Von Christian Albrecht Barschel aus Halle/Westfalen
1993 hatten Gerhard und Ralf Weber eine Vision: ein ATP-Rasenturnier in der ostwestfälischen Kleinstadt Halle/Westfalen (21.000 Einwohner) ins Leben rufen. Die Familie Weber und ihr Umfeld wurden zunächst belächelt für ihre ambitionierten Pläne. In diesem Jahr findet die 25. Auflage der Gerry Weber Open statt, mittlerweile lächelt keiner mehr, stattdessen gibt es die größte Anerkennung und Bewunderung für das, was in Halle/Westfalen im Laufe der letzten beiden Jahrzehnte geschaffen wurde. Zum Turnierjubiläum haben wir 25 Dinge zusammengestellt, die man über die Gerry Weber Open wissen sollte.
1. Die Gerry Weber Open gingen aus dem Taifun Cup hervor, der in den Jahren 1991 und 1992 auf Sand gespielt wurde. Dies war ein Turnier der damaligen ATP Challenger Series. Beim zweiten Taifun Cup triumphierte Marc-Kevin Goellner mit Siegen im Halbfinale gegen Alex Corretja und im Finale gegen Thomas Enqvist. Ebenfalls mit dabei war der fast 40-jährige Sandplatzgott Guillermo Vilas, der in der ersten Runde gegen Lars Koslowski mit 1:6, 0:6 verlor.
2. Bei der Turnierpremiere im Jahr 1993 standen acht deutsche Spieler im Hauptfeld. Boris Becker und Michael Stich spielten lieber beim parallel stattfindenden Turnier im Londoner Queen's Club und trafen dort im Viertelfinale aufeinander. In Halle/Westfalen lief der amtierende Wimbledonsieger Andre Agassi auf, allerdings nach mühsamer Arbeit. Agassi hatte zunächst seinen Start zurückgezogen, doch ein Tag vor Turnierbeginn beantragte Agassi nach heftigen Werbungsversuchen der Veranstalter noch eine Wildcard. Agassi schied jedoch in der ersten Runde gegen Carl-Uwe Steeb aus.
3. Henri Leconte gewann die Turnierpremiere in Halle/Westfalen als Nummer 141 der Welt. Es war der neunte und letzte ATP-Titel für den Franzosen. Leconte ist jedoch nicht der Gerry-Weber-Open-Sieger mit der niedrigsten Weltranglistenplatzierung. Florian Mayer ging 2016 mit einem Protected Ranking an den Start und gewann den Titel. Mayer war zu diesem Zeitpunkt die Nummer 192 der Welt.
4. Bei der Premierenausgabe der Gerry Weber Open konnte am Mittwoch, 16. Juni 1993, wegen Regens nicht eine Minute gespielt werden. Die Turnierveranstalter fassten den Plan, dem Stadion ein wandelbares Dach zu geben. Nach zehn Monaten Bauzeit konnte das Dach in Betrieb genommen werden und feierte bei der zweiten Auflage im Jahr 1994 seine Premiere. Innerhalb von 88 Sekunden lässt sich das Dach schließen und gewährt dadurch einen reibungslosen Spielbetrieb, zumindest auf dem Centre Court. Zum Vergleich: In Wimbledon dauert es fast zehn Minuten, bis das Dach des Centre Courts vollständig geschlossen ist.
5. Jimmy Connors feierte 1995 in Halle/Westfalen seinen letzten Einzelsieg auf der ATP-Tour. Im Alter von 42 Jahren erreichte er das Finale und schlug zunächst Sebastien Lareau und dann Martin Sinner. Connors unterlag dann Marc Rosset, der das Turnier schließlich gewann.
6. Das Gerry Weber Stadion war dreimal Ausrichter einer Davis-Cup-Partie. Einen Monat nach der Turnierpremiere gab es 1993 die Viertelfinalpartie gegen Tschechien, die Deutschland mit 4:1 gewann. Das deutsche Davis-Cup-Team gewann in jenem Jahr zum dritten und bislang letzten Mal den Titel. Ein Jahr später fand erneut das Viertelfinale, diesmal gegen Spanien, im Gerry Weber Stadion statt. Deutschland siegte mit 3:2. 2006 wurde das bislang letzte Mal eine Davis-Cup-Partie in Halle/Westfalen ausgetragen, diesmal nicht auf Rasen, sondern auf Hartplatz. Deutschland unterlag Frankreich mit 2:3.
