Zack Ryder ist der WWE-Shootingstar des vergangenen Jahres und die ultimative Aschenputtel-Geschichte. Durch seine YouTube-Show "Z! True Long Island Story" katapultierte er sich selbst vom Jobber zum Main Eventer. SPOX traf den Long Island Iced Z in München und sprach mit ihm über WrestleMania, die Bedeutung seiner Webshow und den Einfluss von Kollegen wie John Cena oder CM Punk.
SPOX: Hallo Zack. Eines würde ich gerne vorweg klären: Ist das Curt Hawkins' Gehstock, den Sie da bei sich tragen?
Zack Ryder: (lacht) Nein, nein, das ist mein eigener.
SPOX: Ok, dann lassen Sie uns zu den eigentlichen Fragen kommen. Sie haben die WWE durch Ihre YouTube-Show förmlich dazu gezwungen, Sie zu pushen. Wie hat das Ganze eigentlich angefangen?
Ryder: Ich wrestle seit 2003 und am Ende jeden Jahres habe ich reflektiert, was ich erreicht habe. 2003 habe ich in einer Wrestlingschule angefangen, 2004 hatte ich mein erstes Match, 2005 mein WWE-Debüt und so weiter und so fort. Als ich 2010 zurück blickte, stellte ich mir wieder die Frage, was ich erreicht hatte. Die Antwort lautete: nichts! Ich hatte nichts geschafft und keines meiner Ziele erreicht. Ich hatte zwar noch meinen Job, aber ich war kein Stück weiter gekommen und erkannte, dass meine Zeit in der WWE knapp wurde. Ich war schon eine Weile dort und niemand würde mir eine Chance geben. Deswegen habe ich im Februar 2011 mit "Z! True Long Island Story" begonnen. Damals wusste ich selbst nicht so genau, was das Ganze eigentlich werden sollte. Meine Eltern hatten mir zu Weihnachten diese kleine Flipcam geschenkt, die ich dann einfach auf einem alten Kameragestell befestigte und anfing, mich in meiner Wohnung selbst zu filmen. Von Woche zu Woche fügte ich kleine Segmente hinzu, sowie Interviews mit einer Buzz Lightyear-Actionfigur oder einem Justin Bieber-Aufsteller. Das Ganze wurde immer populärer und ist mehr und mehr zum Selbstläufer geworden. Ohne diese Show wäre ich nicht dort, wo ich heute bin. Ich wäre definitiv entlassen worden, hundertprozentig. "Z! True Long Island Story" hat praktisch meine Karriere gerettet.
SPOX: War es von Anfang an Ihr Ziel, durch die Show over zu kommen?
Ryder: Ja, das war das Ziel! Ich hatte einfach die Schnauze voll davon, nur zu Hause rum zu sitzen, mich zu fragen, was als nächstes passiert und wie lange es überhaupt noch weiter geht. Ich war es leid, immer wie auf Eierschalen zu laufen und regelrecht paranoid zu sein vor lauter Angst, meinen Job zu verlieren. Das Ziel war, entweder gefeuert oder bemerkt zu werden - und ich wurde bemerkt.
SPOX: Auf jeden Fall! Einige Ihrer Kollegen scheinen zu versuchen, Ihre Erfolgsformel zu kopieren. Denken Sie, es kann erneut funktionieren, oder war es eine einmalige Entwicklung?
Ryder: Ich denke, das war eine Geschichte, die so nur einmal passiert. Ich war nicht der Erste, der die sozialen Netzwerke genutzt hat, aber ich war der Erste, der sie voll ausgereizt, sich komplett darauf konzentriert und sie nach seinen besten Möglichkeiten genutzt hat. Ich bin 26 Jahre alt und alle meine Freunde nutzen Facebook, Twitter und YouTube. Von daher habe ich das einfach ausgenutzt, da ich das Gefühl hatte, derjenige in der WWE zu sein, dem dies am meisten liegt. Andere nutzen es mittlerweile auch, sie haben ihre eigenen YouTube-Shows und das ist wunderbar, ich wünsche ihnen nur das Beste. Mich motiviert das nur noch weiter, der Beste zu sein!
