Zwei Turnierwochen lang ist Serena Williams in ihrer amerikanischen Heimat fast zur Säulenheiligen erklärt worden, als Ikone nicht nur des Sports, sondern auch im Kampf um Bürgerrechte, im Kampf um Gleichbehandlung der Geschlechter und Rassen. Und dazu noch als tennisspielende Mutter, die nach lebensbedrohlichen Komplikationen rund um die Geburt von Töchterchen Olympia vor einem Jahr nun ein starkes, wenn nicht heroisches Comeback inszenierte.
Hysterische Verehrung als Grund für schrille Reaktionen?
Vielleicht erklärt diese mitunter hysterische Verehrung auch die schrillen Reaktionen nach dem Serena-Gate im Damenfinale der US Open 2018. Ganz nach dem Motto: Wie kann, wie darf so etwas ausgerechnet dem Champion aller Champions passieren, einer der geflügelten Slogans, mit denen Leben und Wirken der 36-jährigen daheim beschrieben werden?
Die Essenz des Dramas ist dabei recht klar: Niemand, auch nicht die erfolgreichste Spielerin dieser Zeit, steht über oder jenseits der Regeln. Wer einen Schiedsrichter als Dieb oder Lügner bezeichnet, vor den geöffneten TV-Mikrofonen, der wird schlichtweg nach den Tennis-Gesetzen bestraft, da gibt es auch keinen Interpretations- oder Ermessenspielraum mehr. Wer die Sanktionen wiederum mit den brisanten, hochaktuellen Themenfeldern Rassismus und Sexismus in Verbindung bringt, überhöht den Vorgang aber mißbräuchlich. Oder sogar vorsätzlich.
Kritik am US-Tennisverband und der WTA
Bei alldem haben sich der ausrichtende US-Tennisverband und die Spielerinnenorganisation WTA einmal mehr nicht mit Ruhm bekleckert. Die amerikanische Verbandspräsidentin Katrina Adams verstieg sich bei der Siegerehrung neben der weinenden Gewinnerin Naomi Osaka zu der parteiischen Aussage, es sei nicht das Turnierende geworden, auf das man gehofft habe. Und die WTA kündigte in einem Statement nebulös an, eine Untersuchung zu den Vorfällen einzuleiten - ganz so, als müsse nun am Regelwerk herumgeschraubt und nicht etwa das unwürdige Verhalten von Serena Williams betrachtet werden.
Schade, dass Naomi Osaka ihren ersten großen Karrieretitel in diesen Irrungen und Wirrungen gewann. Wer sie an diesem Samstagabend spielen sah, hatte allerdings auch nur wenige Zweifel, dass es der erste und letzte Grand Slam-Sieg gewesen sein könnte. Osaka war gegen ihr Kindheits- und Jugendidol die bessere Serena. In jeder Beziehung.