Die Stars vor der Linse: Tennisfotograf Juergen Hasenkopf im großen Interview

Juergen Hasenkopf
© Juergen Hasenkopf

Warum spielt Philipp Kohlschreiber fotogener als Alexander Zverev oder Roger Federer? Wie unterscheiden sich die Grand Slams aus Fotografen-Sicht? Und wie schlägt man sich als Einzelkämpfer gegen die großen Agenturen durch? Wir haben mit Tennisfotograf Juergen Hasenkopf gesprochen.

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Juergen Hasenkopf, 67, begann seine Karriere als Sportfotograf in Melbourne - und entdeckte dort seine Liebe zum Tennis. Nach Jahren in England und der Schweiz landete er in München, wo er auch heute noch lebt, für Zeitschriften und Onlinemedien fotografiert (unter anderem für tennisnet.com) und neben den großen Turnieren gerne auch die kleineren Events begleitet. "Wenn man nur Grand Slams sieht, nur Federer und Nadal, dann wird das irgendwann langweilig", sagt er.

Herr Hasenkopf, die French Open stehen an. Ein gutes Turnier zum Fotografieren?

In Paris auf die Außenplätze zu gehen, das ist tödlich. Es ist alles so eng geworden. Aber der Court Suzanne Lenglen ist toll: Dort können wir unten in der Verlängerung des Platzes fotografieren, in der "Pit", auf Beinhöhe. Das gibt super Fotos! Von dort fotografiert jeder gerne, weil es ein anderer Winkel ist, nicht nur Vorhand und Rückhand, wie man sie immer sieht. Wobei es auch gefährlich für uns ist. Eine Kollegin hat mal einen Ball abgekriegt und sich das Jochbein gebrochen. Bei einem anderen Kollegen wurde die Kamera getroffen - Totalschaden. Da muss man aufpassen.

Wie ist es bei den anderen Majors - wie steht man beispielsweise in Australien einen Tag durch, bei 40 Grad am Spielfeldrand?

Da hab ich Glück, ich mag das heiße Wetter (lacht). Aber viele Leute haben damit Probleme. Der "Happy Slam" ist ohnehin schon lange keiner mehr. Das ist ein Geschäftsmodell geworden. Turnierdirektor Craig Tiley kommt nicht aus dem Tennisbereich, er baut die Anlage aus, man kann sich kaum noch bewegen. Die Security ist dort fast am heftigsten. Seit der Messer-Attacke auf Monica Seles ist ohnehin alles schwieriger geworden. Früher konnte man frei herumturnen, mittlerweile sitzen alle auf einem Haufen und machen ähnliche Fotos.

Wie sieht es denn rein von den Fotos aus?

Früher war ich in Australien und habe die ersten Bilder in der Sonne bekommen. Mittlerweile haben die dort drei Dächer, und die guten Matches werden alle in die Night Session verlegt. Das Dach ist auch dann geschlossen, wenn es heiß wird. Eine Wettbewerbsverzerrung. Das Mittagslicht ist zudem das schlechteste Licht, das man kriegen kann - das ist "hartes Licht", da sind die Schatten extrem. In Wimbledon kommt bei Sonnenuntergang dieses schöne Abendlicht rein, da sieht man, wie der Staub fliegt, das ist toll! Aber die US Open mag ich mittlerweile am liebsten: Die Anlage ist schön groß. Ein Problem hier ist aber auch das neue Dach auf Arthur Ashe: Da liegt um 11 Uhr der halbe Court im Schatten und man kann nur von einer Seite aus fotografieren.

Es gibt bestimmt auch Unterschiede bei den Spielern. Sind manche Profis beim Spielen fotogener als andere?

Roger Federer ist schwierig zu fotografieren, weil er so tiefe Augen hat. Wenn er in Melbourne tagsüber spielt, wenn das Licht von oben kommt, sind die Augen schwarz. Und wenn man Federer überhaupt bei Tageslicht haben will, muss man schnell sein. Der wird vielleicht ein oder zwei Spiele draußen machen, danach kriegt er nur noch Night-Matches.