SPOX: Ihr Vater spielt eine große Rolle in Ihrer Show. Ist er wirklich so ein cooler Typ, oder mussten Sie ihn erst dazu bringen?
Ryder: (lacht) Sie denken, er ist cool? Das sehe ich ganz anders. Aber klar, mein Vater macht bei der Show mit, er ist unterhaltsam, die Leute lieben ihn - es ist großartig. Es hat als eine einmalige Sache begonnen, damals war ich bei meinen Eltern daheim und meinte zu meinem Vater: "Hey Paps, ich brauche eine weitere Szene für meine Show diese Woche. Also, wer ist dein Lieblings-WWE-Superstar?" Und er antwortete doch allen Ernstes "John Morrison", statt mich zu nennen! Also meinte ich nur: "Was? Das kannst du doch nicht sagen, schließlich ist das meine Show!" Die Leute haben es geliebt, also haben wir einfach immer weiter darauf aufgebaut. Ich habe gerade Folge 56 fertig gestellt, und da war er auch wieder mit dabei. Es ist verrückt - die Leute erkennen ihn auf der Straße und bei WWE-Veranstaltungen. Er wird bei WrestleMania dabei sein und ich bin sicher, er wird genauso viele Autogramme schreiben wie ich.
SPOX: Apropos WrestleMania, Sie haben bislang offiziell noch kein Match. Aber wir werden Sie doch sicher in Miami sehen, oder?
Ryder: Ich will unbedingt dabei sein! Mein absoluter Traum ist es, Teil einer WrestleMania-Card zu sein. Ich hatte schon ein paar Auftritte, ich war backstage, aber ich stand noch nie in einem offiziellen Match. Dieses Jahr, bei WrestleMania 28, wird Zack Ryder aber hoffentlich endlich mit von der Partie sein.
SPOX: Es wird heiß diskutiert über den Main Event Rock vs. Cena. Wie ist Ihre Meinung zu dem Match?
Ryder: Ich vergleiche es oft mit Rock vs. Hulk Hogan bei WrestleMania 18: der Top-Superstar der Vergangenheit - in diesem Fall The Rock - trifft auf das aktuelle Aushängeschild. Es wird aufregend und die Fans werden absolut geteilt sein, die eine Hälfte pro Rock, die andere pro Cena. Ich persönlich werde mir einen Kapuzenpulli überziehen, einen Hut aufsetzen und mir das Ganze aus dem Publikum anschauen, denn es wird der Hammer!
SPOX: Wo wir gerade von John Cena sprechen - er und CM Punk haben Ihnen und Ihrer Karriere sehr geholfen, als Sie mit Ihrer Show begannen, oder?
Ryder: Absolut! Cena, CM Punk, The Miz, Dolph Ziggler - so viele Jungs haben immer meine Links retweetet, als ich mit der Show angefangen habe. Das hat enorm geholfen, da ich damals noch nicht viele Follower hatte und so deutlich mehr Views bekommen habe. Ohne diese Leute weiß ich nicht, wie erfolgreich die Show geworden wäre. Es gab andere Leute, wie Curt Hawkins, die auch eine YouTube-Show gestartet haben und damit keinen Erfolg hatten. Nicht, weil sie nicht gut war, sondern einfach, weil ihr die Zuschauer fehlten.
SPOX: Sie erwähnen Curt Hawkins - sie und er waren das jüngste Tag Team, das jemals die WWE-Tag-Team-Championships gewann...
Ryder: Wenn man unser beider Alter zusammen rechnet, waren wir das jüngste Team, ja. Wir haben 2003 zu exakt der gleichen Zeit in der Wrestlingschule angefangen, wir stammen beide aus Long Island und sind beide lebenslange WWE-Fans. So läuft es einfach manchmal - wir waren zusammen im Development-Bereich, hatten zusammen unseren Durchbruch in der WWE und eben auch die Titel.
