Eine kurze Reise in die Vergangenheit. Wir schreiben das Jahr 1988 und die Edmonton Oilers sind mit ihrem Star-gespickten Team rund um Wayne Gretzky der unangefochtene Platzhirsch in der NHL. 1984, 1985 und 1987 konnten sich die Oilers den Stanley Cup bereits sichern, es folgten zwei weitere Titel 1988 und 1990. Im August 1988 schließlich wird Gretzky an die Los Angeles Kings abgegeben. Edmonton leitet damit das Ende der bis dato letzten großen NHL-Dynasty ein.
Zurück in die Gegenwart: Einmal mehr durften Blackhawks-Fans am Samstagabend die Toews-Kane-Show genießen. Nachdem Jonathan Toews Chicago im entscheidenden siebten Spiel gegen Anaheim per Doppelpack mit 2:0 in Führung gebracht hatte, besorgte sein kongenialer Partner Patrick Kane den Rest. Kane bereitete zwei der drei weiteren Blackhawks-Treffer direkt vor und half Chicago so zum Einzug in die Finals.
Während Gegner Anaheim, seines Zeichens immerhin Top-Seed der Western Conference, nervös wirkte und sein schnelles, physisches Spiel nicht aufs Eis bekam, zeigte sich Chicago von der gewohnten Crunchtime-Seite: Diszipliniert, fokussiert und auf den Punkt da.
Einmal mehr waren die Blackhawks ihrem Ruf gerecht geworden und basteln damit gegen Tampa Bay in den Finals weiter an der ersten Dynasty der Salary-Cap-Ära. Die Fans sollten die Zeit an der Spitze dabei möglichst ausgiebig genießen - wenngleich es Grund zur Hoffnung gibt.
Kontinuität gegen alle Regeln
Chicago wird zum dritten Mal in sechs Jahren in den Stanley-Cup-Finals spielen, ein neuer Rekord seit der Einführung der Gehaltsobergrenze 2005 infolge des Lockouts. Als erstes Team seit den Detroit Red Wings 1997 bis 2002 - wohlgemerkt vor den strengen Auflagen durch den Salary Cap - könnten die Blackhawks drei Titel in sechs Jahren gewinnen.
Es wäre eine bemerkenswerte Leistung unter Regeln und Vorgaben, die kontinuierlichen Erfolg möglichst minimieren: Zwischen 1976 und 1992 konnten nur sechs verschiedene Teams den Stanley Cup gewinnen. Von 1996 bis 2012 waren es zwölf verschiedene Klubs. Lange anhaltender Erfolg wird durch den Salary Cap extrem erschwert, Chicago aber kämpft tapfer gegen die Wahrscheinlichkeiten.
Geschmiedet im Draft
Den Weg dorthin ebneten die Blackhawks 2006 und 2007 im Draft. Zunächst schnappte sich Chicago mit dem dritten Pick Toews, ein Jahr später folgte Kane mit dem Top-Pick. Heute bilden beide das wohl beste Center-Winger-Duo der NHL und dominieren auch in diesem Jahr wieder die Playoffs: Kane steht in der laufenden Postseason bei je zehn Toren und Vorlagen, Toews bei derer je neun.
Die dritte Stütze im Bunde ist Duncan Keith, der gefährlichste Verteidiger der laufenden Playoffs mit 18 Scorer-Punkten in 17 Spielen und ebenfalls ein Blackhawks-Draft-Pick. "Man sieht, wie stark und wie entscheidend er sein kann, und was er für unser Team bedeutet. Vor allem in den großen Spielen", betonte Toews jüngst und Coach Joel Quenneville fügte hinzu: "Ich glaube, je mehr er spielt, desto effizienter ist er."
Zurück auf die "Spitze des Berges"
Es dauerte einige Jahre, doch spätestens 2009, als Chicago bereits im Conference Final stand, starteten die Blackhawks ihren Lauf als fester Titelkandidat. 2010 endlich hatte das Warten ein Ende: Toews, Kane und Co. bescherten der Windy City den ersten Stanley Cup nach 61 Jahren.
Und die Warterei sollte sich lohnen: In den vergangenen sieben Jahren beendeten die Blackhawks die Saison nie mit weniger als 97 Punkten und obwohl sie in einer harten Division spielen, schafften sie es jedes Jahr in die Playoffs - und oft bis tief in die Postseason. Es folgte der nächste Titel 2013 sowie das unfassbar packende Aus in den Conference Finals gegen Los Angeles im Vorjahr - für viele das vorgezogene Endspiel.