Gibt es noch andere Kandidaten, die Schwierigkeiten machen?

Jo-Wilfried Tsonga hat ein riesiges Problem mit den Fotografen. Beim Klicken der Kameras, da dreht er jedes Mal durch. Im Vorjahr in Melbourne, in der Margaret Court Arena, war abends geniales Licht von hinten, er hatte die Haare wild, das sah toll aus. Da haben alle drauflosgeballert, als er den Ball hochgeworfen hat. Er ist durchgedreht und fing an zu schreien. Das gab natürlich tolle Fotos (lacht). Normalerweise halten wir Tennisfotografen uns bei ihm zurück und versuchen, nicht beim Ballwurf abzudrücken. David Ferrer hat in Paris auch mal einen Ball in die Pit geschossen, glaube ich, weil ihn das genervt hat.

Gibt's auch Spieler, die aufgrund ihrer Technik oder Mimik beim Schlag komplizierter zu fotografieren sind?

Elina Svitolina reißt ihren Arm immer vor's Gesicht. Andere haben einen sehr schnellen Durchzug. Man muss sich immer neu einstellen. Aber wenn man viel Tennis fotografiert, checkt man das irgendwann. Problematisch sind auch Alexander Zverev, John Isner oder Juan Martin del Potro, die langen Kerle, die beidhändig von unten spielen und sehr aufrecht stehen. Da kriegt man nie ein Querformat - und das sieht nicht sehr elegant aus. Ich mag Leute wie Philipp Kohlschreiber, ein sehr dynamischer Spieler und nicht so groß. Auch Hyeon Chung oder Denis Shapovalov, die spielen schön kompakt.

Was ist mit Federer, bei dem alles so filigran aussieht - abgesehen von den Problem mit den Augen... Fotografieren Sie ihn gerne?

Eher nicht so. Der steht ja immer richtig. Er kommt nur selten in eine Stress-Situation. Da kann man nach zehn Minuten gehen, es wiederholt sich dann alles. Aber viele bleiben trotzdem sitzen, weil sie ihm beim Spielen zuschauen wollen.

Ärgert man sich manchmal, eine bestimmte Situation verpasst zu haben - einen Ausraster, eine Jubelpose?

Nee... Ich habe für mich früh entschieden, dass ich kein "News-Fotograf" bin. Agentur- oder Zeitungsfotografen müssen sowas haben. Zum Beispiel der "Becker-Hecht" in Wimbledon. Den hat ein Fotograf geschossen, der saß richtig - super gemacht. Von da an wollten alle Fotografen in dieser Lage sitzen, um einen Becker-Hecht zu bekommen. Ich hab gesagt: Leute, den gibt's doch schon, wieso wollt ihr den noch mal machen? Die Jungs, die für die Agenturen arbeiten, sind sehr gut, die sind geschult von den Reflexen, die sehen manche Sachen sofort, haben eine gute Antizipation. Ich wäre kein guter Nachrichtenfotograf, ich kann das nicht.

Dafür sind Sie ein Tennisexperte!

Ja, da bin ich besser als andere. Ich kenne die Spieler und weiß: Der sieht eleganter bei der Rückhand aus, der bei der Vorhand. In Stuttgart hat ein Fotograf mal ein Bild von Tommy Haas beim Aufwärmen gemacht - Tommy hatte noch einen Ball in der linken Hand. Sowas geht gar nicht. Das wissen einige Fotografen, die sich nicht gut mit Tennis auskennen, nicht. Wenn einer während des Spiels nichts hinkriegt, nimmt er oft ein Foto von der Aufwärmphase, und das sieht man.

Wie teilen Sie sich ein Turnier ein?

