Von Ulrike Weinrich aus Wimbledon
Drei Gründe, warum Kerber Williams besiegen kann:
+ Der Gedächtnis-Faktor: Angie hat Serena schon einmal Endspiel auf der großen Grand-Slam-Bühne geknackt: 2016 bei den Australian Open in der Rod-Laver-Arena in Melbourne. Das weiß Kerber - und das weiß Williams. Die Amerikanerin hat von ihren bislang 29 Major-Finals nur sechs verloren - eins davon eben gegen die Kielerin.
+ Der Fitness-Faktor: Kerber wirkt ausdauernd und perfekt austrainiert. In der Saisonvorbereitung hat sie hart mit ihrem neuen Fitnesscoach Rob Brandsma gearbeitet. Coach Wim Fissette legt Wert darauf, dass immer wieder Fitnessblöcke eingestreut werden. So wie zum Beispiel unmittelbar vor den Turnieren in Doha und zuletzt auf Mallorca. Auf ihre überragende Physis kann sich die 30-Jährige verlassen. Williams scheint nach ihrer Babypause in Sachen Fitness (verständlicherweise) noch Nachholbedarf zu haben.
+ Der Plan-B-Faktor: Angie hat im Gegensatz zu vielen anderen Spielerinnen nicht nur einen Plan in petto. Erstes Ziel ist es, selbst aggressiv zu spielen und vor allen Dingen mit der Vorhand Longline zu punkten. Klappt dies nicht, kann Kerber auf Plan B zurückgreifen. Die ehemalige Nummer eins ist eine der besten Defensivspielerinnen der Welt.
Ein Strauß Buntes zwischendurch:
+ Was Kerber gar nicht mag: "Muscheln und Austern. Das ist wabbelig, das würde ich nie runterkriegen. Ich mag auch keine Meeresfrüchte, aber inzwischen Sushi."
+ Was Angie mal vorhat: "Malen mochte ich schon immer. Egal, ob mit Wasserfarben oder Buntstiften. Vielleicht belege ich später mal einen Malkurs."
+ Was Williams für einen Starbucks-Tick hat: "Ich bestelle dort regelmäßig einen großen Vanilla-Soya-Latte - zuckerfrei und extra heiß. Meinen richtigen Namen gebe ich dabei nie an. Ich nenne mich dann kurz Sam."
+ Welcher böse Traum Serena lange quälte: "Ich stehe in einem Grand-Slam-Finale, bei den Australian Open - und muss dann plötzlich das Land verlassen. Ich schaffe es zwar irgendwie zurück, aber der Termin des Endspiels ist schon längst verstrichen. Es war lange ein wirklich schlimmer und wiederkehrender Albtraum. Es war sehr beunruhigend."
Ein bisschen Zahlensalat gefällig?
+ Williams, die Service-Queen: Sie hat bislang 90 Prozent ihrer Aufschlagspiele gewonnen. Wenn das erste Service kam, machte sie in 80 Prozent der Fälle den Punkt. Das sind die diesjährigen Turnierbestmarken in Wimbledon. In den bisherigen sechs Matches wurde Serena insgesamt 7 Mal gebreakt - Kerber im Vergleich dazu 16 Mal. Williams hat bislang 44 Asse geschlagen - die im Halbfinale ausgeschiedene Julia Görges führt diese Statistik mit 47 Assen (noch) an. Ihr härtestes Service war 196,3 km/h schnell - nur Schwester Venus (197,9 km/h) liegt in dieser Kategorie vor ihr.
+ Kerber, die Returnspezialistin: Sie führt das Klassement in puncto "ins Feld gebrachte Returns" an (88 Prozent). Sie hat als Rückschlägerin 47 Prozent der Spiele gewonnen - interessant: Der Turnierdurchschnitt liegt nur bei 32 Prozent. Angie hat ihren bisherigen sechs Gegnerinnen zusammen 29 Mal den Aufschlag abgenonnen - Williams hat das "nur" 21 Mal geschafft.
+ Kerber, die Kilometersammlerin: Sie hat beim Wimbledon-Turnier 2018 bislang zwölf Kilometer auf dem Platz zurückgelegt - Williams dagegen musste lediglich 6,3 Kilometer abspulen.
Wimbledon-Finale: Das sagen Angie Kerber und Serena Williams
+ Angie mit Blick auf das Finale gegen Williams: "Ich sehe einen Champion, wenn ich auf die andere Seite schaue. Serena und ich hatten in den letzten Jahren so viele großartige Matches gegeneinander. Sie treibt einen an die eigenen Grenzen heran. Du musst dein bestes Tennis spielen, das ist die einzige Chance, sie zu besiegen. Es war zu Beginn der Saison eines meiner Ziele, wieder in Grand-Slam-Finals zu kommen. Es ist ein großartiges Gefühl, es hier wieder geschafft zu haben."
+ Serena mit Blick auf das Finale gegen Kerber: "Sie spielt einfach so gut, ich muss bereit sein für das Match meines Lebens. Rasen ist ihr stärkster Belag, und es ist ihr zweites Finale hier in den letzten drei Jahren, das ist sehr beeindruckend. Außerdem ist sie unglaublich selbstbewusst. Glaubt mir, ich weiß, dass Angie da rausgehen und gewinnen will. Sie weiß sehr gut, wie man auf dem Centre Court spielt."
+ ...und das sagte Barbara Rittner im tennisnet-Interview "Ich hatte schon nach ihrem starken Saisonstart getippt, dass Angie in diesem Jahr Wimbledon gewinnt. Sie ist hier die beste Spielerin. Serena hat noch nicht wieder die Fitness, die sie einmal hatte. Aber das ist verständlich nach der Geburt ihrer Tochter im vergangenen September. Aber Williams hat sich gegenüber Paris schon wahnsinnig weiterentwickelt und einfach auf Rasen dieses durchschlagende Spiel. Sie lässt sich nicht auf lange Ballwechsel ein. Allerdings hat man gesehen, dass Serena im Viertelfinale gegen Camila Giorgi zu kämpfen hatte."
Und das Beste zum Schluss - unser Final-Tipp:
Sieg für Angelique Kerber in drei Sätzen.