Never bet against the house!

Robert Arndt
06. November 201713:23
Marc-Andre Fleury und James Neal sind die Säulen der Vegas Golden Knightsgetty
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Die Vegas Golden Knights sind als Expansion Team die Story zu Beginn der NHL-Saison. Mit wenig Erwartungen gestartet, mischt das neue Team die Liga auf. Dabei wollte die Franchise genau dies zunächst vermeiden.

Hockey kann keine Wunden heilen, doch es kann vergessen lassen. Am 1. Oktober erschütterte eines der schlimmsten Attentate der jüngeren amerikanischen Geschichte die Hauptstadt von Nevada. 58 Menschen verloren ihr Leben, Hunderte wurden teils schwer verletzt.

Dahin schien die Euphorie um das erste professionelle Sport-Team in der Stadt der Sünde, dem Spielerparadies, um welches die vier großen Ligen (NHL, NFL, NBA, MLB) über Jahrzehnte einen großen Bogen machten.

Schon vier Tage nach dem Anschlag absolvierten die Vegas Golden Knights bei den Dallas Stars ihr erstes Spiel. Die Spieler der Knights hatten gerade erst ihre Bleiben in Las Vegas eingerichtet, als das Attentat geschah. Nun hatten sie die Stadt verlassen müssen, obwohl sie doch helfen wollten. "Es war schwer", schrieb Verteidiger Deryk Engelland in einem Artikel für den Player's Tribune. "Wir wollten sofort wieder zurück und den Menschen helfen." Doch halfen sie auf ein ganz andere Art und Weise, mit einem überraschenden 2:1-Sieg.

"Ich bekam eine SMS von einem Feuerwehrmann nach dem Spiel. Er schrieb: 'Du glaubst gar nicht, was hier los ist. Alle haben euch siegen gesehen. Macht weiter so." Und das taten sie. #VegasStrong war auch bei den Heimspielen der Knights allgegenwärtig. Die Heimpremiere wurde gegen die Arizona Coyotes war emotional, voller Respekt und Zusammenhalt und obendrein auch noch erfolgreich (5:2).

Marc-Andre Fleury und James Neal sind die Säulen der Vegas Golden Knightsgetty

Vegas: Aus Versehen spitze

Von den ersten neun Spielen gewannen die Knights acht. Ein Rekord für ein Expansion Team und dazu völlig unerwartet. In den meisten Spielen schossen die Gegner deutlich häufiger auf das Tor, doch Vegas zeigte sich sehr effizient und überrumpelte die Gegner mehrfach mit schnellen und schnörkellosen Kontern. Sicherlich, die NHL wollte von Beginn ein wettbewerbsfähiges Vegas und so konnten die 30 anderen Teams weniger Spieler schützen, doch nachdem Vegas seine Truppe beisammen hatte, erwarteten viele Experten nicht viel von den Golden Knights.

General Manager George McPhee bat immer wieder um Geduld, wohl wissend, dass im Spielerparadies sich langsam etwas entwickeln solle. Denn: Vegas wollte vieles in dieser Saison, nur gewinnen zählte nicht unbedingt dazu. Das wurde schon im Expansion Draft deutlich, als McPhee einige gute Spieler nicht holte und stattdessen Deals mit Teams einfädelte, gewisse Akteure nicht auszuwählen. So wurden zahlreiche Picks gesammelt. In den nächsten drei Jahren haben die Golden Knights 28 (!) Auswahlrechte zur Verfügung. "Wir wollen wettbewerbsfähig sein, aber müssen auch langfristig denken", erklärte McPhee nach dem Expansion Draft.

Vegas: In der T-Mobile Arena eine Macht

So verwundert es nicht, dass mit Winger Reilly Smith nur ein Spieler länger als drei Jahre gebunden ist. Andere wie James Neal, der zu Saisonstart Tor um Tor schoss, oder Center Jonathan Marchessault könnten die Knights bereits nach der Saison wieder verlassen.

Umso erstaunlicher die Ergebnisse auf dem Eis. Natürlich waren auch gleich zwei Siege gegen die Arizona Coyotes dabei, die erst Ende Oktober ihren ersten Erfolg verbuchen konnten, doch auch Schwergewichte der Western Conference wie die St. Louis Blues oder Chicago Blackhawks mussten die T-Mobile Arena mit leeren Händen verlassen.

