Als Roger Federer kürzlich auf das Finale von Melbourne zurückblickte, auf den vielleicht denkwürdigsten Coup seines Tennislebens, da sagte er, es sei "auch eine Menge Glück im Spiel" gewesen. Das Glück, in "zwei, drei Momenten die richtige Entscheidung" getroffen zu haben. Auch das Glück, dass einige Bälle "knapp drin und nicht knapp draußen" gewesen seien.
Am Mittwochabend sah er den Mann wieder, gegen den er in der Rod-Laver-Arena die verrückte Aufholjagd des fünften Satzes mit dem 18. Grand-Slam-Titel gekrönt hatte, wieder stand Roger Federer seinem alten Freund und Weggefährten Rafael Nadal gegenüber - doch schärfer als zwischen dem Fünf-Satz-Marathon von Melbourne und diesem Duell beim Masters von Indian Wells hätte der Kontrast gar nicht ausfallen können.
Glück war dieses Mal ganz und gar nicht im Spiel, nicht in den flüchtigsten Spuren, es war eine einzige Machtdemonstration des 35-jährigen Superstars. Und jener 6:2,-6:3-Sieg gegen Nadal, er war auch ein neuer Höhepunkt auf Federers Comeback-Tour, bei seiner Rückkehrmission ins professionelle Tennis nach der Seuchensaison 2016.
"Ein wunderbares Spiel, ein wunderbarer Moment", sagte Federer später zu diesem bestaunenswerten Erfolg gegen Nadal. Denn, das darf nicht vergessen werden: Nadal ist der Spieler, gegen den Federer über lange Jahre die schlechteste Bilanz überhaupt hatte, der sogar so etwas wie der Angstgegner des souveränen Eidgenossen war. Doch nun hat Federer die letzten drei Spiele gegen Nadal gewonnen, auch dies eine Premiere, einen solchen Hattrick hatte er bisher nie im Kampf der Giganten geschafft.
"Ich stehe gerade erst am Anfang"
Federer bleibt das Phänomen dieser verblüffenden Tennis-Spielzeit. Ein wenig auch für sich selbst. Denn als er zuletzt in Dubai auftrat, in seiner zweiten Heimat, seinem Trainings- und Familien-Refugium, da klagte er durchaus vernehmlich über die "müden Knochen" nach der Australian Open-Gipfelbesteigung.
Er war außerordentlich gut gelaunt, aber ebenso schwer geschafft - auch wenn Melbourne, der Sieg gegen Nadal, schon drei Wochen zurücklag. Federer verlor dann auch in seinem zweiten Spiel gegen den 116. der Weltrangliste, den Russen Donskoy, und er sagte, er wisse nicht genau, wie die Eingewöhnung an den ganz normalen Turnier-Rhythmus in den nächsten Wochen verlaufen werde, in Indian Wells und in Miami. "Ich stehe gerade erst am Anfang dieses Comebacks, das darf man nicht vergessen. Das darf auch ich nicht vergessen", sagte Federer.
Und nun das, der nächste Aufreger für die Tennisfans, ein Spiel, das weltweit Gesprächsstoff liefert: Die Deklassierung Nadals in 68 Minuten, die Abfuhr des viele, viele Jahre härtesten Rivalen. Durch einen Federer mit meisterlicher Aggression und Entschlossenheit, einen Mann, der sein Glück und Heil in geradezu bedingungsloser Risikobereitschaft versuchte.
Der mit direkten Siegschlägen immer und immer wieder ein Stoppschild aufstellte, wenn längere, zermürbende Grundlinienduelle mit dem spanischen Matador drohten. Federer sagte dann auch kurzumwunden, was alle sahen und was er auch gar nicht mit Understatement belegen konnte: "Mir ist alles gelungen. Ich habe den absoluten Druck ausgeübt."
Jetzt gegen Exzentriker Nick Kyrgios
Nur einen Schönheitsfehler hatte das Ganze. Wenn sich Federer und Nadal sonst trafen auf dem Centre Court, dann war es fast immer ein Finale - und nicht die Runde der letzten Sechzehn, wie nun in Indian Wells. "Eigentlich hatte man nach diesem Match immer frei - nun geht es mit Volldampf weiter", sagte Federer.
Das war auch alles andere als eine Untertreibung, denn im Viertelfinale wartet nun der australische Exzentriker Nick Kyrgios auf Federer. Kyrgios, großer Entertainer, Riesen-Talent und Rüpel in einem, geht mit der frischen Empfehlung eines Sieges über Novak Djokovic in den Wüsten-Fight. Dass der Australier zuletzt nur verhaltensauffällig mit bemerkenswerten Siegen gewesen war, blieb Federer nicht verborgen: "Er hat eine große Karriere vor sich, wenn er sich auf das Wichtige und Richtige fokussiert."
So wie Federer das vor vielen, vielen Jahren auch gelungen war, in der heiklen Transformation vom Juniorenspieler zum Jungprofi. Er wisse, wie "schwer das alles ist", so Federer: "Du wirst erwachsen vor aller Welt. Das ist eine Herausforderung."
Das Turnier in Indian Wells im Überblick