Fünf Legenden, eine volle Matte
Zunächst die kurze, aber emotionale Ansprache von Vince McMahon, dann die große Wiedervereinigung von Degeneration-X - wie kann man RAW 1000 besser eröffnen? Die Hoffnung, sämtliche ehemalige Mitglieder wieder zu sehen, wurde voll erfüllt, mit Ausnahme von Chyna (erwartungsgemäß) bekamen wir alle relevanten DXler geboten - wenn auch laut Hunter nur einen mit voller Haarpracht.
Damien Sandow als Gegenpol in den Ring zu schicken, war sicher nicht die schlechteste Entscheidung. So verschaffte man dem Newcomer als Gegenpol zu den legendären Publikumslieblingen eine gehörige Portion zusätzliche Heat, deren Wirkung durch die anschließende Abreibung nicht geschmälert wurde. Klarer Fall von Win-Win-Situation.
Brautkleid bleibt Brautkleid und A.J. wird GM
Keine WWE-Hochzeit ohne totales Chaos - darauf konnten wir uns bereits im Vorfeld fest einstellen. Relativ kurzfristig gebookt, musste man sich fragen, wer hier wem das Herz brechen und ob wir einen Turn von Daniel Bryan oder A.J. erleben würden. Kane schien ein sicherer Hochzeitsgast nach den Entwicklungen in der letzten SmackDown-Ausgabe. Klarer Fall von Denkste, geschickt führte die WWE ihre Fans auf die falsche Spur. Stattdessen avancierte ausgerechnet Mr. McMahon zum Wedding Crasher, indem er der Braut vor der Show ein Angebot machte, das diese unmöglich ausschlagen konnte: den Job als RAW-GM.
A.J. ist definitiv eine Wahl, die niemand auf dem Zettel hatte. Klar wird damit, dass die Writer an ihrer aktuellen Top-Diva festhalten und nebenbei einmal mehr beweisen, dass man als Frau in der WWE derzeit nur außerhalb des Rings Karriere machen kann. Die Divas-Championesse Layla bekam derweil nur einen Kurzauftritt während eines unterhaltsamen Comedy-Segments spendiert und ließ ihren ach so wertvollen Titel gleich in der Kabine liegen - bezeichnend.
Zwei Fragen bleiben: Zum einen, ob man tatsächlich ein Konzept auf Lager hat, um A.J., deren Charakterentwicklung zuletzt leicht stagnierte, sinnvoll langfristig in der neuen Rolle einzusetzen. Sie hat mehr als eindrucksvoll bewiesen, dass sie die schauspielerischen Fähigkeiten für die Rolle besitzt, doch worauf soll das Ganze hinauslaufen?
Noch fraglicher erscheint, welche Rolle Bryan in den kommenden Wochen zukommen wird. Zwar legte er sich noch rasend vor Wut mit The Rock an, doch wird sich daraus garantiert nichts ergeben. Noch fraglicher ist, wohin die Geschichte mit Charlie Sheen führen soll - etwa ernsthaft zu einem Match beim SummerSlam, ob nun mit dem Schauspieler als Gegner oder lediglich als Manager für einen anderen Superstar? Da die WWE Promis grundsätzlich gut dastehen lässt und D-Bry somit die nächste PPV-Niederlage sicher wäre, kann ich hier nur schwerlich einen positiven Aspekt entdecken. Man muss sich auch fragen, wer von der Publicity rund um eine solche "Fehde" mehr profitiert: Bryan, oder nicht doch eher die WWE. Denn was soll es einem Wrestler vom Kaliber eines Daniel Bryan bringen, sich von einer Hollywood-Skandalnudel demütigen zu lassen? Auch wenn er zugegebenermaßen tatsächlich wie eine Kreuzung aus einem verwahrlosten Holzfäller und einem Oompa Loompa aussieht.
Der IC-Titel wird (irgendwie) AWESOME!
Neue (DVD)-Filmkarriere, neuer Haarschnitt - keine Frage, The Miz is back. Angesichts der starken Publikumsreaktionen und der Begeisterung der Writer über Mizanins frischen Look wurde bereits spekuliert, er dürfe sich in den kommenden Monaten im World-Title-Rennen tummeln. Die Frage war bloß: gegen wen? Schließlich war schon vor RAW 1000 klar, dass CM Punk in den kommenden Monaten mit John Cena arbeiten würde, eine Fehde gegen Sheamus wurde nicht angedeutet. Die Lösung: man gibt dem Ex-Reality-TV-Star einen Titel, den man mittlerweile traurigerweise getrost in die Mülltonne kloppen könnte.
