Auch auf der Fifth Avenue, der Edelmeile im Herzen von Manhattan, ist Alexander Zverev in diesen Tagen omnipräsent. Im Shop eines Sponsors bildet das Konterfei des 20-Jährigen mit der wilden Mähne die perfekte Kulisse. Der Mann der Stunde ist en vogue.
Es hat den Anschein, als wolle New York gerüstet sein, wenn das passiert, was immer mehr Experten für möglich halten. Legenden wie John McEnroe und Mats Wilander trauen Alexander "Sascha" Zverev schon jetzt den Coup bei den am Montag beginnenden US Open zu.
Ausgerechnet der bislang einzige deutsche Flushing-Meadows-Sieger hält sich diesbezüglich etwas mehr zurück. "Es gibt keinen klaren Favoriten auf den Turniersieg", meinte Boris Becker 28 Jahre nach seinem Triumph im Big Apple und sagte: "Sascha hat konstant über zwei Jahre seine Leistung gesteigert, das ist sagenhaft. Alles andere wird man sehen."
Mit großem Selbstvertrauen ins Turnier
Becker, beim letzten und vierten Grand-Slam-Turnier der Saison als Eurosport-Experte und Head of Men's Tennis für den DTB im Einsatz, ist bemüht, Zverev den Druck von den Schultern zu nehmen. Diesen hat sich der Hamburger allerdings gerade in den vergangenen Wochen hart erarbeitet.
Mit seinen Siegen in Montréal und Washington, wo er nach eigener Einschätzung "das bisher beste Tennis meines Lebens" gespielt hatte, dominierte das personifizierte Versprechen des deutschen Tennissports die Vorbereitungsphase auf New York.
Und Zverev ist sich seiner Situation bewusst. "Ich weiß, dass ich momentan einer der besten Spieler der Tour bin. Ich gehe mit großem Selbstvertrauen in die US Open", sagte der Weltranglistensechste der Sport Bild. Aber er mahnt auch zur Vorsicht bei all der Euphorie: "Es wäre ein großer Fehler, zu weit zu schauen."
Fakt ist, dass Zverev nach den verletzungsbedingten Absagen von Titelverteidiger Stan Wawrinka (Schweiz), Novak Djokovic (Serbien), Milos Raonic (Kanada) und Kei Nishikori (Japan) als heißer Titelanwärter gehandelt wird. Der 1,98-m-Schlaks ist in Flushing Meadows an Position vier gesetzt - so hoch wie noch nie bei einem Grand-Slam-Turnier zuvor.
"Nächste Generation ist angekommen"
Besser rangieren nur der neue Weltranglistenerste Rafael Nadal (Spanien), der entthronte Andy Murray (Großbritannien) und Rekord-Grand-Slam-Gewinner Roger Federer (Schweiz), den Zverev jüngst in Montréal demontierte. Seine Sieg-Bilanz gegen Top-Ten-Spieler in dieser Saison lautet 6:5. Nur Federer und Nadal haben 2017 wie Zverev zwei Masters-Events gewonnen. "Die nächste Tennis-Generation ist angekommen", überschrieb die Vogue ihre Story über Zverev und den Österreicher Dominic Thiem (23/ATP-Nr. 8).
Zverevs älterer Bruder Mischa sieht einen großen Unterschied zwischen den Stars von heute und morgen. "Ich glaube, bei der vorherigen Generation mit Murray und Djokovic lag der Fokus auf der Perfektion", sagte Mischa Zverev: "Diese neue Generation mit Sascha und Dominic ist kreativer - und wilder!"
Und irgendwie würde es passen, wenn Zverev ausgerechnet beim mit einem Rekordpreisgeld von 50,4 Millionen Dollar dotierten Turnier der Durchbruch gelänge. Das Marketingkonzept seines Managers Patricio Apey ist global ausgerichtet, der Markt in den USA beziehungsweise in Asien viel wichtiger als der europäische.
Zverev weiß aber auch, dass er bislang bei einem Major noch nie über das Achtelfinale hinausgekommen ist. "Der nächste Schritt", erklärte er, müsse deshalb sein, "auch diese großen Matches bei einem Grand Slam zu gewinnen." Die Spiele über fünf Sätze, "das ist immer noch anders für mich. Aber vielleicht kann ich das schon bei den US Open ändern."