Das filmreife Comeback des Sorgenkinds

Mona Barthel
© getty

Mona Barthel steht bei den Australian Open als Qualifikantin erstmals im Achtelfinale eines Grand-Slam-Turniers. Dabei stand im Vorjahr nach schwerer Krankheit ihre Karriere auf der Kippe.

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Für jemanden, der vor knapp einem Jahr "keine zehn Meter am Stück" gehen konnte, hat es Mona Barthel bei den Australian Open weit gebracht. Sehr weit sogar. Eigentlich unfassbar weit. Im Januar und Februar der Vorsaison mit einer mysteriösen, bis heute unerklärlichen Erkrankung ans Bett gefesselt, runde vier Monate aus dem Tennisgeschäft katapultiert, von Gedanken an ein jähes Karriereende geplagt, hat sich die Neumünsteranerin plötzlich zur einprägendsten Erscheinung im bisherigen Frauenturnier in Melbourne entwickelt: Aus dem Sorgenkind, der bitteren Patientin ist eine strahlende Siegerinnenfigur geworden, erstmals in ihrer Karriere - und als Höhepunkt eines filmreifen Comebacks - erreichte Barthel am Freitagabend das Achtelfinale eines Grand-Slam-Turniers.

Die Odyssee durch die Arztpraxen

Auf dem Centre Court in einer harten Prüfung für Körper und Geist gegen Lokalmatadorin Ashleigh Barty gefordert, behielt Barthel die Ruhe, machte schließlich die Big Points in einer umkämpften Partie und erstritt sich mit dem 6:3, 3:6, 6:3-Sieg eine sonntägliche Verabredung mit keiner anderen als der legendären Altmeisterin Venus Williams. "Ich kann's, ehrlich gesagt, nicht fassen", sagte die überwältigte Deutsche, "das ist unglaublich." Keine Frage: Barthels Rückkehrmission Down Under war die Wohlfühlepisode im schwarz-rot-goldenen Tennisaufgebot, eine Herz-Schmerz-Saga mit vorläufigem Happy End scheinbar aus dem Nichts.

Nicht zu vergessen: Barthel war als Nummer 181 der Weltrangliste noch gerade eben in die Qualifikation gerutscht und sich dann in drei Ausscheidungsspielen ins Hauptfeld durchgekämpft. Nun hatte sie bereits sechs Siege auf ihrem Haben-Konto, eigentlich ausreichend, um ein Grand-Slam-Finale zu bestreiten. Doch das Erreichen der Runde der letzten 16 wirkte bei der Pechmarie des deutschen Frauentennis schon jetzt wie ein persönliches Endspiel.

Und wie ein unerreichbarer Traum. Jedenfalls, wenn man es von einem Stichtag des vergangenen Spätwinters aus betrachtete. Da war an Tennisspielen, an irgendwelche Karriere-Höhenflüge nicht zu denken. Da war Barthel zunächst wochenlang ans Bett gefesselt, niedergedrückt auch von ständigen Schwindelattacken. Alle möglichen Ärzte untersuchten sie auf fast alles Mögliche, aber die Königsdiagnose gab es nicht. "Was es war, weiß ich bis heute nicht. Es war auch so hart, weil es keine geeignete Medikation gab", sagt Barthel, "ich wurde auf Krankheiten getestet, die ich selbst nicht kannte. Und von denen ich auch nichts wissen wollte. Ich habe da gar nicht im Internet nachgeguckt."

Erst bei den French Open, vier Monate nach den ersten Krankheits-Symptomen, nach langem Leiden und der Odyssee durch Arztpraxen stand Barthel bei den French Open auf dem Tennisplatz. Aber eigentlich musste sie bis zu diesen Australian Open warten, bis sie wieder in Form und Auftritt an die alte Mona Barthel erinnerte. An eine Spielerin, die das große Spiel besitzt, die mächtigen Schläge, die elegante Technik. Und die schon einmal auf Platz 23 der Weltrangliste stand.

Last der hohen Erwartungen

Oft litt Barthel unter den mächtigen, gewaltigen und überwältigenden Erwartungen, die mit ihren Talenten verbunden waren. Viele trauten ihr zu, die größten Erfolge dieser Tennis-Generation auf die Centre Courts zu zaubern, doch dem Druck hielt Barthel nie stand. Jetzt, wo kaum noch jemand von ihr Notiz nahm und wo sie selbst nicht viel von sich erwartete, passten die Puzzlesteine auf einmal wie magisch zusammen. Die 26-jährige spielt locker, lässig und gleichermaßen druckvoll auf, findet die richtige Balance zwischen Aggression und Kontrolle. Und sie spielt mit guten Nerven, so gut, dass auch Olympiasiegerin Monica Puig dem sanften Sturm und Drang der Deutschen in Runde zwei nicht gewachsen war.

Auch Christopher Kas, der ehemalige Profi, hat als frisch verpflichteter seinen Anteil an der neuen Hausse, seine unkomplizierte und doch fordernde Art scheint Barthel zu liegen. "Wir haben die genau richtigen Schwerpunkte im Training gesetzt. Und er hat die richtige Arbeitsdosis gefunden", sagt Barthel. "Ziemlich kaputt" war sie nach dem Sieg gegen Barty, die unberechenbare Australierin, aber nun freut sich Barthel auf mindestens einen Bonustag in Melbourne, gegen Venus Williams. Da, sagt sie, laute das Motto: "Du hast keine Chance, also nutze sie."

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