Der Mann, der das "Comeback des Jahres" schon geschafft hat, genießt im Moment im sonnigen Dubai die Entspannung nach harten Centre-Court-Schlachten. Roger Federer, Sensationssieger der Tennis-Festspiele von Melbourne, Indian Wells und Miami, nimmt sich eine lange Auszeit, bevor er Ende Mai bei den French Open wieder zum Schläger greifen will. Vielleicht wird Federer aus der Ferne beobachten, wie an diesem Mittwoch eine weitere prominente Rückkehr in den Tennis-Wanderzirkus verläuft - jener Moment, jenes sportliche Weltereignis, für das eigentlich der Slogan "Comeback des Jahres" vergeben war. Anders als bei Federer wird es aber keine grenzenlose Jubel-, Trubel-, Heiterkeitstour geben, wenn Maria Sharapova an diesem 26. April in die Stuttgarter Porsche-Arena einmarschiert, zu ihrem ersten Match nach einer 15-monatigen Dopingsperre, zu ihrem Erstrundenduell mit der Italienerin Roberta Vinci.
Nichts rund um diesen Auftritt ist Harmonie und Eintracht gewesen, ganz im Gegenteil: Schon die Tatsache, dass die ehedem bestverdienende Sportlerin des Planeten überhaupt bei diesem Turnier antreten und ihren Wiedereinstieg versuchen darf, war heftig umstritten. Aber klar ist: Die Tenniswelt, überhaupt die Welt des Sports, sie schauen nach Stuttgart. Auf Sharapova, auf dieses Comeback, aber auch darauf, wie sich Fans und Gegnerinnen der 30-jährigen Russin verhalten. Wie wird die Atmosphäre in der ausverkauften Halle sein, gibt es Buhrufe, melden sich noch einmal Rivalinnen mit Kritik zu Wort? Auch mit jener Kritik, dass Sharapova keine Wildcard hätte zugesprochen werden dürfen, also jener vom Turnier verteilte Joker - unabhängig von Weltranglistenpunkten.
"Nicht als Betrügerin verurteilt worden"
"Maria Sharapova ist nicht als Betrügerin verurteilt worden", sagt dazu Turnierchef Markus Günthardt, ein 59-jähriger Schweizer, der selbst einmal als Profi unterwegs war, "sie hat einen großen, einen schweren Fehler gemacht. Aber sie hat dafür die volle öffentliche Verantwortung übernommen und gebüßt." Günthardt sagt, er habe nicht lange überlegen müssen, "um Maria die Wildcard mit sehr gutem Gewissen" zuzuteilen.
Es ist allerdings eine leicht paradoxe Situation bei diesem Jubiläumsturnier in Stuttgart. Es gäbe ja viel zu erzählen über 40 Jahre Porsche Tennis Grand Prix, über einen Wettbewerb, der viele Spielzeiten lang ein akkurat und liebevoll gepflegtes Kleinod vor den Toren der Metropole war, im beschaulichen Filderstadt - unter der Regie des Selfmade-Mannes Dieter Fischer. Es gäbe auch genug Gesprächsstoff, wie es Günthardt und seiner Crew gelang, nach dem Umzug in die Porsche-Arena die Traditionen zu wahren, ohne die Moderne und die Modernisierung im vierten Jahrzehnt aus den Augen zu verlieren. Es gäbe auch noch die Thematik, dass es ein wenig stottert und holpert im deutschen Frauentennis, dass einige Protagonistinnen vom Erfolgsweg abgekommen und in der Weltrangliste abgerutscht sind - wobei das auch diskutables Klagen auf hohem Niveau wäre, schließlich steht Angelique Kerber, die Titelverteidigerin in Stuttgart, gerade noch immer auf Platz zwei der Bestenwertung.
"Die Frau, die das Tennis spaltet"
Aber Stuttgart steht erst mal ganz unter dem Eindruck dieses Comebacks von Maria Sharapova in den Tenniszirkus. "Die Frau, die das Tennis spaltet", war kürzlich einmal zu lesen, am Rande des Turniers von Indian Wells. Dort war in zugespitzter Form und in zugespitzem Ausdruck zu erleben, was schon seit Jahresbeginn zu beobachten ist: Rivalinnen von Sharapova werden zum Comeback befragt, und man kann sagen, dass all jene, die vorher schon nicht die größten Freundinnen der Russin waren, auch nicht gerade größere Freundinnen geworden sind.