Vegas: Playoff-Hoffnungen

Zuhause haben die Knights erst ein Spiel verloren (6-1-0), was natürlich Fragen über das Verhalten der Gastmannschaften vor Spielen auslöste. Diskussionen um eine mögliche Vegas-Grippe machten die Runde. Blackhawks-Spieler Ryan Hartman wollte davon aber nichts wissen. "Es gibt sicher einige Spieler, die abends noch einmal Spaß haben, aber am nächsten Tag sind sie dann auch bereit für das Spiel."

Dennoch gingen die Auswärtsmannschaften regelmäßig als Verlierer vom Eis. 'Viva Las Vegas' von Elvis Presley hallte nach den Spielen durch das Rund - zuletzt wurden die Colorado Avalanche mit 7:0 nach Hause geschickt. Sogar Hoffnungen auf die Playoffs, vor der Saison noch undenkbar, sprießen. "Es ist natürlich noch früh in der Saison, aber wir werden weiter Gas geben", kündigte der Schweizer Luca Sbisa an. "Wenn wir so weitermachen wie bisher, haben wir auch eine Chance auf die Playoffs."

Der Fall Vadim Shipachyov

Doch nicht alles läuft wie gewünscht. Der russische Center Vadim Shipachyov wurde noch vor dem Expansion Draft aus der KHL verpflichtet. Auf ihm ruhten zahlreiche Hoffnungen, eines der Gesichter der neuen Franchise zu werden. Entsprechend wird der 30-Jährige auch mit 9 Millionen Dollar für zwei Jahre entlohnt. Die Realität zeichnete aber ein anderes Bild.

Shipachyov wurde zunächst zum AHL-Team geschickt und gab erst nach einigen Spielen sein Debüt für die Knights, in dem er prompt traf. Dennoch wurde er nach drei Spielen wieder nach Chicago in die AHL beordert. Nur: Der Russe meldete sich nie und wurde suspendiert. Nun ist klar, dass der Center nach Russland zurückkehren wird. Die Golden Knights und Shipachyov arbeiten an einer Vertragsauflösung. Angeblich konnte sich Shipachyov und seine Frau nicht einleben in der Wüste Nevadas. Die Enttäuschung über die reduzierte Rolle kam dann noch hinzu.

Golden Knights: Verletzungspech im Tor

Mit Goalie Marc-Andre Fleury wird dagegen weiter fest geplant. Der ehemalige Penguins-Spieler war in den ersten Spielen eine echte Bank im Tor und gewann Partien beinahe im Alleingang. Ein Verletzung bremste ihn jedoch aus. Blöd nur, dass McPhee wenige Tage zuvor Calvin Pickford zu den Toronto Maple Leafs getradet hatte. Eine merkwürdige Entscheidung, war doch Pickford der erste Spieler, den Vegas im Expansion Draft ausgewählt hatte.

Auch der als Ersatz verpflichtete Bruder von P.K. Subban, Malcolm, verletzte sich und so wurden die komplett unerfahrenen Oscar Dansk und Maxime Lagace aus Chicago hochgezogen. Zu allem Überfluss musste auch Dansk, der überzeugen konnte, gegen die New York Islanders (3:6) verletzt vom Eis. Mit Lagace steht nun also der Ersatz vom Ersatz des Ersatzes zwischen den Stangen.

Ein ungünstiger Zeitpunkt, sind die Knights doch nun auf einem langen Auswärtstrip an der Ostküste unterwegs. Nach der Pleite bei den Isles ging man im Madison Square Garden bei den Rangers erneut als Verlierer vom Eis.

Vegas: Arbeit an der Basis

McPhee wird das nur allzu recht sein. Nur nicht zu schnell zu gut werden. Das Projekt Vegas ist langfristig ausgelegt, die Erwartungen sollen weiter niedrig sein. Noch geht das gut, weil die Leute in Nevada zunächst froh sind, überhaupt professionellen Sport zu sehen. Das Hockey-Team ist die einzige Säule - zumindest noch. Die Raiders aus der NFL werden in der Zukunft auch nach Las Vegas ziehen, das könnte sicher aber noch ein wenig hinziehen, von 2019 ist die Rede.

Bis dahin werden die Knights weiter versuchen, eine Fanbase aufzubauen. Wenn die Heimspiele dabei weiter so bestritten werden wie zu Beginn, ist dies ein guter Anfang. Trotz Unkenrufen ist Vegas bisher eine Erfolgsgeschichte und bringt frischen Wind in die Liga. Wie heißt es so schön in der Spielersprache: Never bet against the house!