Am Ende ging alles ganz schnell. Die Niederlage von Alexander Zverev, dem stolzen Rom-Champion, im Sand von Paris. Und danach auch die Erklärung, die Analyse des frühen Scheiterns: "Ich habe absolute Scheiße gespielt, das hat den Unterschied gemacht", sagte der 20-jährige Deutsche, als seine French-Open-Mission schon auf den ersten Metern zum Stillstand gekommen war- mit einer 4:6, 6:3, 4:6, 2:6-Erstrundenniederlage gegen den spanischen Veteranen Fernando Verdasco.
Zum Geheimfavorit war Zverev ("Alexander, der Große") nicht nur vom aufgeregten, berauschten Zeitungsboulevard ausgerufen worden, sondern auch von prominenter Konkurrenz wie Novak Djokovic oder Stan Wawrinka. Aber bei diesem härtesten aller Grand-Slam-Turniere musste er wie auch bisher bei den anderen Majors bitteres Lehrgeld bezahlen, noch immer wartet Zverev, der schwarz-rot-goldene Hoffnungsträger, auf einen Vorstoß in die zweite, alles entscheidende Woche eines der Topwettbewerbe. "Es ist bedenklich, wie ich gespielt habe, wie ich aufgetreten bin hier", sagte Zverev, "aber es ist auch keine Tragödie, es ist nicht das Ende der Welt."
"Die Niederlage hat nur mit mir selbst zu tun"
Allerdings fügte sich Zverevs Knockout ins Bild einer schwarzen deutschen Serie in Paris, einer Aneinanderreihung von kleineren und größeren Enttäuschungen. Gefühlt war das Abschneiden der Deutschen so niederschmetternd wie selten in den letzten anderthalb Jahrzehnten, noch schwerer zu verstehen als etwa das Roland-Garros-Jahr 2008, in dem einzig die Berlinerin Sabine Lisicki die zweite Turnierrunde erreicht hatte. 2017 aber war die DTB-Abordnung mit einer Weltranglisten-Ersten und einem der vielversprechendsten Perspektivspieler im Herrentennis nach Paris gekommen - um nun festzustellen, dass nicht nur fast alle Spielerinnen und Spieler aus dem Mittelstand ausgeschieden waren, sondern eben auch Angelique Kerber und Alexander Zverev, die Nummer eins des Damentennis und die Nummer zehn des Herrentennis.
Es war natürlich ein Symbolbild, als Zverev, der junge Hamburger, im vierten Satz der Überstunden gegen Verdasco (die Partie war am Montag abgebrochen worden) seinen Schläger auf der Pariser Hauptbühne zertrümmerte. Es war deswegen symptomatisch, weil Zverev selten bis nie in dieser Partie mit sich im Reinen war. "Die Niederlage hat nur mit mir selbst - und mit sonst nichts und niemandem zu tun", sagte Zverev später ziemlich uncharmant, so, als ob er sich ausschließlich selbst der wahre und einzige Gegner gewesen sei. Doch Verdasco, der weitgereiste Tennis-Nomade, hatte schon auch seinen Anteil an dieser mittelschweren Roland-Garros-Überraschung. Verdasco hat schon alle Großen im Circuit geschlagen, er hätte selbst das Potenzial für einen Grand-Slam-Sieg gehabt, aber auch er litt wie so viele Altersgenossen unter der Ungnade, in einer Generation mit Leuten wie Federer oder Nadal in der Tenniswelt umherziehen zu müssen. Einem wie ihm, einem Kraftbolzen und leidenschaftlichen Kämpfertyp und guten Techniker, will man gleichwohl auch jetzt nicht in der ersten Runde begegnen, jetzt, wo Verdasco bereits 33 Jahre alt ist.
In der Defensive gefangen
Was Zverev noch in Rom, bei seinem Siegerlauf, ausgezeichnet hatte, die hohe Aggressivität, der Dauerdruck auf seine Gegenspieler, die mentale Stabilität, das alles ließ er bei dieser heiklen Startprüfung fast stets vermissen. Zu oft stand Zverev zu weit hinten auf dem Platz, war in der Defensive gefangen, war der Getriebene, war dann auch mehr und mehr der Frustrierte. "Man spürt seine Unzufriedenheit auf Schritt und Tritt", sagte Experte Boris Becker bereits im ersten Teil dieses Zweiakters, am Montag, in den Sätzen eins und zwei. Zverev einigte sich da gegen dreiviertel Neun mit seinem Rivalen auf einen Abbruch bei Satzgleichstand, vielleicht war es ein Fehler in einem Moment, da er etwas besser ins Spiel gekommen war.
In der Verlängerung am Dienstag fiel Zverev in alte Fehler zurück, er wurde zu hektisch, verlor den kühlen, klaren Kopf. Verdasco rannte, ackerte, fightete, brachte immer noch einen weiteren Ball zurück - und irgendwann war es dann Zverev, der einen Fehler produzierte. Rasch geriet er auch im vierten Satz in Rückstand, kassierte das Break zum 0:2, wehrte sich kaum noch, als es bereits 2:5 stand. "Schlecht gespielt, ganz schlecht. Ich muss es abhaken, will jetzt in Monte Carlo erst mal abschalten", sagte Zverev später in einem TV-Gespräch. Die Deutschen in Roland Garros 2017 - das wird nun zu einem unwillkommenen Suchspiel.
Die French Open im Überblick