucks-Sieg perfekt. Es war das zweitschnellste OT-Tor in der Geschichte der Stanley-Cup-Finals. Brian Skrudland (Montreal) traf vor 25 Jahren einmal nach 9 Sekunden.
Es war der zweite Treffer des Abends für Burrows, der Vancouver in der 13. Minute im Power Play bereits in Führung gebracht hatte. Die Bruins drehten das Spiel in der Folge durch Tore von Milan Lucic (29.) und Mark Recchi (32./PP), ehe Daniel Sedin die Canucks in der 50. Minute mit seinem 9. Playoff-Tor noch in die Verlängerung rettete. Roberto Luongo war mit 28 Saves wieder ein starker Rückhalt im Tor von Vancouver, Bostons Keeper Tim Thomas parierte 30 Schüsse.
Dennis Seidenberg (26:29 Minuten Eiszeit, 4 Schüsse, 5 Blocks) lieferte erneut eine gute Leistung ab, konnte aber nicht verhindern, dass die Bruins mit einem 0-2-Rückstand zurück nach Boston fliegen müssen. Christian Ehrhoff (22:36 Minuten Eiszeit, 3 Schüsse) hat im Duell, der erste deutsche Stanley-Cup-Sieger seit Uwe Krupp zu werden, jetzt eindeutig die besseren Karten. Spiel 3 der Serie findet in der Nacht auf Dienstag im TD Garden zu Boston statt.
Reaktionen:
Alex Burrows (Vancouver): "Meine Eltern mögen die negative Presse, die ich manchmal bekomme, nicht so wirklich. Es tut ihnen weh, nicht mir. Ich lese das alles nicht. Mein Vater hat mir gesagt, dass ich rausgehen und ein paar Tore schießen soll, ich habe auf seinen Ratschlag gehört."
... über seinen Game-Winner: "Sobald ich den Puck hatte, wusste ich, dass ich einen Schuss antäuschen und dann versuchen wollte, ihn zu bezwingen. Ich habe vor Tim Thomas kurz den Puck verloren, ihn aber wiederbekommen und ihn reingemacht."
... über die Serie: "Es ist toll, dass wir 2-0 vorne sind, aber wir haben noch nichts gewonnen. Wir haben nur unseren Heimvorteil verteidigt. Und das war ganz schön tough, wir haben es mit einem harten Gegner zu tun. Sie werden sich von ihren Fans noch einmal pushen lassen, das wird nicht leicht für uns. Solange man kein Auswärtsspiel gewonnen hat, hat man auch nicht die Kontrolle über eine Serie."
Daniel Sedin (Vancouver): "Burr hat ein krankes Play gemacht. Es war verrückt. Ich hätte nicht gedacht, dass er von da treffen könnte. Ich weiß nicht, was passiert ist, aber es war sehr schön zu sehen, wie der Puck ins Tor gegangen ist."
Claude Julien (Trainer Boston): "Wir haben beide Spiele mit einem Tor verloren und noch nicht so gespielt, wie wir es eigentlich können. Wir sind besser als das, was wir gezeigt haben. Wir müssen das jetzt zuhause beweisen und in die Serie zurückkommen."
David Krejci (Boston): "Meiner Meinung nach haben wir das Spiel ganz alleine verloren. Klar, sie haben gut gespielt, aber wir hatten alles in unseren Händen und haben es einfach weggeschenkt."
Der SPOX-Spielfilm:
Vor dem Spiel: Bei den Canucks gibt es zwei Veränderungen. Verteidiger Dan Hamhuis, der sich bei seinem Hüftcheck gegen Lucic in Spiel 1 verletzt hatte, fällt aus. Dafür rückt Andrew Alberts ins Team. Alberts spielt an der Seite von Ehrhoff. Aaron Rome, zuletzt Ehrhoffs Partner, ersetzt Hamhuis neben Kevin Bieksa. Im Sturm feiert Manny Malhotra nach seiner schweren Augenverletzung sein lang ersehntes Comeback. Die Bruins spielen in exakt der gleichen Aufstellung wie zuletzt.
2.: "Manny! Manny!" Malhotra steht zum ersten Mal auf dem Eis und die Rogers Arena steht kopf. Wer hier keine Gänsehaut bekommt, ist kein Mensch. Malhotra macht sofort das, was er am besten kann. Er gewinnt das Bully.