SPOX: Für ihn läuft es leider nicht so gut wie für Sie. Hat er Sie schon mal um Rat gebeten?
Ryder: Es gab eine Zeit, da wurden wir beide nicht eingesetzt. Ich habe dann halt mit der YouTube-Show begonnen und es hat funktioniert. Er arbeitet wie ein Verrückter, um Erfolg zu haben und ich bin sicher, es wird ihm auch noch gelingen. Ich versuche, ihn häufiger in meine Show einzubinden, da er nicht die nötige Zeit bei RAW und SmackDown! erhält. Sollte meine Show ihm auch nur ein wenig helfen, wäre ich schon froh.
Seite 2: Ryder über Kane, Hoeskis und seine Internetshow
SPOX: Während der Storyline rund um John Cena und Kane hatte ich manchmal den Eindruck, Sie und Eve stehlen Kane die Show. Er wirkte teilweise mehr wie ein Nebendarsteller. Wie sehen Sie das?
Ryder: (lacht) Diese ganze Kane/Cena/Eve/Zack Ryder-Kiste - das waren die zwei schlimmsten Monate meines Lebens. (lacht erneut) Und es ist noch immer nicht vorbei! Ich dachte, Eve sei mein Mädchen und ich dachte, John sei mein Freund. Kane hat mir zwei Monate am Stück die Seele aus dem Leib geprügelt, Cena küsste Eve, Eve erklärte dann, sie habe mich nur ausgenutzt... ich glaube, Cena hat in meinem Interesse gehandelt und Eve hat ihn einfach geküsst. Doch dann hat sie mich wiederum bei RAW geküsst und nun rast mein Verstand, weil ich nicht weiß, was eigentlich los ist.
SPOX: Aber es gilt doch weiterhin: Broskis vor Hoeskis, oder?
Ryder: Na klar, Broskis gehen immer vor Hoeskis!
SPOX: Mick Foley hat sich kürzlich zu der ganzen Geschichte geäußert, insbesondere zur Titulierung von Eve als "Hoeski". Was sagen Sie dazu?
Ryder: (zögert) Ich habe seine Kommentare nicht gelesen, also kann ich dazu nicht wirklich etwas sagen.
SPOX: Ich war nicht gerade begeistert davon, wie Eve im Rahmen der Storyline dargestellt wird.
Ryder: Naja... sie hätte John Cena halt einfach nicht küssen sollen, was soll ich sagen? (lacht)
SPOX: Okay, ich verstehe, anderes Thema: Denken Sie, Comedy-Charaktere wie Santino Marella oder - nichts für ungut - Sie selber können den World Title gewinnen?
Ryder: Santino ist im Moment absolut an der Spitze, er ist der United-States-Champion. Ich denke aber auch nicht, dass ich ein Comedy-Charakter bin. Bin ich lustig, ist meine YouTube-Show lustig? Na klar! Aber schaut euch noch mal mein Match gegen Dolph Ziggler bei TLC an - das war kein Comedy-Match, sondern hat die Show gestohlen. Ich glaube, dass ich das Potential habe, einen der ganz großen Titel zu gewinnen.
SPOX: Was ist eigentlich aus den Eineinhalb-beinigen Hosen geworden, die Sie während Ihrer Zeit in der ECW immer getragen haben?
Ryder: (lacht) Wissen Sie, das war etwas, womit ich versucht habe, Aufmerksamkeit zu bekommen, nachdem ich mich von Curt Hawkins getrennt hatte. Ich hatte mein Haar kurz geschnitten, aber das reichte noch nicht, ich brauchte einfach etwas, womit ich aus der Masse heraus stach. Also hatte ich die Idee, diese einbeinigen Strumpfhosen zu tragen, und es hat funktioniert. Es hat die Leute dazu gebracht, zu reden - ob sie nun meinen Namen kannten oder nicht, sie wussten, wer der Typ mit den einbeinigen Strumpfhosen war. Das war klasse! Aber dann, als die Zeit kam, etwas ernster zu werden, bin ich auf traditionelle Sporthosen umgestiegen und würde auch nicht mehr zurückwechseln, niemals.
