An etlichen Stellen gleicht die Anlage im Melbourne Park in diesen Tagen einer Baustelle. Der Happy Slam rüstet sich gut sichtbar für die Zukunft. Weil Stillstand auch in Down under Rückschritt bedeutet, lautet das Zauberwort: Modernisierung!
Auf bestimmte Traditionen wird man sich aber auch bei den Australian Open 2018 verlassen können. The same procedure as every year - gewissermaßen. Die noch lauwarmen Eiswesten jedenfalls liegen schon fein säuberlich sortiert in den Stadionkatakomben. Bereit für den Ernstfall, der hier regelmäßig eintritt. Auch die noch samtweichen Turnierhandtücher können binnen Minuten ihr blaues (Winter-)Wunder erleben und in der Hitze des Gefechts zu eisigen Überlebenskünstlern werden.
Kerber: "Das Wetter zum Freund machen"
Wenn am Montag im australischen Sommer das erste Grand-Slam-Turnier der neuen Saison beginnt, wird nichts dem Zufall überlassen. Doch Alarmstufe Rot wird es zumindest unmittelbar nach dem Startschuss noch nicht geben. Erst am kommenden Donnerstag soll das Thermometer im Bundesstaat Victoria auf 37 Grad Celsius klettern. Dann könnte die Extreme Heat Policy (EHP) zur Anwendung kommen. Matches werden unterbrochen, wenn der sogenannte WBGT-Faktor (Wet Bulb Globe Temperature), der sich aus der Temperatur, der UV-Strahlung, dem Wind und der Luftfeuchtigkeit errechnen lässt, die magische Grenze von 32,5 Grad Celsius übersteigt.
Angelique Kerber, Melbourne-Champion von 2016, hat mal ihr Geheimrezept in Sachen Aussie-Hitze verraten. "Man muss sich das Wetter zum Freund machen." Will heißen: Klagen hilft nicht. Mentale und körperliche Vorbereitung sind der Schlüssel. Zumal sich der wasserblaue Plexicushion-Belag auf den Courts auf bis zu 50 Grad Celsius aufheizen kann. Die Profis werden deshalb von den Physios in der Umkleidekabine darauf hingewiesen, wie sie sich bei den extremen Bedingungen zu verhalten haben. Unter anderem wird empfohlen, sich vor und nach dem Match zu wiegen, um so den Gewichtsverlust ausgleichen zu können. "Viele denken nicht an den Salzverlust, das kann zu Krämpfen führen", sagt der langjährige Turnierarzt Tim Woods.
Flip-Flop-Stimmung und Lichtschutzfaktor 50 als Gratisprodukt
Etliche Profis senken ihre Körpertemperatur vor dem Gang auf den Platz mit Hilfe der in den Umkleidekabinen stehenden Badewannen. Das Wasser ist dabei oft unter zehn Grad kalt. Wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass ein Sportler bei großer Hitzelänger durchhält, wenn er "unterkühlt" an den Start geht. Szenarien wie 2014 sollen vermieden werden. Damals gaben am zweiten Turniertag insgesamt neun Profis wegen der Folgen der damals herrschenden Hitze (bis zu 43,9 Grad Celsius) auf.
Selbst die Zuschauer auf dem Gelände am Yarra Fluss können sich den guten Ratschlägen auch bei der 105. Auflage des Events kaum entziehen. Die orangefarbenen Sonnencremetuben mit Lichtschutzfaktor 50 werden an den 14 Turniertagen gratis verteilt. Große Ventilatoren auf der Anlage bieten seit Jahren zudem die Möglichkeit, sich zu erfrischen. Dazu kommen die unüberhörbaren Ansagen im Minutentakt, die daran erinnern: Hut auf und genug trinken - sonst droht beim Happy Slam der gar nicht so lustige Hitze-Kollaps. Und dann ist für allzu leichtsinnige Sonnenanbeter auf einen Schlag die einmalige Flip-Flop-Stimmung beim ersten Major des Jahres dahin...!