NHL

Totgesagte leben nachweislich länger

Von SPOX
Saß in der Schlussphase von Spiel 4 auf der Bank: Canucks-Goalie Roberto Luongo
© Getty

Nach zwei deutlichen Siegen in Boston reisen Dennis Seidenberg und seine Bruins wieder nach Vancouver. Dort steigt in der kommenden Nacht (2 Uhr im LIVESCORE) Spiel 5 der Stanley-Cup-Finals gegen die Canucks mit Christian Ehrhoff. Während Boston vor allem auf alte Tugenden und das goldene Händchen des Trainers setzt, benötigen die Kanadier vor allem einen wiedererstarkten Roberto Luongo.

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Totgesagte leben länger. Diese Weisheit haben die Boston Bruins mit zwei deutlichen Siegen gegen die Canucks zuletzt eindrucksvoll belegt. Dabei waren sie nach den beiden unglücklichen Niederlagen in Vancouver bereits von den meisten Experten abgeschrieben worden. Niemand könne sich von so einem Start erholen, hieß es. Soviel dazu.

Die Finals-Serie ist wieder völlig offen und die Euphorie in Boston kocht so hoch wie zuletzt in den Tagen von Bobby Orr und Phil Esposito.

Allerdings sind auch die Fans in Vancouver richtig heiß auf ihr Team, das jetzt wieder den Heimvorteil auf seiner Seite hat. "Es ist verdammt schwer, hier zu spielen", bestätigt Bruins-Stürmer Patrice Bergeron: "Das Publikum ist sehr laut und Vancouver wird alles dran setzen, zurückzuschlagen. Wir müssen mit der gleichen Energie spielen wie in den Partien 3 und 4. Das wird ein ganz wichtiges Spiel."

Erfolgsmittel: Härte

Die Bruins haben ihr Erfolgsrezept entdeckt, oder besser: wiederentdeckt. Seit Spiel 3 ziehen sie wieder ihr äußerst physisches Spiel auf, ohne sich dabei dumme Strafen zu leisten. Und seit Spiel 3 haben sie die Canucks im Griff. Eine Spielweise, die sie jetzt auch nach British Columbia transportieren müssen.

Denn klar ist: Selbst ein Klasse-Goalie wie Tim Thomas kann nicht in jeder Partie überragend parieren. "Das stimmt", weiß auch Dennis Seidenberg: "Wir können uns nicht jedes Mal ausschließlich auf Timmy verlassen." Und deswegen müssen sie weiter Druck auf ihre Gegner ausüben.

So wie Verteidiger Johnny Boychuk, der Ryan Kesler in Spiel 2 umknockte - Vancouvers Center läuft seitdem seiner bis dahin starken Playoff-Form hinterher. Oder Christian Ehrhoff, dem ausgerechnet Landsmann Seidenberg ordentlich zusetzte und der anschließend nicht mehr in die Partie zurück fand.

Und auch Vancouvers kongeniales Zwillings-Duo, die Sedins, bekommt Probleme, wenn es in den Spielen härter zur Sache geht. Eine deutliche Sprache sprechen dabei die gerade mal zwei Scorerpunkte, die die beiden bislang gemeinsam in den Finals sammeln konnten.

Juliens goldenes Händchen

Zwei Spiele in Boston, zwei deutliche Siege für die Heimmannschaft. Keine Frage, die Bruins sind derzeit heiß, haben das Momentum klar auf ihrer Seite. Die entscheidende Frage lautet nun, ob sie dieses auch in Kanada mitnehmen können. Denn klar ist: Verlieren sie Spiel 5, vielleicht sogar erneut unglücklich, dann könnte die Euphorie blitzschnell wieder erlöschen.

Dabei setzt Boston wieder auf das goldene Händchen von Coach Claude Julien, der in den letzten beiden Partien alles richtig machte: In Spiel 3 ersetzte er Fanliebling Tyler Seguin durch Shawn Thornton, der mit seiner verbissenen Spielweise dem Team die nötige Härte und Motivation verlieh. In der vierten Begegnung nahm Center Rich Peverley den Platz des verletzten Nathan Horton in Reihe eins ein und erzielte zwei der vier Tore seines Teams.

