Alles steht bereit. Die Fans sitzen schon lange nicht mehr, ungeduldig warten sie auf den erlösenden Moment. In einer der modernsten Arenen der Liga wartet der Captain, der einstige Top-Pick, auf die Pokalübergabe.
Dann ist es soweit: Er hält ihn in Händen. Das Ungetüm. Den heiligen Gral. Den Stanley Cup. Nach über 30 Jahren sind die New York Islanders wieder die beste Eishockey-Mannschaft der NHL. Wie bitte? Nein, die New York Islanders sind in diesem Satz kein Schreibfehler. Aber der Reihe nach.
Mit dem Ende der laufenden Saison 2014/15 geht für die Islanders eine Ära zu Ende. Dann verlassen sie das altehrwürdige Nassau Veterans Memorial Coliseum. Die Halle, in der man vier Stanley-Cup-Siege feierte, ist in die Jahre gekommen.
Ein neues Gefühl
Die neue Heimat befindet sich in Brooklyn, genauer gesagt im Barclays Center. Dort tragen die Brooklyn Nets ihre NBA-Heimspiele aus, die nächsten 25 Jahre nun also auch die Islanders. "Wir haben eine unfassbare Fanbase", so John Tavares. "Diese Saison im Coliseum zu sein ist unglaublich, jedes Spiel hat eine Playoff-Atmosphäre", fügt der Captain hinzu.
Dennoch soll der Umzug ein Neustart für die komplette Franchise sein, ein Teil einer neuen Zeitrechnung werden. Einer besseren Zeitrechnung. Denn so gut wie derzeit spielte eine Mannschaft der Islanders lange nicht mehr.
Es ist ein ungewohntes Gefühl für die Fans, die Tabelle von oben zu lesen. Mit den Pittsburgh Pinguins liefern sich Tavares und Co. ein Duell um Platz eins in der Metropolitan Division, derzeit trennen beide Team nur ein mickriges Pünktchen. Auch ligaweit hat man sich in den Top Ten festgesetzt, die Islanders klopfen ganz oben in der NHL an. Doch woher kommt der plötzliche Aufschwung in Uniondale?
Entlastung für den Captain
Ein entscheidender Faktor ist sicherlich, dass General Manager Garth Snow die Mannschaft gezielt verstärkt hat - und sich die Neuzugänge auch wirklich als Verstärkungen erwiesen haben. "Es ist das erste Mal, dass Snow die Möglichkeit hatte, mehr Geld auszugeben und das gut genutzt hat", ließ ein konkurrierender Manager verlauten.
Zwar sind die neuhinzugekommenen Forwards Nikolay Kulemin und Mikhail Grabovski nicht die großen Stars, die jedes Spiel zwingend punkten. Aber sie entlasten die Tavares-Reihe. Ein lange Zeit großes Problem der Islanders. "Sie haben eine große Ausgeglichenheit in ihren Reihen. Sie sind keine 'One-Line-Show' mehr", musste die Konkurrenz anerkennen. "Eigentlich ist Tavares der Schlüsselspieler, aber nun hat er viel Hilfe um sich herum."
Ein weiterer wichtiger Aspekt in der Transferpolitik des Sommers war die Verbesserung der Defense. Auch dort sind die Schachzüge von Snow bislang aufgegangen. Sowohl Routiner Johnny Boychuk als auch der junge Nick Leddy überzeugen mit einer stets positiven Plus/Minus-Bilanz. Dass sich beide dazu noch regelmäßig auf dem Scoreboard wiederfinden - für die Islanders umso besser.
"Immer da, wo er sein muss"
Die definitiv wichtigste Personalie im Defensivverbund steht allerdings im Tor. Mit Jaroslav Halak, der letzte Saison 40 Mal für St. Louis auflief, bevor er noch 12 Partien im Capitals-Jersey machte, kam vor der Saison eine neue Nummer eins nach New York.
Wie könnte es anders sein, lässt sich auch die Verpflichtung von Halak als Erfolg von Snow verbuchen. Zusätzlich stellte man dem Slowaken einen neuen Backup an die Seite, zusammen mit Chad Johnson bildet er bislang ein überzeugendes Goalie-Duo.
"Er ist ein beweglicher Torwart, der mit seinem Positionsspiel und seiner Fußarbeit immer in der Zone ist, in der er sein muss", hat Halak in seinem Backup einen Fürsprecher.
Lob erhält er aber nicht nur aus den eigenen Reihen, sondern auch von externer Seite. Für seine Leistungen in der letzten Novemberwoche wurde er von der NHL als "First Star of the Week" ausgezeichnet. Insgesamt war der November ein hervorragender Monat für die Franchise, satte elf Siege fuhren die Isles ein.
