Kommentar zum Marathon-Fight Anderson vs. Isner: „Schafft Best-of-Five niemals ab!“

Von Lukas Zahrer
Anderson und Isner kritisierten nach ihrem Match das aktuelle Format in Wimbledon.
© getty

Kevin Anderson und John Isner haben sich am Freitag in Wimbledon einen epischen Kampf geliefert. Im längsten Grand-Slam-Halbfinale der Geschichte schlug der Südafrikaner seinen US-amerikanischen Gegner nach über sechseinhalb Stunden Spielzeit mit 26:24 im fünften Satz. Während beide Spieler nach der Partie lautstark die Sinnhaftigkeit des Best-of-Five-Formats anzweifelten, setzt sich tennisnet-Redakteur Lukas Zahrer für den aktuellen Spielmodus ein. Ein Kommentar.

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"Ich muss mich dafür entschuldigen, dass ich jetzt nicht enthusiastischer bin", sagte Kevin Anderson nach seinem größten Karriere-Erfolg auf Rasen. "Aber ich hoffe wirklich, dass dieses Match ein Zeichen für die Grand Slams ist, das Format zu überdenken."

Nur wenige Minuten nachdem er auf dem Center Court seinen langjährigen College-Rivalen John Isner bezwang, nutzte Anderson die Chance, im Interview mit der BBC seinem Unmut über den Spielmodus in Wimbledon kundzutun. Er sehe keinen zusätzlichen Nutzen, ein Match künstlich in die Länge zu ziehen. Daher sei ein Tiebreak, wie es etwa in den Matches bei den US Open üblich ist, die vernünftigere Option.

Auch der unterlegene Isner, seinerseits seit 2010 mit Nicolas Mahut Rekordhalter für das längste Tennis-Match der Geschichte, blies ins gleiche Horn, brachte aber einen alternativen Plan ins Spiel: "Die sinnvollste Option wäre bei 12 beide. Wenn einer seinen Gegner bis dahin nicht erledigt hat, lasst uns einen Tiebreak spielen. Es ist schon lange an der Zeit dafür."

Doch nach diesem epischen Match am Format zu rütteln, wäre ein Fehler.

Wimbledon: Marathon-Matches bleiben die Ausnahme

Die Grand Slams definieren sich durch ihr Best-of-Five. Selbst im Davis Cup verkürzt die ITF mittlerweile die Matches mit einem Tiebreak im Entscheidungssatz. Um Wimbledon-Champion zu werden, muss man aber innerhalb von 14 Tagen sieben Matches über das klassische Best-of-Five-Format gewinnen. Und das ist gut so.

Isner hat das eigentliche Dilemma nämlich bereits angesprochen: Ein Match bloß zu gewinnen, reicht eben nicht immer. Ein Major-Sieger darf in den frühen Runden nur wenig Kraft vergeuden, um in der entscheidenden Phase des Turniers bereit zu sein. Um den vermeintlichen Fitness-Level zweier Spieler vergleichen zu können, werden in späten Runden gerne die Zeiten verglichen, die die Kontrahenten bislang auf dem Platz verbrachten. Gewinnt man ein Match, benötigt dafür aber zu viele Kraftreserven, hat man einen Grand-Slam-Titel auch nicht verdient.

In Wimbledon 2018 gingen von den bisherigen 125 Matches exakt fünf in eine "Verlängerung". Bei den French Open waren es über das gesamte Turnier drei Partien, in der ein fünfter Satz auf zwei Unterschied ausgespielt wurde. Darunter auch die Erstrundenpartie von Marco Cecchinato, der danach sogar bis ins Halbfinale vorgestoßen war.

Marathon-Partien sind also keineswegs an der Tagesordnung, sondern nach wie vor etwas Besonderes.

Fünfsatz-Matches in der "Verlängerung" bei Wimbledon 2018

SiegerVerliererErgebnisRundeSpieldauer
Kevin AndersonJohn Isner7:6(6), 6:7(5), 6:7(9), 6:4, 26:24Halbfinale6:36 Stunden
Kevin AndersonRoger Federer2:6, 6:7(5), 7:5, 6:4, 13:11Viertelfinale4:17 Stunden
Jan-Lennard StruffIvo Karlovic6:7(5), 3:6, 7:6(4), 7:6(4), 13:112. Runde3:59 Stunden
Mackenzie McDonaldNicholas Jarry7:6(5), 5:7, 3:6, 6:2, 11:92. Runde3:35 Stunden
Ruben BemelmansSteve Johnson7:5, 6:3, 4:6, 6:7(0), 8:61. Runde3:50 Stunden

Best-of-Five-Format im Tennis liefert einmalige Dramatik

Dass der Aufruhr ob der Länge des Matches am Freitag so groß war, lag daran, dass es eben im Halbfinale, und nicht wie 2010 bei Isner gegen Mahut in der ersten Runde, zu einem wahren Marathon kam. Einige sogenannte Tennisfans forderten mehrmals: "Macht fertig, wir wollen Rafa sehen."

Im vergangenen Jahr, als etwa Nadal nach fast fünf Stunden mit 13:15 am Luxemburger Gilles Muller scheiterte, stellte keiner der beiden Spieler das Format in Frage. Die internationale Presse berichtete ausschließlich positiv über ein spannendes, episches Match, weil eben Nadal dabei war.

Die Dramatik solcher Partien bleibt unerreicht, in keiner anderen Sportart sorgt das Format über solch eine lange Zeit für so viele Gefühle und Emotionen. Bei der Partie zwischen Anderson und Isner hätte zu jedem Moment des zwei Stunden und 55 Minuten langen Entscheidungssatzes die ultimative Entscheidung fallen können. Wer sich hier auf schnellstem Wege das nächste Match herbeisehnt, ist kein Tennisfan.

Durch die geniale Zählweise des Tennis, die es auch Spielern, die weniger Punkte machen als der Gegner, möglich macht, ein Match zu gewinnen, ist für ausreichend Dramatik gesorgt. So kommt es alle paar Minuten zu einem Gamegewinn, ein Match ist laufend durch kleinere Höhepunkte übersät. Zum Satzende spitzt sich die Dramatik alle 30 bis 60 Minuten nochmals zu.

Das Niveau des zweiten Halbfinals zwischen Djokovic und Nadal war merklich höher - das ist unbestritten. Doch um an die Dramatik der Partie von Anderson und Isner ranzukommen, benötigt es wohl zwei weitere Sätze.

Deshalb meine Bitte: Schafft dieses Best-of-Five niemals ab!

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