Er leistete sich einen kapitalen Fehlstart, lag schnell 0:3 und 2:5 zurück. Er verzettelte sich auch, "frustriert und etwas wütend", in eine längere Diskussion mit dem irischen Schiedsrichter Fergus Murphy, es ging um einen verlorenen Challenge-Punkt Federers, der nicht öffentlich in der Rod Laver Arena angezeigt wurde. Doch trotz stotternden, holprigen, hibbeligen Starts war er wieder einmal nicht zu bremsen, der schier unverwüstliche Roger Federer, der ewige Maestro: 7:6 (1), 6:3 und 6:4 siegte er in der Abendshow des zehnten Australian-Open-Tages 2018 gegen Tomas Berdych (Tschechien), zog damit zum 14. Mal bei den australischen Grand Slam-Festivitäten ins Halbfinale ein.
Nichts Neues also Down Under, so lautete die über den Mittwoch hinaus führende Bilanz, denn auch im fünften Match zwischen Federer und Berdych in Melbourne hieß der Sieger Federer. Jetzt wartet in der Runde der letzten Vier mit dem Südkoreaner Hyeon Chung der Überraschungsmann des laufenden Major-Wettbewerbs auf Federer, ein Match, das es bisher auf der Tour noch nicht gab. "Ich hatte ihn noch nicht sehr intensiv im Blick bisher", sagte Federer, "aber es ist ja gut, dass frischer Wind mit diesen jungen Spielern aufkommt."
Favoritenrolle kein Problem
Chung und die beiden Protagonisten des anderen Halbfinales, der Brite Kyle Edmund und der Kroate Marin Cilic, sind nun die letzten Arbeitskollegen, die Federer noch auf dem Marsch zum 20. Grand-Slam-Titel stoppen können. Federer muss in dieser Konstellation als haushoher Favorit gelten, er, der letzte verbliebene Vertreter aus der jahrelangen Elitegruppe des Herrentennis. "Ich bin gewarnt. Jeder, der es soweit geschafft hat, ins Halbfinale, spielt derzeit großartiges Tennis", sagt Federer. Aber gleichzeitig fühlt er sich wie stets wohl in der Rolle desjenigen, der einem Grand Slam seinen Stempel aufdrückt und als Souverän auftritt. Es mache ihm nichts aus, als "klarer Titelkandidat" zu gelten, so Federer, "ich kann gut mit dieser Erwartung leben. Ich konnte es schon immer."
Noch sicherer als in der Vorsaison rückte er bis tief in die zweite Grand-Slam-Woche auf. Es gab kaum Nervenkitzel, kaum Drama bei Federers Auftritten, auch noch keinen Satzverlust. 2017, bei seiner Comeback-Mission, hatte er schon frühzeitig Probleme in Matches gegen den Österreicher Jürgen Melzer und den Japaner Kei Nishikori. Später musste Federer im Halbfinale und Finale noch über die volle Distanz von fünf Sätzen, gegen Landsmann Stan Wawrinka und gegen Matador Rafael Nadal. Nun aber sparte er sich womöglich noch die entscheidenden Kräfte auf, er scherzte im Center-Court-Interview mit Jim Courier sogar, der geringere Aufwand in den Partien sorge auch für "besseren Schlaf" bei ihm.
Zeitlose Leichtigkeit
Federer ist der älteste aller aktuellen Weltklassespieler. Und weiterhin auch der erfolgreichste, durchschlagskräftige der Ü30-Fraktion. Gegen Berdych begeisterte er ab dem zweiten Satz (in Durchgang eins hatte er auch zwei Satzbälle abwehren müssen) mit schwere- und zeitloser Leichtigkeit, verzückte seine Fans mit Traumschlägen. Berdych konnte einem gegen den langjährigen Spielverderber fast schon leid tun. Ernsthafte Gefahr ließ der Maestro nicht mehr zu, Spannungsmomente blieben: Fehlanzeige. Lange, lange musste Federer warten, bis er vor zwölf Monaten endlich den heiß ersehnten 18. Grand-Slam-Titel für sich verbuchte. Nun, bei den Australian Open 2018, kann er sogar schon Nummer 20 gewinnen. Alles spricht für ihn. Und sogar wenig dafür, dass dies dann der letzte Major-Coup wäre.
Federers Traumreise geht weiter, immer weiter.