Bei einem Grand-Slam-Turnier weiß ich: Das geht über zwei Wochen. Von Montag bis Mittwoch muss ich alle Deutschen haben. Besondere Fotos gibt's da nicht: Da laufe ich von einem Platz zum anderen, knipse wild drauflos und gehe zum nächsten. Da kann ich nicht auf ein schönes Foto warten, sondern muss die Standardbilder für's Archiv haben. Es kam auch schon vor, dass ich Federer und Nadal verpasst habe, weil die in der zweiten Runde verloren haben. Die Bilder, bei denen ich etwas anderes versuchen kann, gibt's in der zweiten Woche, wenn ich alle Spieler habe, die ich brauche. Dann fotografiere ich von oben, mit Schatten, Mitzieher und Detailaufnahmen von den Schuhen. Oder die Fingernägel von Serena Williams.

Was ist mit einem wie Gael Monfils? Von dem gibt's ja immer spektakuläre Bilder.

Da haben die französischen Fotografen den Vorteil, dass sie die besseren Fotos kriegen - weil sie bei ihm sitzen bleiben. Wie ich bei den deutschen Spielern. Monfils macht immer Show für die Leute, springt über Stühle... In Wimbledon gab's mal ein tolles Foto, in Australien hat er das wieder gemacht: Er liegt quer in der Luft, Ball am Schläger. Das haben drei oder vier Fotografen geschossen, unter anderem Agenturfotografen. Und dann ist das sofort draußen. Getty sitzt mit acht Leuten bei Turnieren. Da kommt jemand auf den Platz, sammelt die Karten ein und gibt das sofort raus. Viele haben auch einen Sender an der Kamera und schicken das vom Platz. Da habe ich keine Chance. Daher bringt es nichts, sich zu ärgern, wenn ich ein Bild verpasst habe.

Kriegt man heutzutage für ein spektakuläres Foto noch mehr Geld als für ein normales?

Früher war das so. Durch die Agenturen mittlerweile... Die meisten Zeitungen und Magazine haben Getty-Verträge und kriegen die Fotos in ihrem Verteiler. Da könnte ich mit einem eigenen nichts anfangen, außer mich selbst zu freuen. Eine Kollegin kam neulich ins Pressezentrum, hat mir ein tolles Foto gezeigt und war so happy - aber die Agenturen hatten das längst rausgeschickt. Für mich ist es interessant, wenn ich Spieler für ein schönes Porträt kriegen kann. Philipp Kohlschreiber hatte ich in Melbourne mal vor einer Graffiti-Wand fotografiert, das ist überall gelaufen. Aber das sind Ausnahmen. Grundsätzlich sind Getty und Co. viel schneller, die kontrollieren den Markt. Da muss ich nicht dieselben Fotos machen. Durch meinen guten Kontakt zu den Spielern schaue ich, dass ich etwas anderes bieten kann.

Können Sie die Spieler persönlich anhauen, wenn Sie etwas außerhalb von Turnierfotos machen wollen?

Die bayerischen Spieler zum Beispiel kenne ich gut, wie Florian Mayer oder eben Kohlschreiber. Aber in den letzten zehn, fünfzehn Jahren, wo es mit Beratern losging... Da fragst du einen 16-Jährigen - und er muss seinen Manager um Erlaubnis bitten. Auch Sabine Lisicki kenne ich sehr gut, aber als ich mal wieder was mit ihr machen wollte, sagte sie, dass sie das nicht dürfe. Sie hätte eine Strafe vom Management bekommen. Die Agenturen wollen alles mitbestimmen, das war mir völlig neu. Aber so läuft das mittlerweile.

Wie ist die Konkurrenz-Situation unter Fotografen: Gibt es einen Ehrenkodex oder ist jeder auf sich allein gestellt? Speziell bei Siegerehrungen herrscht ja ein mächtiges Gedränge.

Da kämpft jeder für sich. Es gibt da einige Spezialisten... Aber darauf lasse ich mich nicht ein nach all den Jahren. Ich weiß aus Erfahrung: Ich krieg immer ein Foto. Und dieses Gewühl, speziell in Australien... die meisten wollen immer die mittige Position. Bei den US Open haben wir bei der Siegerehrung vorgegebene Plätze, da kriegen wir eine Nummer.