7. Halle/Westfalen ist eine Wohlfühloase für die deutschen Spieler. Bei 24 Ausgaben gab es siebenmal einen deutschen Triumph. Tommy Haas gewann das Turnier zweimal (2009, 2012). Am überraschendsten war der Sieg von David Prinosil, der im Jahr 2000 mit einer Wildcard den Titel holte. Zweimal gab es ein deutsches Finale. Im Vorjahr zwischen Florian Mayer und Alexander Zverev und 2011 zwischen Philipp Kohlschreiber und Philipp Petzschner.
8. Bislang haben 20 Grand-Slam-Sieger bei den Gerry Weber Open aufgeschlagen, darunter 14 Spieler, die auch die Nummer eins der Welt waren. Andy Murray ist der prominenteste Spieler, der noch nie in Halle/Westfalen spielte. Dies ist allerdings auch verständlich, findet doch parallel das Rasenturnier in Murrays Wohnort in London im Queen's Club statt. Die ehemaligen Weltranglisten-Ersten Ivan Lendl und Stefan Edberg traten später im Rahmen der Champions Trophy in Halle/Westfalen an.
9. Apropos Champions Trophy: Das Showdoppel ist seit Jahren fester Bestandteil des Turniers und findet am Samstag zwei Tage vor Hauptfeldbeginn statt. In diesem Jahr standen sich die Doppel Angelique Kerber und Thomas Muster und Barbara Schett-Eagle und Thomas Muster gegenüber. Für Kerber und Stich ist es bereits der vierte Teilnahme an der Champions Trophy. Höhepunkt der Champions Trophy war der Auftritt von Steffi Graf im Jahr 2011.
10. Auf dem Titelgewinn bei den Gerry Weber Open lastete lange Zeit ein kleiner Fluch. Bis 2002 erreichten nur drei Halle-Sieger in Wimbledon die zweite Woche. Henri Leconte (1993), Yevgeny Kafelnikov (1997) und David Prinosil (2000) kamen bis ins Achtelfinale. Von 1994 bis 1996 scheiterten die Halle-Sieger direkt im Anschluss in Wimbledon in der ersten Runde. 1995 erwischte es mit Marc Rosset und Michael Stich sogar die beiden Finalisten. Auch für Kafelnikov war 1998 in Wimbledon in der ersten Runde Schluss. Nicolas Kiefer (1999) und Thomas Johansson schieden in der zweiten Runde aus. Roger Federer durchbrach 2003 den Fluch, in dem er nach den Gerry Weber Open auch in Wimbledon gewann. Der Schweizer wiederholte das Double drei weitere Male. Seit 2011 sah es für die deutschen Gerry-Weber-Open-Sieger in Wimbledon nicht gut aus. Philipp Kohlschreiber (2011), Tommy Haas (2012) und Florian Mayer (2016) schieden in der ersten Runde aus.
11. Rafael Nadal spielte dreimal in Halle/Westfalen und gewann dabei nur ein Spiel. Bei allen drei Auftritten schied er gegen einen deutschen Spieler aus, 2005 gegen Alexander Waske, 2012 gegen Philipp Kohlschreiber und 2014 gegen Dustin Brown.
12. Zu Nadals erstem Auftritt gibt es eine amüsante Anekdote, die der langjährige Pressesprecher der Gerry Weber Open, Frank Hofen, im Jubiläumsprogrammheft wie folgt schildert: "Rafael Nadal, frischgebackener French-Open-Sieger, verlor in der ersten Runde gegen Alexander Waske. Backstage traf ich dann eine ziemlich atteaktive Frau, die niemand zuordnen konnte. Was sie denn hier mache, wollte ich wissen. "Ich bin von Onkel Toni beauftragt und die Dolmetscherin von Rafa", sagte sie. Wenig später saß sie bei der Pressekonferenz neben ihm auf dem Podium. Nadal gab lange Antworten auf Spanisch. Sie übersetzte, sagte aber immer nur einen Satz. Ziemliche Verwunderung bei allen. Später stelte sich heraus: Die Dame war ein glühender Rafa-Fan. Sie hatte sich als Journalistin akkreditiert, den allgemeinen Trubel um Nadal ausgenutzt und uns sozusagen an der Nase herumgeführt."
13. Seit 2007 haben die Gerry Weber Open ein Maskottchen, das gerne nach den Matches T-Shirts und Bälle in die Zuschauerränge schießt und für Unterhaltung auf der Anlage sorgt. Das Maskottchen ist ein Bär mit dem Namen Gerry Berry.
