Die Miene von Dominic Thiem war nach seinem Achtelfinaleinzug von Paris ernst und traurig. "Da sieht man, dass es wichtigere Dinge im Leben gibt als Tennis", sagte der Weltranglistensiebte aus Österreich und war sichtlich bewegt vom Schicksal seines bezwungenen Gegners.
Der Amerikaner Steve Johnson (Nr. 25) hatte erst zwei Wochen vor Beginn der French Open seinen Vater verloren. Der 58-Jährige verstarb völlig unerwartet im Schlaf. "Es war unglaublich schwer für Steve, hier überhaupt zu spielen", meinte Thiem nach dem 6:1, 7:6 (7:4), 6:3 gegen Johnson.
Der Kalifornier vergaß trotz aller Trauer nicht, Thiem noch die besten Wünsche mit auf den Weg zu geben. Nicht nur für Johnson ist der letztjährige Paris-Halbfinalist ein ganz heißer Anwärter auf den "Coupe des Mousquetaires". Immerhin sechs seiner bisherigen acht Turniersiege auf der ATP-Tour hat Thiem auf Asche geholt.
Zwar verlor der 23-Jährige, der neben Kumpel Alexander Zverev (Hamburg) das Aushängeschild der "Next Generation" ist, in der Vorbereitung auf Roland Garros die Finals von Madrid und Barcelona gegen Rafael Nadal. Doch bei der Generalprobe in Rom knackte der "DomiNator" den spanischen Sandplatzkönig im Viertelfinale dann doch. Es war die erste Niederlage von Nadal nach zuvor 17 Siegen auf der geliebten "Terre Battue", die für ihn so etwas ist wie sein natürlicher Lebensraum.
Bodenständig trotz Nadal-Coup
Es überraschte keineswegs, dass von Thiem trotz dieses Coups und mit Blick auf die French Open keine forschen Sprüche zu vernehmen waren. Sein Motto gilt auch in den Tagen von Roland Garros: "Ich möchte jeden Tag ein besserer Spieler werden", sagte der angenehm bodenständige Niederösterreicher, der schon seit Jugendtagen von Günter Bresnik betreut wird.
Der ehemalige Coach von Boris Becker hatte schon früh erkannt, aus welchem Holz sein Schützling geschnitzt ist. Obwohl Thiem sich als Teenager über lange Zeit schlapp fühlte und sogar Blutspuren in seinem Stuhl entdeckte, sagte er niemanden etwas - aus Angst, mit dem Training aussetzen müssen.
"Körperlich und psychisch war diese Phase eine extreme Belastung für mich", berichtete er im Rückblick. Erst 2013 und nach drei qualvollen Jahren wurde eine bakterielle Darminfektion diagnostiziert, die sich Powerspieler Thiem wohl bei einem Turnier in Südafrika eingefangen hatte.
Traum vom großen Wurf
Dank seiner druckvollen Topspinschläge und seinen Kickaufschlag hat sich der Sohn von zwei Tennistrainern längst höchsten Respekt erarbeitet. Und natürlich träumt er auch vom großen Wurf. Dabei ist ihm ein Major-Coup wichtiger als die Spitze des Rankings: "Ich wäre lieber die Nummer drei mit Grand-Slam-Titel als die Nummer eins ohne", sagte Thiem der Bild-Zeitung.
Sein Herz gehört auch dem Fußball. Deshalb hat Thiem, ein eingefleischter Fan des FC Chelsea, den TFC (Tennis- und Fußballklub) Matzendorf gegründet. "Da will ich nach meinem Karriereende mal als hängende Spitze spielen", sagte der 23-Jährige, der in Paris aber erst einmal in die Fußstapfen seines Landsmanns Thomas Muster treten möchte. 1995 hatte der Linkshänder aus der Steiermark die French Open gewonnen.
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