SPOX: Es lief also ähnlich wie bei The Miz, Sie wollten ernster rüberkommen?
Ryder: Ja genau! Wie The Miz seinen Hut und die Shorts abgelegt hat, so war es bei mir mit den einbeinigen, lächerlichen Strumpfhosen.
SPOX: Wann werden wir endlich The Big O in der WWE sehen?
Ryder: (lacht) Ich weiß es nicht! Er hatte bereits zwei Wrestling-Matches. Big O ist der bullige Fleischklops aus meinem Fitnessstudio, den ich früher absolut gehasst habe, weil er einer dieser lauten Typen ist, die ständig grunzen, rumschreien und pausenlos nur über sich selbst reden. Ich werde es niemals vergessen: es war 2008, ich machte gerade Wadenzüge im Fitnessstudio und plötzlich stopfte er mir seine Kopfhörer in die Ohren. Es lief "Summertime" von den New Kids on the Block und es war einfach nur ein absurder Moment! Seitdem sind wir befreundet und er ist mittlerweile zu einer der Schlüsselfiguren in meiner YouTube-Show geworden. Er hat Anfang des Jahres begonnen, zu trainieren, um ein WWE Superstar zu werden. Wer weiß, er könnte einer der kommenden Leute sein. Alles ist möglich.
SPOX: Ich habe vor einer Weile gelesen, dass Sie mit dem Gedanken spielten, die Show zu beenden, da Sie ihrer ein wenig überdrüssig geworden waren. Stimmt das?
Ryder: Ich wollte den Bogen nicht überspannen. Ich habe mit der Show angefangen, um Aufmerksamkeit zu erhalten, und mittlerweile stehen wir bei 56 Episoden. Aber glaubt mir: ich werde so schnell nicht aufhören.
SPOX: Wie viel Zeit müssen Sie in der Regel für die Show aufbringen?
Ryder: Ich verbringe praktisch die komplette Woche damit. Ich denke ständig darüber nach, weil ich die Ideen von Woche zu Woche entwickle. Ich plane nicht groß voraus, da es eine wöchentliche Show ist und ich das Material sowohl selbst filme als auch schneide. Ich bin nun mal ein professioneller WWE Superstar und kein professioneller Cutter, von daher dauert es immer eine Weile. Zehn Stunden pro Woche, würde ich schätzen, mindestens. Manchmal dauert es auch wesentlich länger, bei Episoden, in denen ich Trainingsmontagen erstelle. Oder natürlich die Best-Of-Folge der ersten 50 Episoden - das hat ewig gedauert, ich habe Wochen daran gesessen.
SPOX: Wo wir gerade dabei sind - was ist Ihre persönliche Lieblingsszene der Show?
Ryder: Meine Lieblingsszene? (lacht) Es gibt so viele! Einer meiner Favoriten, der mir spontan einfällt, ist definitiv meine "Rocky"-artige Trainingsmontage, die ich im Juni für die WWE-Show im Nassau Coliseum in Long Island gedreht habe, ich glaube aus Folge 17. Die war absolut urkomisch und hat mich unglaublich viel Zeit gekostet. Aber am Ende ist sie großartig geworden, eine meiner liebsten Szenen und ich hatte jede Menge Spaß.
SPOX: Gefällt es Ihnen eigentlich, ein Face zu sein? Oder könnten Sie sich auch vorstellen, wieder einen Heel zu porträtieren, so wie sie es jahrelang getan haben?
Ryder: Ich war eine ganze Zeit lang Heel und es war cool, aber "Z! True Long Island Story" hat mich zum Face gemacht. Es war nicht die WWE, die gesagt hat: wir machen jetzt einen Guten aus ihm, das ist nie passiert. Die Fans haben das selbst gemacht und was auch immer passieren wird, passiert. Liebt mich oder hasst mich, ich werde immer Zack Ryder bleiben, der Long Island Iced Z. 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche und 365 Tage im Jahr.