5.: Fast die Führung für die Canucks. Sami Salo lässt eine Rakete von der blauen Linie los, Thomas pariert, fälscht die Scheibe aber so ab, dass sie über seine eigene Schulter fliegt und im Torraum liegt. Zum Glück für Boston ist Seidenberg zur Stelle und kann klären. Das war knapp.
13.: Tor für Vancouver! 1-0, Burrows (PP/Higgins, Salo)! Zdeno Chara sitzt wegen Behinderung auf der Strafbank, die Bruins haben die Unterzahl schon fast überstanden, da schlägt die zweite Power-Play-Unit der Canucks zu. Andrew Ference leistet sich einen Riesenbock und bringt den Puck nicht aus dem eigenen Drittel raus, Salo hält die Scheibe drin und über Chris Higgins kommt sie zu Burrows. Der zieht per Handgelenkschuss sofort ab und bezwingt Thomas im kurzen Eck. 8. Playoff-Tor für Burrows, kein gutes Gegentor für Thomas.
29.: Tor für Boston! 1-1, Lucic (Boychuk, Krejci)! Die Bruins sind da und erzielen ihr erstes Tor in den Stanley-Cup-Finals! Nach einem Schuss von Johnny Boychuk feuert Lucic den Rebound in die Maschen. Der Power Forward der Bruins ist schneller am Puck als Ehrhoff und erzielt sein 4. Playoff-Tor. Wurde auch Zeit, dass Lucic aufwacht. Luongos Shutout-Streak endet nach 137:26 Minuten.
32.: Tor für Boston! 1-2, Recchi (PP/Chara, Bergeron)! Ein Weltwunder, Boston hat ein Power-Play-Tor geschossen! Bei der zweiten PP-Chance des Spiels schlagen die Bruins zu. Der 43-jährige Mark Recchi fälscht einen Handgelenkschuss von Chara, der in Überzahl diesmal nicht vor dem Kasten steht, ins Tor ab, unhaltbar für Luongo. 3. Playoff-Tor für Recchi. Damit schnellt die PP-Quote der Bruins in den Playoffs auf 8,7 Prozent (6/69) hoch.
34.: Es ist mal wieder Zeit für einen wahnsinnigen Save von Thomas. Tomas Kaberle verliert in der eigene Zone den Puck, Ryan Kesler zieht auf rechts los und spielt den Querpass auf den völlig frei stehenden Jannik Hansen, der aus kürzester Distanz sofort abdrückt. Unglaublicher Reflex von Thomas! Oder wie es in den USA heißt: "Hansen got robbed!"
50.: Tor für Vancouver! 2-2, D. Sedin (Burrows, Edler)! Es geht für die Bruins damit los, dass Chara den Puck nicht kontrollieren kann. So kommt Henrik Sedin an die Scheibe und spielt sie zurück an die blaue Linie zu Alex Edler. Der Verteidiger zieht ab, der Rebound kommt zu Burrows, der den Puck im Slot sofort genial weiter zu Daniel Sedin spielt und der Sniper braucht nur noch über einen liegenden Thomas einzuchippen. 9. Playoff-Tor für Daniel Sedin. Ausgleich.
61.: Tor für Vancouver! 3-2, Burrows (D. Sedin, Edler)! Diesmal ist die magische Zahl nicht 19 für die Canucks, diesmal ist sie 11. Die Overtime dauert nur 11 Sekunden, da markiert Burrows den Game-Winner! Unfassbar! Patrice Bergeron gewinnt das Bully, aber die Bruins verlieren sofort den Puck. Burrows zündet auf der linken Seite den Turbo, täuscht einen Schuss so gut an, dass der aggressive Thomas komplett aus der Position gerät, Burrows kurvt ums Tor herum und schiebt die Scheibe ins leere Tor!
Der Star des Spiels: Alex Burrows. Hätte er überhaupt spielen dürfen? Es ist das Streitthema der Stanley-Cup-Finals. Burrows leistete sich in Spiel 1 eine Beiß-Attacke gegen Bergeron, wurde aber von der NHL nicht gesperrt. TV-Experte Mike Milbury bezeichnete die Entscheidung der Liga als "eine Schande". Fakt ist: Burrows durfte spielen und lieferte eine Monster-Performance ab. Der kongeniale Partner der Sedin-Zwillinge in der ersten Reihe der Canucks war an allen drei Vancouver-Toren beteiligt (2 Tore, 1 Assist). Mit seinem spektakulären Game-Winner hat er Vancouver schon ganz nahe an den ersten Stanley-Cup-Triumph der Franchise-Geschichte gebracht. Dass er in Boston so etwas wie der Staatsfeind Nummer eins ist, wird dem 30-jährigen Winger herzlich egal sein. Die Canucks gewannen Spiel 2 dank Alex Burrows.
