Sein Bruder Alexander, sagt Mischa Zverev, könne manchmal "ein kleines Arschloch" sein. Das ist, nicht falsch verstehen, eher liebevoll gemeint, als Kompliment: Der jüngere hat dem älteren Bruder ja die Karriere gerettet, "Sascha ließ mir keine Wahl, wegen ihm spiele ich noch", sagt Mischa Zverev. Ein Grund: Die Brüder gehen sich gewaltig auf die Nerven. Im Training etwa treiben sich Alexander, 20 Jahre alt, Nummer 20 der Welt, und Mischa, 29 Jahre alt, Nummer 32 der Welt, regelmäßig zur Weißglut.
Mischa spielt besser denn je, weil ihn Alexander motiviert und dabei eben auch sein kann wie ein kleines ..., genau. "Er hat ja recht", bestätigt Alexander, halb überrascht, halb amüsiert, aber, "das ist bei uns gegenseitig so". Das heißt: Alexander wiederum profitiert bei seinem steilen Aufstieg in die Weltelite von Mischa. Genüsslich hat der ältere Bruder gerade in München berichtet, dass er "Sascha" vor einem Turnier den entscheidenden Satz im Training gewinnen lasse, damit der gut drauf sei. Alexander darauf: "Das ist so ein Arschloch."
Nur die Wahrheit bringt einen weiter
Die derben Umgangsformen erfüllen einen Zweck. "Wenn wir nett sind, dann ist das nicht die Wahrheit, und dann wird es nicht besser", erläutert Alexander Zverev. Will heißen: Nur, wenn sie weiter ehrlich zueinander sind und sich im Umgang miteinander nichts schenken, bringt sie das weiter. Das funktionierte zuletzt ganz gut. Mischa Zverev erreichte im Februar Rang 30 im ATP-Ranking und damit die beste Platzierung seiner Karriere. Alexander stand ebenfalls im Februar schon auf Position 18.
Mischa Zverev genießt die Gegenwart. Seinem Bruder gehört die Zukunft, für ihn ist die Gegenwart vorerst eine Durchgangsstation auf dem Weg nach oben. Gegenwart in dieser Woche sind die BMW Open in München, das kleine, aber stilvolle 250er-Turnier am Rande des Englischen Gartens. Alexander Zverev ist gerne gekommen, er habe "gute Erinnerungen" an das Turnier, er ist nun zum vierten Mal hier. Vor drei Jahren kam er als Nummer 756 der Rangliste, im Vorjahr scheiterte er erst im Halbfinale an Dominic Thiem (Österreich).
Bruder Mischa nicht als Trainer
Ab Mittwoch, wenn er auf der Anlage des MTTC Iphitos nach einem Freilos in der ersten Runde mit dem Achtelfinale in das Turnier einsteigt, will Alexander Zverev "wieder einen Schritt weiter kommen". Er wird ja schon als nächster deutscher Gewinner eines Grand Slams gesehen, allerdings ist es ihm ziemlich wurscht, was die Öffentlichkeit erwartet. "Mir ist relativ egal, was andere über mich sagen", betont er. Ein Grand-Slam-Sieg, ja, das sei selbstverständlich "mein Ziel, aber ich weiß, dass ich noch viel Arbeit vor mir habe".
Dabei wird er weiter auf die Menschen setzen, denen er bereits vertraut. Der Mutter, dem Vater, dem Fitnesstrainer und dem Bruder. Diese vier "spielen die größte Rolle", sein Team, betont Alexander, "wird sich nie ändern". Sein Trainer werde "immer mein Vater" sein, dass Mischa einmal diese Rolle übernimmt, "ist nicht der Plan". Alexander Zverev schließt allerdings auch nicht aus, "dass einer dazukommt", ein Coach, "das ist eine Möglichkeit". Um den nächsten Schritt tun zu können, braucht es bisweilen einen, der den Weg erklärt.
Das ATP-Turnier in München im Überblick