Raymond schwer verletzt: Nachdem Mason Raymond das Eis in Spiel 6 nur mit Hilfe seiner Mitspieler verlassen konnte, musste man Schlimmes befürchten, und genau diese Furcht hat sich nun als berechtigt herausgestellt.
Der flinke Winger der Canucks hatte sich nach wenigen Sekunden mit Bostons Johnny Boychuk verhakt und war nach vorne gebeugt in die Bande gedrückt worden. Ein unglücklicher Zusammenstoß, für den man Boychuk keine Schuld geben sollte. Der aber trotzdem katastrophale Folgen hatte.
Raymond erlitt offenbar einen Wirbelbruch und wird lange Zeit ausfallen. "Wenn er uns im November wieder zur Verfügung steht, wäre das eine sehr glückliche Fügung", so Canucks-GM Mike Gillis. "Die Ärzte im Krankenhaus waren und sind sehr besorgt um seine Gesundheit."
Wunder-Comeback von Hamhuis? So schlimm Raymonds Verletzung ist: Niemand fehlt den Canucks in der Finalserie so sehr wie Dan Hamhuis, ohne Frage der Top-Verteidiger des Teams.
Lange Zeit sträubte sich der Klub dagegen, die Verletzung des 29-Jährigen genau zu benennen - NHL-Brauch: In den Playoffs wird über Verletzungen nicht geredet. Inzwischen ist aber durchgesickert, dass er wohl einen Hodenriss erlitten hat.
Schmerzhafte Sache, davon kann man ausgehen. Und eigentlich eine, die eine gewisse Zeit braucht, um zu verheilen. Niemand hat in dieser Saison noch mit Hamhuis gerechnet.
Trotzdem macht Coach Alain Vigneault den Fans Mut, dass der Lokalmatador doch auflaufen könnte: "Schon möglich. Wir werden sehen." Ein Hamhuis-Comeback könnte Vancouver den letzten Kick geben. Oder will Vigneault einfach nur die Bruins ins Grübeln bringen?
Der letzte Auftritt von Recchi: Der 43-Jährige hat bereits angekündigt, dass er im Falle eines Stanley-Cup-Sieges seine Karriere beenden will. Aber kann sich irgendjemand vorstellen, dass Mark Recchi weitermacht, wenn die Bruins verlieren sollten?
Einen viel schöneren Abschied kann man sich doch kaum wünschen. Nicht nur, dass die Saison des Teams so oder so ein Erfolg war, Recchi hat sich mit seinen 3 Assists in Spiel 6 zum punktbesten Spieler der diesjährigen Finals aufgeschwungen und ist, von Tim Thomas abgesehen, eine der großen Stützen des Teams.
Auch wenn er nicht der schnellste Spieler auf diesem Planeten ist: Seine Erfahrung und Souveränität sind Gold wert. Nicht umsonst war er für SPOX zuletzt der Star des Spiels.
Bylsma setzt auf Boston: Dan Bylsma, Coach der Pittsburgh Penguins, war 2009 in exakt der gleichen Position wie die Bruins heute: Sechs Spiele hatte das jeweilige Heimteam gewonnen, in Spiel 7 sollte es anders laufen. Bylsma und seine Pens gewannen die entscheidende Partie bei den Detroit Red Wings und holten sich den Cup.
Das Gleiche erwartet er auch von Boston: "Sie sind überzeugt, dass sie in allen Spielen in Vancouver nah dran waren", so Bylsma. "Sie kommen in der Rogers Arena gut zurecht. Ich habe so ein Gefühl, dass Boston genau weiß, was es zu tun hat."
Ehrhoff oder Seidenberg: Noch ist Uwe Krupp der einzige deutsche Spieler, der jemals den Stanley Cup gewinnen konnte. Das wird sich sehr bald definitiv ändern. Denn zwangsläufig wird Christian Ehrhoff oder Dennis Seidenberg am Ende dieser Saison NHL-Champion sein.
Laut Krupp werde der Sieger damit automatisch zu einem "ganz anderen Spieler. In Nordamerika bist du dann ein Winner." Wieviel die beiden Deutschen im letzten Spiel leisten können, muss man jedoch abwarten. Vancouvers Ehrhoff ist schon seit einigen Spielen angeschlagen, Bostons Seidenberg musste in Spiel 6 zwischenzeitlich behandelt werden.
So oder so wären beide aber Botschafter für Deutschland - und in der Hinsicht in einem Atemzug mit einem NBA-Star zu nennen: "Natürlich muss man Nowitzki ein bisschen herausheben. Aber was die drei derzeit erreichen, schafft kein Politiker", so Krupp.
Einen Favoriten nennt der Noch-Bundestrainer nicht, aber eins lässt er sich nicht nehmen: "Ich bleibe stolz darauf, dass ich der erste deutsche Stanley-Cup-Sieger war."