Für die kommende Partie wird sich Julien auch wieder etwas einfallen lassen müssen. Vor allem, da sich er und sein Goalie Tim Thomas auf deutlich offensivstärkere Canucks einstellen müssen: "Wir haben Thomas bislang zuviel Respekt gezollt. Wir schießen nicht häufig genug auf sein Tor", ist sich Vancouvers Verteidiger Kevin Bieksa sicher. "Er ist überwindbar. Die ganzen Playoffs über hat er Schüsse durchgelassen."

Vancouver, das neben Aaron Rome (Sperre) auch auf den verletzten Abwehrspieler Dan Hamhuis verzichten muss, wird, angetrieben durch die eigenen Fans, den Weg nach vorne suchen. Eine Taktik, der Dennis Seidenberg und seine Abwehr-Kollegen mit der zuletzt demonstrierten Härte und verbissenen Abwehrarbeit begegnen müssen.

Luongo gesetzt

Allem taktischen Geplänkel zum Trotz, wird der Fokus nach den letzten Partien zwangsläufig auf den beiden Goalies liegen. Während Tim Thomas zu absoluter Hochform auflief und von 79 Schüssen nur einen einzigen durchließ, verlief das Gastspiel in Massachusetts für Canucks-Goalie Roberto Luongo richtig bitter.

58 Schüsse bekam Luongo auf sein Gehäuse, ganze zwölf davon ließ er durch. In Spiel 4 musste er sogar in der 44. Minute vom Eis und wurde durch Backup Corey Schneider ersetzt. Trotzdem ist für Vancouvers Coach klar, dass sein etatmäßiger Starter auch in Spiel 5 von Anfang an auf dem Eis stehen wird: "Darauf könnt ihr wetten", erklärte Alain Vigneault unmissverständlich. "Roberto hat es drauf, ich vertraue ihm und er wird spielen. So einfach ist das."

Und auch Luongo präsentiert sich selbstbewusst: "Es sind die Stanley-Cup-Finals, da ist das Goalkeeping entscheidend. Wir haben zwei Spiele verloren und es steht 2-2. Uns fehlen also noch zwei Siege und wir haben Heimvorteil. So muss man das Ganze betrachten - wir können 3-2 in Führung gehen."

Was dem Goalie nun noch fehlt, ist ein starkes nächstes Spiel, um nicht in eine Krise abzurutschen. Starke Leistungen zeigt derweil Gegenüber Thomas am laufenden Band. Der Rückhalt der Bruins macht seiner Jobbezeichnung alle Ehre und ist der mit Abstand konstanteste Spieler in den bisherigen Finals.

Hortons Offside-Comeback

Während die Bruins voll auf ihren Goalie bauen können, müssen sie auf einen anderen verzichten: Right Wing Nathan Horton, der im ersten Drittel von Spiel 3 nach einem harten Treffer von Aaron Rome ins Krankenhaus transportiert werden musste. Der Stürmer wird seinem Team aufgrund einer Gehirnerschütterung für den Rest der Serie fehlen.

Nach dem 8:1-Kantersieg verriet Mark Recchi, dass die Verletzung dem Team zusätzlichen Antrieb verliehen habe und Horton seinen Anteil am Sieg hatte. Auch wenn der Stürmer seiner Mannschaft nicht auf dem Eis helfen kann, so kann er es zumindest abseits versuchen.

So geschehen auch nach Spiel 4, als er seinen Kollegen während der Ansprache von Claude Julien einen überraschenden Besuch in der Umkleidekabine abstattete. Nachdem er einige Worte an die Mannschaft gerichtet hatte, überreichte er die MVP-Jacke, die das Team zu seinen Ehren in seinen Spint gehangen hatte, an den zweifachen Torschützen Rich Peverley.

"Es war sehr emotional", erzählte Peverley. "Wir haben unser Bestes getan, um die Lücke zu füllen, die er hinterlassen hat. Es war eine echte Teamleistung." Und auch Tim Thomas war begeistert: "Ich war sehr, sehr froh, Nathan zu sehen. Ich hatte zwar gehört, dass er in Ordnung ist, aber als ich ihn persönlich in der Kabine sah, war ich unglaublich glücklich und es hat mir zusätzlichen Antrieb verliehen."

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