Der deutsche NHL-Star Dennis Seidenberg traf in der Nacht zum Freitag mit seinen New York Islanders auf die Stadtrivalen der New York Rangers. Im Interview mit DAZN sprach der 35-Jährige über seine erste Saison im Big Apple, den Umzug nach New York, seine Landsmänner Thomas Greiss und Leon Draisaitl sowie eine mögliche WM-Teilnahme.
DAZN: Herr Seidenberg, wie geht es Ihnen nach der 1:7-Pleite gegen die Toronto Maple Leafs?
Dennis Seidenberg: Den Umständen entsprechend gut. Solche Spiele gibt es einfach ab und zu. Bis zum dritten Drittel war es noch relativ knapp und wir waren an ihnen dran, dann sind wir einfach auseinandergefallen und haben nochmal vier Tore rein bekommen. Das Spiel müssen wir schnell vergessen, denn jetzt steht das nächste wichtige Match gegen die New York Rangers an.
DAZN: Auch wenn die Niederlage gegen Toronto bitter war, läuft die Saison bisher ganz gut für Ihre Islanders. Was läuft jetzt anders?
Seidenberg: Das Management hat unseren Head Coach Jack Capuano nach der ersten, enttäuschenden Saisonhälfte entlassen und unser Assistenz-Trainer Doug Weight hat das Amt übernommen. Er hat gar nicht viel verändert, wir spielen einfach besser und deswegen gewinnen wir auch mehr. Das macht natürlich Spaß.
DAZN: Sie sprechen die Entlassung Capuanos an. Wie war Ihre erste Reaktion? Schließlich hat er Sie ja in den Big Apple zu den Islanders geholt.
Seidenberg: Sowas ist nie schön. Er war ja auch beim World Cup of Hockey und hat mir zugeschaut. Ich weiß nicht, ob er oder der General Manager mich geholt hat, aber ein Trainer-Rauswurf ist schon ein komisches Gefühl und ein bisschen traurig. Aber so ist das Geschäft und man kann nun mal nicht eine ganze Mannschaft entlassen beziehungsweise auswechseln. Da sind die Coaches leider diejenigen, die dran glauben müssen.
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DAZN: Was ist Weight für ein Trainer-Typ? Ist er vielleicht nicht nur die Interims-, sondern die Langzeit-Lösung?
Seidenberg: Doug ist ein sehr positiver Mensch und macht einen sehr guten Job. Er versucht, eine gute Stimmung in der Umkleide zu verbreiten, sodass alle Spieler positiv sind. Wie gesagt, er macht nicht viel anders und hat vom System her nicht viel verändert, es ist fast noch dasselbe. Aber er scheint besser zu den Spielern durchzukommen, sie hören ihm besser zu und wir spielen konstanter. Die Konstanz ist das Wichtigste. Leider hat genau die uns gefehlt. Mit Konstanz gewinnt man Eishockey-Spiele.
DAZN: Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer eigenen Saison? spox
Seidenberg: Dieses Jahr läuft es recht gut. Es wird nur Zeit, dass ich mal ein paar Tore schieße (lacht). Das Letzte ist schon ein Weilchen her, aber im Großen und Ganzen kann ich zufrieden sein. Wichtig ist, verletzungsfrei zu bleiben.
DAZN: Zum Thema Verletzung: Im Match gegen Tampa Bay brach ein Puck Ihren Kiefer, nach drei Wochen standen Sie bereits wieder auf dem Eis. Wie war die Verletzungspause und der Heilungsverlauf für Sie?
Seidenberg: Das war echt mühsam. Mein Kiefer war fast drei Wochen unbrauchbar. Das bedeutete drei Wochen nur Flüssignahrung, das war echt unangenehm. Da muss man als NHL-Verteidiger einfach durch, auch wenn es keinen Spaß macht. Aber ich war ja relativ schnell wieder zurück. Das einzig Gute an der Verletzung war, dass man nicht so viel Reha machen muss wie bei einer Bänder-Verletzung oder einem komplizierten Bruch.
DAZN: Letztes Jahr wechselten Sie von Boston nach New York. Wie war der Abschied für Sie und Ihre Familie?
Seidenberg: Das war schon schwer. Wir haben immerhin sieben Jahre in Boston gelebt, meine Kinder sind dort groß geworden. Der Umzug war wirklich stressig, also eher fraglich, dass wir das nochmal machen (lacht). Aber uns allen gefällt es hier.
DAZN: Das klingt, als wollten Sie in New York bleiben. Ihr Vertrag läuft aus. Gab es schon Kontakt zum Management der Islanders oder von anderen Teams? Gibt es Interesse aus der Liga?
Seidenberg: Bisher habe ich noch nicht mit dem Management geredet. Ich hoffe aber, dass bald Kontakt hergestellt wird, um über eine Vertragsverlängerung zu reden. Momentan steht noch nichts aus. Ich hoffe, ein bis zwei Jahre dranhängen zu können.
DAZN: Sie haben bereits das Stadt-Derby gegen die Rangers angesprochen. Wie besonders ist das Spiel für Sie und das Team? Ist ein Unterschied bemerkbar?
Seidenberg: Für uns Spieler ist das im Endeffekt mehr oder weniger ein Spiel wie jedes andere, aber natürlich ist ein Duell zwischen den Islanders und Rangers auch immer etwas Besonderes. Auch die Fans sind richtig heiß darauf. Deshalb gibt es auch häufiger mal Rangeleien auf der Tribüne. Gegen die Rangers geht es schon zur Sache. Man spürt die Energie der Zuschauer, doch wir Spieler müssen einfach cool bleiben und natürlich versuchen, das Derby zu gewinnen. Das ist das Wichtigste.
