tennisnet: Jüngst standen in Angelique Kerber und Julia Görges erstmals seit September 1997 wieder zwei deutsche Spielerinnen in den Top Ten. Das erste Mal seit 244 Monaten. Damals hatte sie und Steffi Graf diesem Elitekreis angehört. Wie war Ihre Reaktion?
Anke Huber: Das war eine tolle Sache, ganz klar. Dass Angie nach der schwierigen Saison 2017 so zurückgekommen ist, war für alle positiv. Und Jule hat schon im letzten Jahr gezeigt, dass sie super spielen kann. Deshalb waren die Platzierungen gar nicht mal so überraschend. Man freut sich natürlich riesig für die Beiden, aber man denkt weniger an sich selbst...und wie es vor 20 Jahren bei uns war.
tennisnet: Was war entscheidend dafür, dass Kerber 2018 den 'Turnaround' geschafft hat?
Anke Huber: Ich denke, bei ihr ist der Ehrgeiz wieder zurückgekehrt, der ihr in manchen Phasen 2017 gefehlt hat. Ich glaube, sie war ein bisschen satt zwischendurch, alles schien zu viel. Zusammen mit ihrem neuen Coach Wim Fissette hat sie ein paar Sachen geändert, das hilft ja oft schon mal. Ich habe es ehrlich gesagt nicht erwartet, dass es so schnell fruchtet. Deshalb ist es umso schöner, dass es eingetreten ist. Ich freue mich riesig, dass Angie wieder gutes Tennis spielt, auch wenn sie mal verliert. Sie kann nicht jedes Turnier gewinnen. Aber sie ist im Kopf wieder voll da.
"Angie zählt bei jedem Grand Slam wieder zu den Titelanwärterinnen"
tennisnet: Toni Nadal meinte neulich im tennisnet-Interview, dass Kerber 2018 beste Chancen besitze, in Wimbledon zu gewinnen. Sehen Sie das ähnlich?
Anke Huber: Sie zählt jetzt bei jedem Grand Slam wieder zu den Titelanwärterinnen. Weil sie die Konstanz zurückgewonnen hat -und auch diese eminent wichtige Erfahrung bei den Majors besitzt. Angie weiß, wie es ist, in einem großen Halbfinale oder Endspiel zu stehen. Wimbledon ist allerdings auch immer so ein bisschen Glückssache. Wie ist das Wetter? Wie ist der Ballabsprung - höher oder flacher? Bei ihr ist es besser, wenn er flacher ist. Es gibt aber nicht so viele, die auf Rasen so gut spielen können wie Angie.
tennisnet: Julia Görges hat mit dem Sprung in die Top Ten einen weiteren Meilenstein geschafft. Was trauen Sie ihr noch zu?
Anke Huber: Jule hat unglaublich hart an ihrem Spiel gearbeitet, und das hat sich ausgezahlt. Sie ist eine, die es sich wirklich auch verdient hat, unter die besten Zehn vorzustoßen. Sie spielt viel konstanter, die Rückhand hat sich enorm verbessert - gerade auch beim Return, das war immer ihre Schwäche. Ich bin sehr froh, dass es so gekommen ist. Sowohl Jule als auch Angie haben sehr gute Chancen, sich unter den Top Ten zu etablieren.
Serena oder Steffi ? Anke Huber bei GOAT-Frage gespalten
tennisnet: Die 23-malige Major-Gewinnerin Serena Williams hat gerade in Indian Wells ihr Comeback nach ihrer Babypause gefeiert. Ist es ein Vorteil oder ein Nachteil für die Amerikanerin, mit einem kleinen Kind auf der Tour unterwegs zu sein?
Anke Huber: Ein Riesen-Vorteil kann es nicht sein. Weil: Viel besser als vorher wird Serena gar nicht spielen können. Kurz bevor sie schwanger wurde, hat sie mit ihr bestes Tennis gezeigt. Ich glaube, dass der Ehrgeiz vielleicht etwas nachlässt, weil man als Mutter andere Prioritäten setzt. Aber ich traue Williams immer einen Grand-Slam-Sieg zu, weil sie nicht zuletzt körperlich eine gewisse Dominanz hat. Für mich ist sie immer eine der Favoritinnen - egal, bei welchem Turnier. Wenn sie wieder fitter wird und Matchpraxis sammelt, dann sind die insgesamt 24 oder mehr Grand-Slam-Titel, die sie ja offenbar anstrebt, absolut möglich. Das wird sie auf alle Fälle probieren und auch hart dafür arbeiten. Ob sie es packt, muss man abwarten.
tennisnet: Im Herren-Tennis gilt Roger Federer als 'Greatest of all time'. Ist im Frauenbereich Serena Williams oder Steffi Graf sein Pendant?
Anke Huber: Schwer zu sagen. Steffi oder Serena - das ist sehr dicht beeinander und ausgeglichen. Alles ist bei der Beurteilung auch immer ein wenig abhängig von anderen Dingen. Steffi zum Beispiel hat in einer Zeit gespielt, in der es mehr der absoluten Top-Spielerinnen gab. Bei Serena war das in ihrer Anfangszeit auch so. Später wurden es dann weniger, das Feld war offener. Aber fest steht: Federer ist wirklich der GOAT bei den Männern.
Starterfeld beim Porsche Grand Prix nochmal einen Tick besser als 2017
tennisnet: Bei der 41. Auflage des Porsche Tennis Grand Prix stehen acht Profis aus den derzeitigen Top Ten auf der Meldeliste - insgesamt wollen 15 Spielerinnen aus den Top 20 aufschlagen. Zufrieden?
Anke Huber: Wir sind total happy. Auch drei amtierende Grand-Slam-Siegerinnen sind dabei - dazu garantiert fünf Deutsche im Hauptfeld. Das Starterfeld ist nochmal einen Tick besser als im letzten Jahr. Vor allen Dingen auch nach hinten raus. Wir hatten frühe Zusagen von vielen Profis. Man ist froh, wenn man merkt, dass die Spielerinnen gerne zu uns kommen. Das ist immer ein tolles Feedback. Auch in puncto junge Teilnehmerinnen sind wir gut bestückt. Und dadurch, dass wir auch etliche Meldungen von Spielerinnen haben, die zwischen Weltranglistenposition 20 und 30 stehen, wird es bereits in den ersten Runden hochkarätige Matches geben.