Es war ein spannendes Rennen vor der Entscheidung über die Zukunft des Davis Cups. Einige Verbände waren sich sogar noch bei der Ankunft in Orlando unsicher, ob sie für oder gegen die geplante Reform stimmen sollen. Schlussendlich setzten sich ITF-Chef David Haggerty und Unterstützer Gerard Pique mit ihren Plänen durch.
Man stelle sich nur vor, Roger Federer würde ganz nach dem Vorbild des Spaniers eine Umstrukturierung der Fußball-WM anstreben. Wobei, unvorstellbar, dass der Schweizer derart abstruse Vorschläge auf den Tisch legt. Vor allem, wenn er weder in die Fanszene noch in die Historie des Wettbewerbs Einblick hat. Umgekehrt scheint dies leider zu funktionieren.
Ursprungsidee zerstört
Etwas mehr als 71 Prozent stimmten schlussendlich für eine Umstrukturierung des Teambewerbs. Von nun an soll Ende November ein Turnier mit 18 Mannschaften an einem noch undefinierten Ort (Lille und Madrid sind die einzigen Kandidaten) auf ein und demselben Belag stattfinden.
Alles, was den Davis Cup ausgemacht hat, wird ihm nun genommen: die Wahl des Untergrunds, die Linienrichter aus dem eigenen Land und nicht zuletzt die hitzige Atmosphäre. All das musste man als Spieler wegstecken - doch gerade das hat den Wettbewerb ausgemacht.
Dass der traditionsreiche Davis Cup einer Reform bedurfte, lag auf der Hand. Aber ihn derart zu zerstören, wäre tatsächlich nicht nötig gewesen. Denn die Zuschauerzahlen waren nach wie vor hervorragend und immer wieder gab es einige Topspieler, die trotz der enormen Strapazen für ihr Land antraten. So gesehen bei Alexander Zverev oder Rafael Nadal, der sein Antreten für die Halbfinal-Begegnung gegen Frankreich bereits zugesagt hat und stattdessen aller Voraussicht nach auf den Laver Cup verzichten wird.
In der Vita jedes Topspielers
Für Novak Djokovic war der Erfolg mit Serbien im Jahr 2010 der Start zu einer unfassbaren Saison ein Jahr darauf. Roger Federer verzichtete zugunsten des Davis Cup-Finales 2014 sogar auf das ATP World Tour Finals-Endspiel gegen Novak Djokovic. Selten sah man Andy Murray so emotional, als er mit seinen britischen Teamkameraden die "hässlichste Salatschüssel der Welt" in die Höhe recken durfte.
Beinahe jeder Topspieler der Vergangenheit und Gegenwart kam einmal in den Genuss, den Davis Cup-Triumph zu bejubeln. Ohne diesen Erfolg in der Vita hatte die Karriere - unabhängig davon, wie erfolgreich der Spieler sonst agierte - einen kleinen Schönheitsfehler.
Der Davis Cup wird umgebracht
Der Davis Cup wird von Haggerty und Co. nicht reformiert, sondern umgebracht. Es entsteht ein neuer Wettkampf, der mit dem alten Format nichts mehr gemein hat. Besonders paradox ist, dass nur ein Monat später der ATP World Team Cup in Australien stattfinden soll. Events, die sich ähnlicher nicht sein könnten und noch dazu vom Laver Cup ordentlich Konkurrenz bekommen.
Dass kleinere Verbände aus Afrika mehrheitlich auf Seite der ITF waren, ist für den Tennisfan gut nachzuvollziehen. Denn für diese wird sich bis auf ein paar zusätzliche Euro in den Verbandskassen nichts ändern. Aber dass große Davis Cup-Nationen wie Frankreich und Spanien für diese Reform abstimmten, lässt den begeisterten Beobachter fassungslos zurück. Auch Länder wie Argentinien oder Belgien, die erst durch die Erfolge im Davis Cup die Liebe zum Tennissport entdeckten, gaben Haggerty Rückendeckung.
Gegenwind von Spielern ignoriert
Fairerweise muss gesagt werden, dass einige Topspieler die Reform für gut befanden. Djokovic, Nadal und Cilic sind einige der prominentesten Namen auf dieser Liste. Ob die Stars das Abenteuer "neuer Davis Cup" nach einer äußerst kräftezehrenden Saison mitmachen werde, darf dennoch stark bezweifelt werden.
Der Großteil der Akteure war allerdings gegen die Einführung der neuen Pläne. Sowohl aktive Spieler als auch ehemalige Akteure waren strikt gegen die Reform und verliehen ihrer Enttäuschung nach der Entscheidung in den sozialen Medien Ausdruck. Der Franzose Lucas Pouille wird nach dieser Entscheidung nie mehr für Frankreich antreten, Pat Cash sprach von einem "traurigen Tag für den Tennissport" und Alexander Antonitsch sah eine "nicht durchdachte Reform".
Antonitsch durfte die große Zeit des Davis Cups noch selbst hautnah miterleben. All das ist beim Verfasser dieser Zeilen nicht der Fall. Er wurde in eine Zeit hineingeboren, in der in Österreich bei Weitem nicht mehr die große Tenniseuphorie von einst herrschte.
Dennoch sind die unvergesslichsten Erinnerungen als Tenniszuschauer eng mit dem ältesten Teamwettbewerb im weißen Sport verknüpft. Das Finale in Prag 2012 und das Play-Off-Duell Spanien gegen Ukraine ein Jahr später zählen trotz einiger Besuche bei den French Open in Paris oder auch in Wimbledon zu den absoluten Highlights als Fan.
Neuer Davis Cup verdient den Namen nicht
Das wird in Zukunft leider nicht mehr zu erleben sein. Die unvergleichlichen Emotionen, die Auf und Abs auf den Tribünen und fragwürdige Schiedsrichterentscheidungen - all das fällt weg.
Was bleibt, ist ein Event, der von der ITF als neuer Davis Cup verkauft wird und in Wahrheit nichts mit diesem großartigen Wettbewerb zu tun hat. Haggerty und sein Team haben dem Tennissport einen großen Teil seiner Seele genommen. Der Davis Cup ist tot - lang lebe das Geld.