Der Flop des Spiels: Zdeno Chara. Er ist der Superstar-Verteidiger der Bruins, aber seine Leistung lässt im Moment stark zu wünschen übrig. Chara machte trotz seines Assists zum 2:1 insgesamt ein grauenvolles Spiel, wenn man ihn an seinem Standard misst. Beim ersten Gegentor saß er in der Box, weil er sich eine undisziplinierte Strafe leistete. Das zweite Gegentor leitete er durch einen seiner vielen Turnover auch mit ein. Und beim Siegtreffer der Canucks war er mit dem Speed von Burrows trotz seiner immensen Reichweite hoffnungslos überfordert. Chara wirkte am Ende müde. Wenn er so weiterspielt, haben die Bruins null Chancen, noch einmal in die Serie zurückzukommen.
Analyse: Das erste Drittel war vor allem von einem geprägt: Hits. Stolze 42 Hits wurden in den ersten 20 Minuten gezählt, es ging von der ersten Minute an extrem physisch zur Sache. Normalerweise müssten es die Bruins sein, die mit ihrem körperbetonten Eishockey das Spiel dominieren wollen, aber davon war nichts zu sehen.
Im Gegenteil. Die Canucks waren viel aggressiver und führten nach dem ersten Drittel durch das Tor von Burrows völlig verdient. Das Schussverhältnis war zwar ausgeglichen (11:11), aber Boston hatte nicht mehr als zwei gute Chancen. Die Puck-Kontrolle war miserabel - es war insgesamt ein angesichts der Wichtigkeit richtig schlechtes Drittel der Bruins. So durfte es aus ihrer Sicht nicht weitergehen.
Und so ging es auch nicht weiter. Boston wachte auf und drehte das Spiel mit einem fantastischen zweiten Drittel. Mit Lucic und Recchi trafen ausgerechnet die beiden Bruins-Stürmer, die vielleicht am meisten in der Krise steckten. Und die Bruins erzielten sogar endlich mal ein Power-Play-Tor. Dazu kamen einige Monster-Saves von Thomas, Boston hatte das Momentum und schien auf dem Weg, doch noch mit einem mehr als akzeptablen 1-1-Split nach Hause fliegen zu können.
Die Canucks hatten aber etwas dagegen. Vancouver schaltete im letzten Drittel noch einmal einen Gang nach oben und drückte gewaltig aufs Tempo. Es scheint, dass Vancouver im letzten Drittel sich immer noch auf ein Level hieven kann, das die Bruins nicht haben. Die Canucks dominierten das Spiel (11:5-Schüsse), kreierten Chancen und kamen durch Daniel Sedin völlig verdient zum Ausgleich. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Boston wie schon in Spiel 1 eigentlich stark gegen die Sedins verteidigt. Die Overtime war danach die logische Folge - und dort versetzten die Canucks den Bruins den nächsten Stich ins Herz. Warum Coach Claude Julien zum Start der Overtime Ference an der Seite von Chara brachte und nicht Seidenberg, wird wohl sein Geheimnis bleiben.
Sowohl Chara als auch Ference hatten sich schon böse Fehler erlaubt, es war irgendwie bezeichnend, dass die Canucks nach 11 Sekunden sofort zuschlugen. Der brutale Speed von Burrows war einfach zu viel für Boston. Zudem wurde Thomas sein aggressiver Stil des Goalie-Spiels zum Verhängnis. Es bleibt abzuwarten, wie die Bruins diese Pleite wegstecken. Die Niederlage in Spiel 1 war schon herzzerreißend, und die Niederlage in Spiel 2 war jetzt noch schlimmer.
Nur vier Mannschaften haben bei 46 Versuchen nach einem 0-2-Rückstand noch die Stanley-Cup-Finals gedreht. Zuletzt schafften dies Sidney Crosby und die Pittsburgh Penguins 2009 gegen die Detroit Red Wings. Immerhin haben die Bruins Erfahrungen, einen 0-2-Rückstand aufzuholen. In der ersten Runde lagen sie gegen Montreal auch schon 0-2 hinten - und das nach zwei Heimniederlagen. Aber: Vancouver ist nicht Montreal.
NHL: Die Playoffs auf einen Blick