Tavares' Traum vom Stanley Cup
Halak durchbrach nebenbei eine alte Durststrecke. Erstmals seit 2006 schaffte es ein Islanders-Goalie wieder, sieben Spiele in Folge zu gewinnen. Drei davon waren Shutouts.
Zugleich erreichte die Mannschaft von Trainer Jack Capuano mit 17 Siegen aus 24 Spielen den besten Start in der Geschichte der Franchise. Ganz klar: Die Isles mucken auf. Die Isles machen sich wieder lautstark in der Liga bemerkbar. The Isles make some noise! Doch nur an einer klugen Einkaufspolitik liegt das nicht.
Einer der wichtigsten Bausteine ist Captain Tavares. 2009 wählte man ihn im NHL-Draft an Nummer eins. Mittlerweile ist der Kanadier einer der besten Spieler der Liga - den Islanders ist er trotz der niedrigen Chancen auf eine Playoff-Teilnahme stets treu geblieben. Jetzt scheint er für das lange Warten belohnt zu werden.
"Sie haben mich gedraftet und viel in mich investiert. Ich dachte mir, es wäre etwas ganz Besonderes, ein Teil davon zu sein, die Islanders zurück nach oben zu bringen", so der Center. "Am besten natürlich zurück in den Kampf um die Playoffs und hoffentlich auch in den Kampf um den Stanley Cup."
Youngster schaffen den Sprung
Der Stanley Cup also soll es einmal sein. Wer will es einem Ausnahmespieler wie Tavares verdenken? In der Tat stehen die Islanders inzwischen auch bei amerikanischen Experten auf dem Zettel, die Leistungen konstant über die Saison bestätigen müssen sie dennoch erst.
Und in der Postseason beginnt die Saison so und so noch mal von vorne. Es wäre für Tavares und die Islanders ja auch nicht die letzte Chance auf den großen Wurf. Das ist gleichzeitig ein weiterer Grund, warum es diese Saison so viel besser läuft.
Es sind die Spieler der Zukunft, es sind junge und talentierte Leute, die dieses Jahr einen Schritt nach vorne gemacht haben. Spieler wie Brock Nelson und Ryan Strome.
Beide sind noch jung (23 und 21) und gehen in ihre zweite NHL-Saison bei den Islanders. Und beide haben bereits jetzt ihre Punktezahl aus der kompletten letzten Saison erreicht, eine weitere Steigerung in den nächsten Jahren nicht ausgeschlossen. In wilde Träumereien will man rund um Long Island aber nicht verfallen.
"Auf diese Weise sehr erfolgreich"
"Ich sage immer, gehe von Tag zu Tag, von Spiel zu Spiel und denke nicht zu viel darüber nach, was noch alles vor dir liegt", gibt Halak ein Einblick in die Denkweise der Isles, die sich aber ebenso darüber bewusst sind, dass sie bei der Konkurrenz Eindruck schinden konnten. "Wir machen einige gute Dinge und wir glauben an uns", ergänzt Tavares.
"Man sieht eindeutig die Sicherheit, die wir dadurch haben. Diese müssen wir aufrechterhalten", scheint das einfache Erfolgsrezept für die nächsten Monaten zu sein. Das Team wirkt trotz der schweren letzten Jahre gefestigt. Oder gerade wegen der letzten Jahre.
Denn die Spieler nehmen sich selbst in die Verantwortung, wollen nicht wie letztes Jahr knapp die Playoffs verpassen. "Es geht um die Spieler und ihre Verantwortung", so Trainer Capuano.
"Die Führungsqualität, das ist für mich das Entscheidende. Wie sie miteinander umgehen und wie sie sich gegenseitig in der Verantwortung halten. Auf diese Weise kannst du sehr erfolgreich sein." Einen Erfolg, den sie sich so sehr herbeisehnen. Sowohl Fans als auch Spieler.
Aufbruch in eine neue Ära?
"Wir kennen die Geschichte des Vereins. Für viele Jahre waren es harte Zeiten", sagt Tavares über die weit zurückliegenden Stanley-Cup-Erfolge der Islanders. Erfolge, die sie nun zurücklassen.
Zurücklassen in der alten Heimat des Nassau Veterans Memorial Coliseum. Es ist aber auch ein Aufbruch in eine neue, moderne Halle, der die Islanders symbolisch in die nächste Ära führen soll.
Denn auf dem Eis scheinen gerade neue Zeiten anzubrechen. Noch ist zwar nichts erreicht. Aber man darf auf eine bessere Zukunft in Brooklyn blicken. Und wer weiß, ob und wann John Tavares den Stanley Cup in die Höhe recken kann.
Dann wäre auch endgültig klar, dass "das beste Team der NHL" und die "New York Islanders" in einem Satz wirklich kein Schreibfehler mehr wäre.
Der Kader der New York Islanders