tennisnet: Herr Merkel. Lassen Sie uns heute in die Zukunft blicken. Die ATP bewirbt die #NextGen, die WTA hat die Entwicklung, mal wieder, ein wenig verschlafen, auch wenn es dort die Rising Stars gibst. Wir spielen Wunschkonzert: Welche drei SpielerInnen würden Sie gerne in den kommenden Jahren coachen?
Mats Merkel: Olga Danilovic gefällt mir sehr gut.
tennisnet: Die bringt ja schon sehr gute Gene mit ...
Merkel: Stimmt. Der Vater war ein extrem guter Basketballspieler. Einer der Gründe, warum ich viel von ihr halte: Olga ist Linkshänderin. Ich glaube, dass eine gute Linkshänderin im Damentennis einiges an Schaden anrichten kann, siehe Angelique Kerber oder Petra Kvitova. Im Moment macht Alex Corretja einen fantastischen Job mit Olga. Die Frage ist, ob das weiterhin so Bestand haben wird. Olga steht um die 100, hat in Moskau das kleinere Turnier gewonnen, bei den US Open leider in der zweiten Runde der Qualifikation verloren. Ich mag die total, auch wenn sie eine absolute Cholerikerin auf dem Platz ist. Letztes Jahr habe ich ihr zugeschaut, da saß ich beim Alex - und Olga hat 6:1, 6:0 gewonnen, war aber mega pissed, weil sie ein Spiel abgegeben hat.
tennisnet: Braucht es diese Eigenschaft, um ganz nach oben zu kommen?
Merkel: Nein. Aber wenn Olga etwas ruhiger wird und lernt, sich zu kontrollieren, dann hat sie wirklich super Schläge, eine mega Biomechanik und gute Hebel. Und mit der Vorhand, Aufschlag kann sie sehr gutes Tennis spielen.
"Ivan Ljubicic muss viel mit der Mutter von Marta Kostyuk reden"
tennisnet: Ihre zweite Wahl? Es geht hier ja zu wie im Fantasy Draft für die NFL.
Merkel: Mein nächster Pick wäre Marta Kostyuk.
tennisnet: Da hat natürlich Ivan Ljubicic schon die Hand drauf.
Merkel: Das stimmt. Super Athletin, hat mich schon bei U-12- und U-14-Turnieren begeistert, als ich sie das erste Mal gesehen habe. Hat Les petites Aces gewonnen, eines der renommiertesten Jugendturniere, hat dann mit der Ukraine die World Team Junior Finals gewonnen. Marta ist eine tolle Wettkämpferin, muss jetzt aber mit jemanden arbeiten, der sie voran bringt. Sie hat sich den Ex-Coach von Lesia Tsurenko geholt, der bringt zum einen viel Erfahrung mit - und spricht auch dieselbe Sprache wie Marta. Ich kann mir vorstellen, dass das eine gute Kombination ist. Und natürlich mit Ivan als Berater im Hintergrund ist sie gut aufgestellt.
tennisnet: Worin liegen die Aufgaben von Ivan Ljubicic in dieser Phase der Karriere?
Merkel: Ein paar "Come to Jesus Talks", wie man im Englischen sagt. Hier und da den Kopf waschen, viel mit der Mutter sprechen, die Marta unterwegs ist. Weil für die Eltern ist es meistens das erste Mal, dass sie Kinder auf diesem Level begleiten. Das funktioniert dann oft nach dem Versuch-Irrtum-Prinzip. Da spielt die schlaue Turnierplanung eine Rolle, etwa, ob man vor einem Grand Slam ein Turnier spielen soll. Aber: jeder Spieler ist anders, muss seine eigenen Lösungen finden.
"Ich war schon immer ein Anhänger von Stefanos Tsitsipas"
tennisnet: Pick Nummer drei?
Merkel: Gehen wir zu den Herren. Ich war schon immer ein großer Anhänger von Stefanos Tsitsipas, der jetzt allerdings kein One-Hit-Wonder mehr ist. Den habe ich bei der Orange Bowl das erste Mal gesehen, da war Stefanos 16, der hat damals schon seinen einhändigen Return derart vor die Grundlinie gepresst, beeindruckend.
tennisnet: Tsitsipas ist als Wahl nicht erlaubt! Der steht schon Top 20.
Merkel: Gut. Dann Félix Auger-Aliassime. Der hat sich bei den US Open erstmals für ein Grand-Slam-Turnier qualifiziert, dann leider gegen seinen Kumpel Denis Shapovalov aufgeben müssen. Ich weiß nicht genau, welche Probleme Félix am Herz hat - es gab ja mal eine Phase, in der er weniger gespielt hat. Das tut mir für ihn in der Seele weh, aber Gesundheit geht natürlich vor. Für mich auch ein Spieler mit ganz, ganz viel Potenzial und auch Charisma.