Keine Party im Garden: Was beim NBA-Titelgewinn der Dallas Mavericks und den bisherigen Auswärtsspielen der Canucks Pflicht war, wird es in Spiel 7 nicht geben. Ein Sprecher des TD Garden erklärte, dass man sich aus Sicherheitsgründen dagegen entschieden habe, eine Party in der Arena der Bruins zu feiern und das Spiel in Vancouver auf der Leinwand zu zeigen.
Bürgermeister Thomas Menino gab an, dass man in der Innenstadt sehr gern ein Familienevent aufgezogen hätte. Aber weil das Spiel erst um 8 Uhr beginnt, würde das wohl nicht viel Sinn machen. Den Bruins-Fans bleibt also nur, auf Kneipen auszuweichen oder das Spiel privat zu schauen. Kann auch schön sein.
Finals ganz anders als Olympia: Ryan Kesler wurde gefragt, wie er seine ersten Stanley-Cup-Finals mit den Olympischen Spielen 2010 vergleichen würde. Seine kurze Antwort: "Ein entscheidender Unterschied ist, dass ich diesmal 18.000 Fans in der Arena hinter mir weiß, dazu die ganze Stadt und sogar ganz Kanada."
Das war bei den Winterspielen noch ganz anders. Obwohl die auch in Vancouver stattfanden, war Kesler eines der absoluten Hassobjekte. Weil er Amerikaner ist - und als solcher bei Länderspielen eben per se ein Todfeind.
"Die Spiele waren eine tolle Erfahrung, aber wenn man sich mit seiner Mannschaft ein Jahr den Arsch aufreißt und für den Erfolg arbeitet, dann ist der Stellenwert eines möglichen NHL-Titels schon ein anderer", hält Kesler die Stanley-Cup-Finals aber ohnehin für wichtiger.
Conn-Smythe-Watch: Es ist völlig egal, wie Spiel 7 ausgeht. Wenn Tim Thomas nicht mindestens 10 Tore kassiert, wird er der MVP der diesjährigen Playoffs werden.
Marchand muss sich vorsehen: Rookie Brad Marchand ist eine der Entdeckungen der Finals und der gesamten Playoffs, in denen er mit 9 Toren einen Franchise-Rekord für Neulinge aufgestellt hat. Auch in Spiel 6 trug er sich in die Torschützenliste ein. Gerade zu Hause fiel er aber auch oftmals mit Trash-Talk und kleinen Sticheleien gegen die Canucks auf.
Einige mögen es klug finden, Daniel Sedin in einer kurzen Auseinandersetzung mehrfach ins Gesicht zu schlagen: Psychokrieg gehört schließlich dazu. Behauptete jedenfalls NHL-Legende Mark Messier. Dass Sedin sich nicht dagegen wehrte, wirft sicher kein gutes Licht auf den Schweden.
Aber kommt Marchand viel besser weg? Auf die Frage, warum er sich Sedin gepackt hatte, antwortete dieser: "Ganz einfach: weil ich es wollte." Ganz schön forsch für einen Spieler, der in der NHL noch nicht viel geleistet hat. Und nachdem Marchand schon in Spiel 5 in Vancouver einen schweren Stand hatte, muss man davon ausgehen, dass es diesmal nicht leichter wird.
Gut möglich, dass sich ein gewisser Raffi Torres sein nächstes Opfer schon ausgesucht hat. Auf die Idee, jetzt auch noch Henrik bloßzustellen, sollte Marchand jedenfalls besser nicht kommen.
Statistiken: In der NHL-Geschichte gab es 15 Mal in den Finals ein 7. Spiel, zwölf Mal konnte dabei das Heimteam gewinnen. Ein kanadisches Team hat in bisher vier Anläufen noch nie ein 7. Finalspiel daheim verloren. Die Canucks haben sechs Heimspiele in Serie gewonnen.
Das gelang ihnen in der Regular Season zwei Mal, das siebte ging jeweils verloren. Boston wäre derweil das erste Team überhaupt, das innerhalb einer Saison drei Serien in sieben Spielen gewinnt (Montreal, Tampa Bay, Vancouver (?)); allerdings haben die Bruins noch nie ein 7. Spiel auswärts gewonnen.
So oder so werden sie Geschichte schreiben: Denn Tim Thomas fehlt nur noch ein Save, um alleiniger Playoffs-Rekordhalter der NHL-Geschichte zu werden (bisher gleichauf mit Kirk McLean, 761 Saves). Er wird allerdings mehr als einen brauchen, um die Auswärtsmisere der Bruins zu beenden: Boston hat fünf Spiele in Folge verloren und dabei nur 2 von 20 Power-Play-Chancen genutzt.
David Krejci, Mark Recchi und Michael Ryder, Topscorer der Finalserie (je 6 Punkte), haben auswärts zusammen nur 1 Tor und 1 Assist verbucht.
NHL: Die Playoffs auf einen Blick