Freundeduell mal in ganz anderer Dramaturgie

Tommy Haas zeigte sich als empathischer Gewinner
© getty

Der MercedesCup in Stuttgart erlebte einen Tag, an dem in den Karrieren der Freunde Tommy Haas und Roger Federer alles anders war als sonst.

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Er kann diese verrückten Knalleffekte immer noch liefern, die Überraschungscoups, die kleinen und größeren Sensationen auf den Centre Courts. Auch 20 Jahre nach seinen ersten Gehversuchen als grüner Tennis-Lehrling im Tennisbetrieb ist Tommy Haas ein Mann, der in gewissen Stunden und an gewissen Orten das gewisse Extra hat - und der gut genug ist, selbst einen Meisterspieler und Freund wie Roger Federer (35) zu schlagen. Am Mittwochabend setzte er, der ewige Tommy, der 39-jährige Veteran, bei seiner sentimentalen Abschiedstournee über die internationalen Tourbühnen jedenfalls das bisher dickste Ausrufezeichen, in jenem Moment, da er den Schweizer Maestro beim Stuttgarter Mercedes Cup mit 2:6, 7:6 (10:8) und 6:4 bezwang. "Eine irre Sache" sei das alles, fand Haas, "aber wenn an einem Tag alles zusammenpasst und der Körper hält, dann kann ich schon noch ganz gutes Tennis spielen." Und dann bekannte Haas offen: "Ich bin ein bisschen geschockt, was passiert ist. Das muss erst mal richtig ins Bewusstsein einsinken."

Ganz anders als sonst

Es war ein Tag, an dem in den Karrieren dieser beiden dicken Freunde mal alles ganz anders war als sonst. Haas ist ja der Spieler, der über die Tennisjahre am hartnäckigsten vom Pech und vom Schicksal gebeutelt wurde, jahrelang ist er verletzt gewesen, wurde fast ein Dutzend Mal operiert. Er war oft genug eher der Meister des Schmerzbewältigens, der Meister der werweißwievielten Comebacks. Früh in seiner Karriere hatte er große Erfolge, er gewann die Silbermedaille bei den Olympischen Spielen in Sydney im Jahr 2000, war schnell die Nummer zwei der Weltrangliste, doch genau so schnell kamen die ersten Verletzungen. Und dann immer neue Verletzungen. Haas konnte oft nur zusehen, wie die Konkurrenz an ihm, dem Dauerpatienten, vorbeizog. Auch Federer, das Talent aus der Schweiz. Er war, ganz anders als Haas, ein Glückskind der Tenniswelt, er blieb von Verletzungen lange, lange Zeit komplett verschont, erst in seinen Dreißigern, als er schon weit mehr als ein Dutzend Major-Titel gewonnen hatte, plagte ihn der Körper dann zusehends. Als Haas seinen Freund 2012 bei den Gerry Weber Open im Endspiel schlug, sagte Federer frank und frei und ehrlich: "Wenn ich nicht gewinnen kann, dann gönne ich es keinem anderen so wie Tommy."

Ihre Karrieren bewegen sich nun, noch einmal fünf Jahre später, auf die Ziellinie zu. Haas will nach dieser Saison Schluss machen, Federer gibt sich noch etwas mehr Zeit, 2019 könnte für den Maestro Schluss sein. Sein Spielprogramm hat er längst dosiert, nach Stuttgart kam er aus einer mehr als zweimonatigen Wettkampfpause, kein Wunder, dass ihm die fehlende Matchpraxis deutlich anzumerken war. "Du weißt einfach in vielen Situationen nicht, was du machen sollst. Aggressiver sein, vorsichtiger sein", sagte Federer. Aber für ihn gibt es auch keine Alternative zur Turnier-Diät, zum streng dosierten Einsatzkalender: "Der Körper braucht Ruhepausen, ich bin nicht mehr 25."

Federer zu passiv bei den Big Points

Eigentlich hatte die Partie gegen den drahtigen Haas für Federer perfekt begonnen, mit einem in 22 Minuten gewonnenen 6:2-Auftaktsatz. Doch als Haas nicht klein beigab, sich mit jedem Spiel steigerte, plötzlich auf Augenhöhe mitkämpfte, sogar einen Matchball abwehrte, zeigte der 18-malige Grand-Slam-Champion Schwächen da, wo er sonst seine größten Stärken hat. Im Spiel um die ganz großen Punkte, in dieser Nervenschlacht gerade auf Rasen, wo ganz wenige Ballwechsel das Geschehen total drehen und wenden können. "Ich war einfach zu passiv, habe nicht genug Druck gemacht", sagte Federer später, "es ist blöd gelaufen. Aber ich wusste immer, dass Tommy ein Risiko darstellt. Er hat das Tennis, um jedem große Sorgen zu bereiten."

Während nun Haas am Freitag in Stuttgart das Viertelfinale gegen Mischa Zverev bestreitet, richten sich Federers Hoffnungen bereits auf Halle, die Gerry Weber Open. Das Turnier ist eine seiner Wohlfühloasen im Wanderzirkus, ähnlich wie Wimbledon oder auch Dubai, er hat in Ostwestfalen bereits acht Mal gewonnen. "Es war keineswegs alles schlecht in diesem Spiel gegen Tommy. Ich bin optimistisch, dass es noch eine gute Rasensaison wird", sagte Federer, "vielleicht war es auch ein Dämpfer jetzt zur richtigen Zeit. Eine Erinnerung, was es alles braucht, um Titel zu gewinnen." Weil Haas von seiner Tochter Valentina während der Partie unermüdlich angefeuert worden war, hatte Federer nun auch schon im Spaß die mögliche Erfolgsformel für die kommenden Rasenprüfungen parat: "Nach Halle nehme ich zwei meiner Kinder mit. Und nach Wimbledon alle vier."

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