DAZN: Also kann man sich auf gute Stimmung im Barclays Center freuen? Wie laut wird so eine Halle?
Seidenberg: Gute Stimmung ist zu erwarten. Als wir das letzte Mal gegen die Rangers gespielt haben, waren sogar mehr Rangers- als Islanders-Anhänger da. Keine Ahnung, wie das passieren konnte. Alles im allem ist das Barclays Center aber eher eine ruhige Halle. Sie wurde schließlich eher für Konzerte und Basketballspiele gebaut, aber gegen unsere Stadtrivalen wird die Arena schon laut.
DAZN: Seit dem Trainerwechsel läuft es wieder besser für die Islanders. Schafft Ihr Team den Sprung vom Tabellenletzten im Osten zum Playoff-Aspiranten?
Seidenberg: Auf jeden Fall rechnen wir mit den Playoffs. Wir sind nur ein paar Punkte außerhalb der Playoff-Ränge und wenn wir weiter so spielen wie im letzten Monat, haben wir gute Chancen. Das ist unser großes Ziel. Das Spiel heute Abend ist dafür besonders wichtig, da können wir zwei Punkte aufholen und weiter in der Tabelle klettern.
DAZN: Für Leon Draisatil läuft es derzeit in Edmonton auch nicht schlecht. Wie gut kennen Sie ihn? Was halten Sie ihm als Spieler und von seiner Spielweise?
Seidenberg: Persönlich kenne ich ihn kaum, wir haben uns nur einmal bei der Olympia-Quali Hallo gesagt, aber wir hatten leider nie so richtig Kontakt. Aber eines ist klar: Draisaitl ist brandgefährlich. Sein Speed, seine Geschwindigkeit und seine Fähigkeit, Schlittschuh zu laufen, sind einfach unglaublich. Er ist immer gefährlich, wenn er auf dem Eis steht.
DAZN: Schaut man sich als Deutscher die Spiele der Landsmänner an?
Seidenberg: Eher weniger. Ich schaue mir manchmal die Highlights an, aber ganze Partien kaum. Aber wie gesagt, er ist ein sehr gefährlicher Spieler, der das Eis extrem gut sieht und immer gefährlich ist.
DAZN: Was können Sie als alter NHL-Hase Ihrem jungen Kollegen auf den Weg geben?
Seidenberg: (lacht) Da muss ich ihm nicht viel mitgeben. Er weiß, was zu tun ist. Leon ist schon ein sehr guter Eishockeyspieler. Er muss einfach an sich glauben, positiv bleiben und weiterhin Spaß bei der Sache haben.
DAZN: Kommen wir zu einem anderen deutschen NHL-Spieler, den Sie sicher besser kennen: Was sagen Sie zur Entwicklung von Thomas Greiss?
Seidenberg: Thomas hat es in der NHL geschafft. Ich habe ja vorher nie mit ihm gespielt, aber seitdem ich vor ihm spiele, habe ich gemerkt, wie gut er ist. Er hält uns mit seinen Leistungen in wirklich vielen Partien und macht jedes Spiel unglaubliche Saves. Er ist definitiv ein ganz starker Spieler.
DAZN: Abseits des Eises gilt Greiss ja eher als ausgeglichener Zeitgenosse. Wie ist er auf dem Spielfeld?
Seidenberg: Ganz gelassen. Es gibt wenig, was ihn aus der Bahn wirft. Das ist genau die mentale Eigenschaft, die ein Torwart braucht und das macht ihn auch aus.
DAZN: Angenommen Sie haben diesen Sommer Zeit, denken Sie über eine Teilnahme an der Weltmeisterschaft 2017 in Köln und Paris nach?
Seidenberg: Auf jeden Fall denke ich darüber nach. Die erste WM, die ich damals gespielt habe, war ja in Köln. Das war ein großartiges Erlebnis. Die Fans waren unglaublich laut und haben uns förmlich vorangetrieben. Das will ich auf jeden Fall wieder erleben. Und wenn es hier mit den Playoffs nicht klappen sollte und ich gesund bin, warum nicht? Außerdem ist mein Bruder Yannic wahrscheinlich dabei, das kann ich mir nicht entgehen lassen.
DAZN: Ihr ehemaliger Teamkollege von den Bruins, Marco Sturm, ist seit 2015 Manager und Trainer der deutschen Nationalmannschaft. Gibt es Kontakt zwischen Ihnen und Sturm? Glauben Sie, er würde Sie mit nach Köln und Paris nehmen?
Seidenberg: Ich habe vor ein paar Wochen kurz mit ihm in Florida geredet. Darüber müssen wir gar nicht reden. Er weiß, wo er steht mit mir. Und wenn es hier nicht klappt, dann mit der WM.
DAZN: Zum Schluss nochmal zurück zur NHL: Dieses Jahr ist alles noch sehr offen. Wer ist im Titelrennen dabei und was sind für Sie die stärksten Teams der Eastern Conference?
Seidenberg: In unserer Konferenz ist meiner Meinung nach Washington die beste Mannschaft. Sie legen eine überragende Konstanz an den Tag und schießen einfach jedes Spiel fünf, sechs Tore. Danach kommt Columbus, die zwar offensiv nicht so stark sind, aber eben auch konstant sehr gut spielen. Am Ende fällt alles auf die Distanz zurück. Nach diesen ersten beiden Teams kann jede Mannschaft weit kommen - das Rennen um den Stanley Cup wird auf jeden Fall spannend!
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