Alex Ovechkin: Das neue Wir-Gefühl
Doch bereits nach dem zweiten Cup-Sieg 2013 hatte Toews klargestellt: "Wenn du es einmal hoch auf die Spitze des Berges geschafft hast, bekommst du das Gefühl, dass es keinen Grund gibt, das nicht wieder zu schaffen. So weit zu kommen fordert Glauben und Können von dir. Den Titel zu gewinnen gibt dir ganz neues Selbstvertrauen. Du bist sicher, dass du Wege finden kannst, es wieder zu schaffen."
Mega-Verträge für Mega-Stars
In diesem Jahr aber schwingt eine gewisse Spannung unweigerlich mit, denn Chicago könnte bald die Konsequenzen des Salary Cap auch auf dem Eis zu spüren bekommen. Die neuen Achtjahresverträge über je 84 Millionen Dollar von Kane und Toews werden ab der kommenden Saison greifen. Mit insgesamt 21 Millionen Dollar werden beide dann den Cap belasten - das sind 30 Prozent des geschätzten Caps der kommenden Saison von rund 70 Millionen.
"Du kannst ohne großartige Spieler nicht gewinnen und es ist schwer, sie zu bekommen. Deshalb musst du sie behalten, wenn du sie hast", erklärte Geschäftsführer Stan Bowman einst. Dabei weiß er, dass die anstehenden Jahre durch die beiden Mega-Deals für ihn nicht einfach werden: "Es ist ein Puzzle, das wir zusammensetzen müssen. Das ist eine Herausforderung, aber ich freue mich darauf. Du musst die richtigen Teile zusammenbringen."
Für die Blackhawks dürfte es in jedem Fall der letzte Titelversuch mit der kompletten Kern-Zusammensetzung sein. Patrick Sharp etwa, der einst selbst nur verpflichtet werden konnte, weil er im starken Flyers-Kader nicht genügend Spielzeit bekam, dürfte kaum zu halten sein.
Blackhawks kennen den Drill
Gleichzeitig ist es keine unbekannte Übung für Chicago. Nach dem 2010er Triumph verließen unter anderem Kris Versteeg, der inzwischen zurück ist, Antti Niemi, Andrew Ladd, Brent Sopel, Ben Eager sowie im Folgejahr Troy Brouwer und Brian Campbell das Team. Die Blackhawks strauchelten - ließen sich aber dank ihres starken Kerns nicht unterkriegen und blieben an der Ligaspitze dran.
So müssen erneut vermehrt junge Spieler eingebaut werden. "Jedes Jahr müssen neue Spieler ins Rampenlicht treten und größere Rollen übernehmen", forderte Bowman weiter: "Für mich besteht kein Grund, warum ein neuer Spieler sich nicht beweisen und ein Schlüsselspieler werden kann. Die Jungs, die die große Last tragen, werden wieder da sein."
"Du brauchst etwas Glück"
Das wird auch in den Finals gegen Tampa Bay der Fall sein, wenn Chicago seinen Status als erste Dynasty der neuen NHL-Ära endgültig zementieren kann. "Wir sind letztes Jahr durch so viele Schlachten gegangen und sind so weit gekommen. Dann kurz davor zu scheitern war hart", gab Quenneville zu.
Weiter führte er aber aus, was Fans auch in Zukunft Hoffnung machen und den Weg zur Dynasty ebnen kann: "Wir hatten einige unterschiedliche Teams seit ich 2008 hierhergekommen bin. Aber der Kern hat jetzt schon viele Schlachten geschlagen. Ich bin in der glücklichen Situation, dass ich hier her kam, und das Team auf einem Schatz saß."
"Wenn sie den Titel in diesem Jahr gewinnen, können wir uns wirklich auf den Begriff "Dynasty" konzentrieren", gab Gretzky selbst vor der Serie gegen Anaheim zu: "Das wäre etwas ziemlich besonderes. Heute ist es schwerer, eine Dynasty zu formen. Deine Hausaufgaben was das Scouting angeht, müssen fehlerlos sein und sie scheinen da gute Arbeit zu leisten. Und du brauchst etwas Glück."
Nach dem starken Spiel sieben gegen Anaheim schließlich mahnte Kane allerdings auch: "Uns ist bewusst, dass keiner hier weiß, ob sich diese Gelegenheiten noch oft ergeben werden. Wir dachten auch, wir wären letztes Jahr so weit. Wir hatten ein starkes Team und haben es am Ende nicht geschafft. Deshalb ist es toll, dass wir jetzt zurück sind." Noch einmal wollen sich die Hawks den Titel nicht vor der Nase wegschnappen lassen. Tampa Bay stehen heiße Finals bevor.
Die Playoffs im Überblick