Dazu muss man allerdings auch wissen, ganz unabhängig von den Turbulenzen um den "Fall Sharapova", dass sich die 30-Jährige nie um Nähe zu ihren Mitstreiterinnen bemüht hat, schon gar nicht um Freundschaften. Sharapova verstand und versteht Tennis als Beruf: Sie geht zu einem Spiel wie an die Arbeit, danach schließt sie die Tür ab und geht wieder nach Hause. Das stundenlange Herumvagabundieren in Spielerlounges, auch die weitverbreitete Kuschel-Atmosphäre auf der Tour, all das ist ihre Sache nicht. Dass man sie deshalb nicht selten als "eiskalte Diva" bezeichnete, prallte an Sharapova ab. Es kümmerte sie einfach nicht. Im "Stern" sagte die Russin gerade dazu noch einmal dies: "Ich muss nicht von allen geliebt werden". Der Empfang der Konkurrenz sei ihr egal, daran habe sie "keinen "einzigen Gedanken verwendet."
Neuer Rekordwert
Sharapovas Rückkehr sorgt nicht nur für eine gewisse Reizstimmung im Feld der Starterinnen und wahrscheinlich auch noch für ein paar starke Worte während der Spieltage. Sie mobilisiert vor allem ein mediales Interesse, wie es noch nie in der Geschichte des Turniers beobachtet worden ist. Mehr als 200 Journalisten werden vom Turnier berichten - es ist ein neuer Rekordwert: "Obwohl wir deutlich mehr Arbeitsplätze zur Verfügung stellen, können wir längst nicht alle Akkreditierungsanfragen erfüllen", sagt Viktoria Wohlrapp, Leiterin der Porsche-Sportkommunikation, "es ist eine große Herausforderung, auch die Interessen aller TV-Stationen zu bündeln.".
Besonders am Mittwoch, an dem Sharapova nach ihrem Karriere-Bruch eine zweite Stunde Null in ihrem Tennisleben erleben wird. Sie spielt gegen die Italienerin Roberta Vinci, die US-Open-Finalistin des Jahres 2015, aber nicht gegen eine deutsche Starterin. Das nämlich wäre schon ein pikanter Dreh des Schicksals gewesen - immerhin hatte sich Fed-Cup-Chefin Barbara Rittner öffentlich klar gegen die Wildcard-Vergabe positioniert: "Jemand, der gedopt hat, dürfte keine Wildcard mehr bekommen. Meiner Meinung nach hätte sie bei Null, bei den ganz kleinen Turnieren wieder anfangen müssen." Günthardt sagt dazu, er habe den Standpunkt des Turniers "klar nach außen kommuniziert, zu allen, die das betrifft": "Wir haben hier eine feste Position. Ich verstehe aber durchaus, dass Barbara Rittner eine andere Sicht hat."
Keine Quali wegen Fed Cup
Die Gemengelage ist auch deshalb so kompliziert, weil das deutsche Fed-Cup-Team vor dem Turnierstart sein Relegationsmatch gegen die Ukraine in Stuttgart bestritt - das heißt: wer im Team spielte, keinen Platz im Hauptfeld des Grand Prix hatte und auch keine Wildcard für das Turnier erhielt, der konnte auch nicht in der Qualifikation antreten. Julia Görges, mit zwei Siegen die sportliche Retterin der DTB-Auswahl vor dem Abstieg aus der Weltgruppe, ging letztlich leer aus. Jene Julia Görges übrigens, die 2011 mit ihrem Stuttgarter Turniersieg so etwas wie die Initialzündung für das deutsche Fräuleinwunder lieferte.
Und was ist nun sportlich von der Comebackerin Sharapova zu erwarten - nach all den bisherigen Diskussionen und Debatten im Kreis der Kolleginnen, neben der Aufregung um die Wildcard? "Ich bin sicher, dass sie hervorragend vorbereitet ist", sagt Günthardt, der Turniermacher, "sie will sportlich sicher ein Statement geben." Seit vier Monaten ist Sharapova inzwischen wieder im verschärften Trainingsbetrieb, doch das kann den Ernstfall auf dem Centre Court nicht ersetzen, das weiß sie selbst am besten: "Es ist etwas ganz anderes, wenn dir plötzlich wieder eine richtige Gegnerin auf dem Platz gegenübersteht", sagt die Russin, die bis Dienstagabend abseits der Porsche-Arena in Stuttgart im Geheimen trainieren musste, "es wird sicher eine harte Prüfung.
Der Porsche Tennis Grand Prix im Überblick