14. Zu Turnierbeginn der 20. Auflage der Gerry Weber Open im Jahr 2012 überraschten die Veranstalter mit einer ganz besonderen Ehre und Anerkennung für Roger Federer. Die Weststraße, die direkt vor der Turnierlage entlang läuft, wurde in Roger-Federer-Allee umbenannt. "Jetzt werde ich praktisch für immer hier sein", sagte Federer bei der Einweihung. Nachdem bereits Briefmarken in der Schweiz und Österreich das Konterfei von Federer zierten, war das Benennen einer Straße nach dem Schweizer ein Novum. "Es ist eine unheimlich große Ehre, dass hier in Deutschland jetzt eine Straße nach mir benannt ist. Die Deutschen waren den Schweizern da echt einen Schritt voraus", sagte Federer stolz. Die Roger-Federer-Allee ist 300 Meter lang.
15. Im Jahr 2001 fanden die Gerry Weber Open erstmals unter dem Motto Tennistainment statt. Neben dem Tennis gab es auch ein musikalisches Rahmenprogramm. Bei der Premiere sorgten die No Angels für großen Zuschauerandrang. In den letzten Jahren traten zahlreiche Top-Acts nach Spielschluss auf, darunter Sarah Connor, Juli, Unheilig, Revolverheld und Jan Delay.
16. "Tweener" gab es bei den Gerry Weber Open so einige. Der vielleicht spektakulärste wurde allerdings nicht von einem Spieler ausgeführt, sondern von Matthias Stach. Der allseits bekannte Eurosport-Kommentator bat Roger Federer im Jahr 2015 nach dessen Viertelfinalsieg zu einem kleinen Schlagabtausch am Netz und düpierte den "Maestro". Der "Tweener" von Stach wurde zum Renner in den sozialen Medien und war einer der meistgeklickten Artikel auf tennisnet.com.
17. Apropos Matthias Stach: Eine der amüsantesten und interessantesten Pressekonferenzen in der Turniergeschichte war die mit Roger Federer, bei der Stach die Leitung übernahm.
18. Seit 2004 verleihen die Gerry Weber Open den Medien-Award für herausragende journalistische Leistungen, an Medienschaffende, die dem Turnier ihren Stempel aufgedrückt haben. Der langjährige tennisnet.com-Redakteur, Jörg Allmeroth und tennisnet.com-Fotograf Jürgen Hasenkopf gehörten zu den Preisträgern.
19. Roger Federer war in seinem Halbfinalspiel gegen Kei Nishikori im Jahr 2014 so sehr im Tunnel, dass er sogar seinen Sieg nicht mitbekam. Im Tiebreak machte Federer den Punkt zum 7:4, doch anstatt zum Handshake zu gehen, ballte der Schweizer die Faust und ging zur Grundlinie zurück. Erst nach einigen Augenblicken und dem Blick zur Box erkannte Federer sein Missgeschick.
20. Philipp Kohlschreiber und Dustin Brown spielten 2014 im Viertelfinale den längsten Tiebreak der Turniergeschichte. Das gesamte Match dauerte 1:32 Stunden, der Tiebreak im dritten Satz dabei über 20 Minuten. Beide Spieler erzielten insgesamt 119 Punkte. Kohlschreiber setzte sich im hochklassigen Tiebreak mit 18:16 durch und wehrte fünf Matchbälle ab.
21. Ivo Karlovic ballerte sich bei den Gerry Weber Open 2015 zu einem Rekord auf ATP-Ebene. Der Kroate servierte bei seinem Sieg gegen Tomas Berdych 45 Asse. Das war Rekord für ein Hauptfeldmatch über zwei Gewinnsätze bei einem ATP-Turnier.
22. Rekordteilnehmer bei den Gerry Weber Open sind Roger Federer und Tommy Haas, die in diesem Jahr zum 15. Mal dabei sind. Federer kann nach dem Karriereende von Haas im nächsten Jahr alleiniger Rekordhalter werden.
23. Über 2,5 Millionen Besucher kamen bislang zu den Gerry Weber Open. Der Zuschauerrekord aus dem Jahr 1995 ist immer noch aktuell. Beim letzten großen Auftritt kamen insgesamt 112.000 Zuschauer zum Turnier. In den letzten drei Jahren wurde die Bestmarke nur um wenige hundert Zuschauer verfehlt. Klappt es in diesem Jahr mit einem neuen Zuschauerrekord?
24. Rasentennis ist immer eine schnelle Angelegenheit? Denkste! Vor allem nicht bei den Gerry Weber Open. Mikhaily Youzhny und Yuichi Sugita bekämpften sich in diesem Jahr im Quali-Finale 3:35 Stunden lang. Das längste Match in der Turniergeschichte war es allerdings nicht. Cedrik-Marcel Stebe gewann 2011 in der ersten Runde gegen Leonardo Mayer mit 6:7 (6:8), 7:5, 7:6 (7:4) - nach 3:42 Stunden.
25. Und zu guter Letzt: 24 Millionen Grashalme wachsen auf dem Centre Court.
Das ATP-Turnier in Halle/Westfalen im Überblick