Eine Nummer?

Die wird auf den Platz geklebt. Aber oft ist es besser, rumzulaufen und zu versuchen, den Sieger in einem Bild mit seiner Flagge zu bekommen, anstatt im Pulk auf seinem Platz zu stehen und ein Foto zu machen, das jeder hat. Bei guten PR-Geschichten geht jemand mit einem Schild rum, das man anschauen soll. So kriegt jeder ein Foto mit Augenkontakt. Beim Tennis denken sich die Spieler wohl: Was ist das für ein Verein!? Dieses Geschreie und Getue ist peinlich. Die Nervosität steckt jeden an. Dabei ist das Pokalfoto nach zwei Wochen Turnier oft das unwichtigste.

Haben Sie mit Canon oder Nikon spezielle Kameraverträge?

Nein. Aber Canon waren die Ersten, die richtig in die Sportfotografie eingestiegen sind. Vor längerer Zeit hat in Australien mal Anna Kournikova gegen Lindsay Davenport gespielt. Ein Fotograf hat von oben runterfotografiert - und alle Kameras gingen in Richtung Kournikova. Fast alle waren in diesen grauen Canon-Farben. Das war riesige Werbung für die. Vor Jahren hat Canon mal eine schlechte Kamera gebaut, da sind viele abgesprungen. Mittlerweile hält sich das bei fifty-fifty. Aber für die Firmen ist das wichtig. Nikon hat schwarze Objektive, Canon hellgraue. Wenn die Sportfotografen eine bestimmte Kamera nutzen, wollen die Amateure das auch. Die Fernsehleute inszenieren oft etwas, halten auf den Fotografen und schwenken rüber auf die Spieler. Wenn da eine Canon-Linse im Bild ist, freut sich Canon natürlich. Verträge gibt es nicht, auch keinen Rabatt, wenn wir was kaufen. Aber Canon und Nikon sind bei den Grand Slams vor Ort, da kann man immer was leihen, reparieren lassen oder neue Modelle testen. Dieser Service ist toll - und gratis.

Wie viele Kameras und Objektive haben Sie selbst dabei?

Mittlerweile bin ich "Travelling light"-Fan. Allein schon wegen der Flüge. Handgepäck ist oft begrenzt auf sieben Kilo - ich habe mindestens das Doppelte. Das ist immer Stress. Und man macht sich den Rücken kaputt. Bei einem Grand-Slam-Turnier weiß ich, was ich fotografieren will und was ich brauche. Ich habe ein Teleobjektiv, außerdem ein 70-200er-Zoom zum Rumlaufen, als Porträtlinse oder für Interviews. Und ein Weitwinkel, um eine Stadionübersicht zu machen. Zudem habe ich zwei Kamerabodys: An einem ist die kurze Linse, am anderen die lange. Wenn ich auf dem Platz bin, mit der langen Linse fotografiere und der Spieler vor mir hinfliegt, muss ich schnell wechseln. Im Wimbledon-Finale 2013 wurde ich auf diese Plattform gelost, da habe ich mir eine 500er-Linse geborgt. Andy Murray ist nach seinem Sieg rumgetanzt wie ein Irrer - das gab eine tolle Serie!

Können Sie sich auch mal zurücklehnen und einfach Tennis genießen?

Ich bin mit Serve-and-Volley groß geworden, mit John Newcombe, Ken Rosewall, Roscoe Tanner - Leute, die heute gar keiner mehr kennt. Diesen Stil sieht man kaum noch. Aber im letzten Jahr bei den Australian Open, als Mischa Zverev gegen Murray gespielt hat - das war so schön anzuschauen. Da habe ich die Kamera einfach weggelegt... das hat richtig Freude gemacht!

Das Gespräch führte Florian Goosmann im Rahmen des Porsche Tennis Grand Prix in Stuttgart.