Leon Draisaitl senkte den Kopf, wollte das Unvermeidliche gar nicht sehen. 34 Sekunden vor Schluss war der Pass des deutschen Eishockey-Superstars beim Gegner gelandet, Mikko Rantanen lief auf das leere Tor der Edmonton Oilers zu - 2:4, die dritte Pleite im NHL-Halbfinale gegen die Colorado Avalanche war perfekt. Das Ende aller Träume vom Stanley Cup ist nahe.
"Sie sind ein gutes Team, sie machen eine Menge richtig", sagte Draisaitls kongenialer Sturmpartner Connor McDavid, "aber wir sind auch ein gutes Team, wir müssen Wege finden, Tore zu schießen und auch zu verteidigen." Nach dem wilden 6:8 und dem ernüchternden 0:4 in den ersten beiden Spielen der Best-of-seven-Serie in Denver zogen die Oilers auch im ersten Heimspiel in den entscheidenden Momenten den Kürzeren.
Draisaitls Fehlpass, als Torhüter Mike Smith zugunsten eines weiteren Stürmers das Eis verlassen hatte, war nur der letzte Fauxpas. Besonders bitter war das Siegtor der Gäste zustande gekommen: Edmontons Verteidiger Evan Bouchard traf den Pfosten, verlor Sekunden später an der Bande den Zweikampf gegen J.T. Compher, der von der Strafbank kam. Dann rutschte Goalie Smith der Puck durch die Beine.
Draisaitl seit zwei Spielen ohne Scorerpunkt
Dabei hatte die Partie für Draisaitl und Co. perfekt begonnen: Schon nach 38 Sekunden brachte McDavid die Oilers in Führung - mit dem schnellsten Halbfinaltor in der Klubgeschichte. Es war bereits sein 30. Scorerpunkt in den Play-offs; der Kanadier ist der erste Spieler, der diese Marke schon vor der Finalserie erreicht hat, seit "The Great One" Wayne Gretzky 1993.
Edmontons Klubikone hatte Draisaitl zuvor bereits mit einem NHL-Rekord überflügelt: In sechs Play-off-Spielen in Folge hatte der Kölner jeweils mehrere Torvorlagen gegeben. Seit zwei Partien ist er jetzt aber ohne Punkt. Vor dem nächsten Duell in der Nacht zu Dienstag (2.00 Uhr MESZ/Sky) soll bei den Oilers "die Verzweiflung auf einem Allzeithoch" sein, forderte Smith, nur so könne man "in dieser Zeit des Jahres gewinnen". Draisaitl setzt auf die Comeback-Qualitäten seines Teams: "Wir haben bewiesen, dass wir nach jedem Spielstand zurückkommen, viel Moral besitzen und nie aufgeben."
Erstmals im Halbfinale zum Einsatz kam für Colorado Nico Sturm. Der Augsburger spielte bei sieben Minuten Eiszeit aber eher eine Nebenrolle. Draisaitl stand mehr als dreimal so lange auf dem Eis - hat jetzt jedoch das Aus vor Augen, während Sturm nur noch einen Sieg vom Stanley-Cup-Finale entfernt ist.