Siegertyp mit kleinen Fragezeichen

Nicola Kuhn darf auf eine große Zukunft hoffen
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Nicola Kuhn hat sich vorerst für Spanien entschieden. Dies ist für das deutsche Tennis bedauerlich. Der Sport insgesamt darf sich indes auf die Zukunft des 17-Jährigen freuen. Wenn dessen Körper mitspielt.

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Von Jens Huiber aus Paris

6:7 (5) und 3:6 hat Nicola Kuhn also im Einzel-Endspiel der Junioren bei den French Open verloren. Andrei Popyrin, der lange Australier, der währen der letzten Tage einige Male mit Dominic Thiem trainiert hatte, ist seiner Favoritenstellung gerecht geworden: Popyrin war an Position drei gesetzt, Kuhn lediglich an elf. Das Turnier war für den Spanier mit deutschen Wurzeln dennoch eine Reise wert, im Vorjahr war er bereits eine Runde früher unterlegen. Das Finalduell auf Court 1 war das erste der beiden Nachwuchskräfte. Die Aussichten auf einen Sieg hatte Nicola Kuhn eigentlich als gut bewertet am Tag davor. Dass er im Anschluss mit seinem ungarischen Doppel-Partner Zsombor Piros das Doppel-Endspiel souverän gewonnen hat, macht ihn also doch noch zum French-Open-Sieger 2017.

Die Presseräumlichkeiten im Stade Roland Garros ähneln jenen etwa in Wimbledon oder im National Tennis Center in New York City: Es gibt einen großen Saal, dort erklären sich die Sieger mit klingenden Namen, die Verlierer ebenso. Dort trifft man im Laufe der Woche auch einige Legenden wieder, dass Gustavo Kuerten und Ana Ivanovic an ein und demselben Tag Hof halten - der Brasilianer noch dazu neben Stan Smith - darf als seltener Glücksfall gewertet werden. Wer nicht ganz zur Bel Etage gehört, wird in den Räumen 2 bis 4 verstaut, je nach Verfügbarkeit. Die Junioren aber kommen in der Regel nur an den Counter der ITF. Wer sich einen Gewinner zum Gespräch holen möchte, kann persönlich vorsprechen. Nicola Kuhn ist ein Gewinner. Auch wenn er gegen Popyrin verloren hat.

Der in Innsbruck geborene 17-Jährige, der einen deutschen Vater hat, strahlt eine bemerkenswerte Professionalität aus. Kuhn hat sich in früherer Jugend den deutschen Auswahlteams angeschlossen, eben seinem Vater zuliebe, wie er am Freitag nach seinem Einzug in das Endspiel erklärte. Nicht am Presse-Counter, Kuhn hatte plötzlich das Interesse einer ganzen Armada spanischer Journalisten geweckt, der Interview-Raum 2 war gut gefüllt. Englisch, Spanisch, Deutsch - im Zweifel auch Russisch: Nicola Kuhn hat keine Probleme mit der Kommunikation, seine erste Sprache ist die jenes Landes, in das er mit seinen Eltern drei Monate nach seiner Geburt gezogen ist: Spanien eben.

Ein Knacks

Womit Kuhn dieser Tage Probleme hat, ist sein Körper. Er habe viel, vielleicht zu viel gespielt, schließlich ist es in Paris eben auch im Doppel exzellent gelaufen. Schon in Wimbledon 2016 hatte er mit Schmerzen gespielt, damals waren feine Haarrisse in beiden Füßen diagnostiziert worden. Jetzt sei es die Hüfte, die aufmuckt. Auch der Rücken. Gegen Miomir Kecmanovic, den an Position eins gesetzten Serben, hatte es in seinem Rücken mitten im Match einen veritablen Knacks gegeben. Kuhn dachte, das war´s für heute, in Wahrheit hatte sich eine Blockade gelöst. Die Rückhand kann er dennoch nicht so spielen, wie er es gerne täte.

Zwei der vier Junior-Grand-Slams sind im letzten Jahr von Kanadiern gewonnen worden, Denis Shapovalov siegte in Wimbledon, Félix Auger-Aliassime bei den US Open. Beide haben daraufhin ihren Abschied von der Nachwuchsklasse genommen, gehen jetzt den beschwerlichen Weg in Richtung ATP-Tour. Nicola Kuhn hat diese Option in Erwägung gezogen, letztlich verworfen. Er wird in Wimbledon spielen. Nicht, weil er dort unbedingt auf den Titel losgeht - Kuhn möchte einfach ein paar Sachen ausprobieren.

Welt der Ich-AGs

Der Deutsche Tennis Bund könnte einen wie Nicola Kuhn gebrauchen. Dessen Entscheidung, in Zukunft für jenes Land anzutreten, in dem er praktisch seit seiner Geburt lebt, wird als nachvollziehbar beschrieben. Dass die Tür für eine Rückkehr offen stünde, ist aber ebenso klar. Alexander Zverev wird das deutsche Tennis während der kommenden Jahre schultern, dem Hamburger ist alles zuzutrauen. Unterstützung braucht er dazu in der Welt der Ich-AGs auf der Tour zwar nicht - für die Wahrnehmung des Tennissports und in sportlicher Hinsicht auch für das Davis-Cup-Team würde sich der DTB eine breitere Auswahlbasis sicher wünschen.

Daniel Altmaier wird einiges zugetraut, er hat jüngst in Genf erstmals das Hauptfeld eines ATP-Turniers erreicht. Rudi Molleker, der mit Nicola Kuhn vor drei Jahren den Nachwuchs-Davis-Cup für Deutschland geholt hat, spielte in Paris ordentlich, musste sich dem späteren Halbfinalisten Alejandro Davidovich Fokina indes schon in Runde eins geschlagen geben. Kuhn darf also (noch) nicht als Grand-Slam-Champion firmieren. Und kurz seine Wunden pflegen - Wimbledon ist fast schon in Sichtweite.

Hier die Ergebnisse der Junioren bei den French Open 2017

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