The Miz ist also der neue Intercontinental-Champion - soweit, so gut und im Vergleich zu seiner Darstellung vor der Auszeit eine klare Verbesserung. Doch vom Main Event ist der Ex-WWE-Champ damit noch immer meilenweit entfernt. Derweil hat man Christian schon nach kurzer Zeit wieder entthront und somit seinen Title-Run komplett nutzlos und schwach dargestellt. Da liegt das Problem, wenn man die Fans wählen lässt: man erhält eben nicht die deutliche sinnvollere Paarung Santino Marella/Miz und kann endlich dessen US-Championship-Regentschaft beenden. Schade drum.
HHH vs. Lesnar - It's ON!
Man muss langsam darüber spekulieren, ob Brock Lesnar nicht etwa pro Auftritt, sondern pro On-Air-Minute bezahlt wird. Das würde immerhin erklären, wieso sich zunächst wieder mal nur Paul Heyman Triple H stellte - auch, wenn es nach den vergangenen Wochen durchaus Sinn machte. Sicher ist, dass die Mark-Fans Lesnar hassen und ihn beim SummerSlam in Grund und Boden buhen werden. Derweil bekamen wir mal wieder Stephanie McMahon zu sehen - danke dafür - und nach der erwartungsgemäß durch Provokationen herbeigerufenen Matchzusage durch Heyman auch eine kurze Schlägerei, in der Lesnar bedenklich schwach dargestellt wurde.
Beim SummerSlam wird man sich entscheiden müssen, was wichtiger ist: Triple Hs ewig bedürftiges Ego zu streicheln, oder eben Brock durch einen Sieg zur Abwechslung mal wieder halbwegs glaubwürdig darzustellen. Denn klar ist: Kassiert er beim PPV eine Abreibung, kann man sich die weiteren Termine und vor allem den Auftritt bei WrestleMania nächstes Jahr getrost gleich sparen.
Slater's gonna slate
Das war es also, das Finale der kurzen, aber unterhaltsamen Heath-Slater-Storyline: er wird von einem Mädchen besiegt... ok, ok, es war Lita und ich bin sicher nicht der Einzige, der bei den ersten Tönen ihres Themes brutal ausgemarkt ist. Dazu die APA (nächster Markout) und sämtliche Legenden der Vorwochen. Da kann man schon mal verlieren, vor allem als Jobber. Ob Slater diesen Status demnächst los wird, nachdem er seinen Unterhaltungswert unter Beweis gestellt hat, bleibt abzuwarten. Verdient hätte er es, alleine schon dafür, wie grandios er JBLs Clotheline from Hell sellte.
Jinder Mahal, ernsthaft?
Kane kommt in den Ring, dazu sechs fröhlich zusammen gewürfelte Heel-Jobber - wer hätte gedacht, dass da noch was kommen würde, oder besser gesagt jemand?! Auch sehr schön: Drew McIntyre, der im Sicherheitsabstand hinter den anderen herschlurfte. Der Mann ist eben einen Entrance in gemäßigtem Tempo gewohnt. Ein Heel-Stable im Stile von Reks' "Midcard Mafia" wäre an sich ja eine feine Sache... wobei, Jinder Mahal, ernsthaft? Egal, jedenfalls hatte man so reichlich Futter, um dem Undertaker einen Auftritt und ein paar Sparringspartner bei der Jubiläumsshow zu spendieren. Dazu noch Synchron-Chokeslaming und -Tombstoning sowie der Brothers of Destruction-Taunt mit Brüderchen Kane. Es war der perfekte Feel-Good-Moment vor dem Main Event...
Punk is back!
... und den brauchten die Fans auch dringend! Denn CM Punk turnte allen Ernstes Heel und das völlig aus dem Nichts - einfach nur sensationell! Den großen Knall hatten sich die Schreiber für den Schluss aufgehoben und damit voll ins Schwarze getroffen. CMs Zögern, seine unübersehbaren Skrupel, Big Shows Assist in den Sieg gegen John Cena umzumünzen, und schließlich die knallharte Lariat sowie der Go to Sleep gegen The Rock. Mindestens genauso gelungen war sein anschließender Abzug aus der Halle, komplett ohne Musik oder Posing.
Anders als bei Cena oder Sheamus hat die WWE hier auf den zunehmenden Unmut der Smarks gegenüber ihrem einstigen Retter reagiert, wohl weil sie wissen, dass dies bei einem Punk um Längen gefährlicher ist als bei den beiden zuvor Genannten. Perfekt eingeleitet hat man somit die Neuauflage der Punk/Cena-Fehde für den SummerSlam und vermutlich auch darüber hinaus, ebenso wie ein Match gegen The Rock im kommenden Jahr - ob nun schon beim Royal Rumble, oder doch erst bei WrestleMania.
Offen bleibt lediglich die Frage, wie man den nun hoffentlich wieder munter Pipe Bombs um sich schleudernden Straight Edge Savior darstellt. Bleibt er so stark wie in den letzten Monaten, ist auch ein Sieg gegen Cena denkbar. Zudem würde sich eine Zweckallianz mit dessen Intimfeind Big Show anbieten.
Fazit
Mit dem Punk-Turn hat die WWE ihre Jubiläumsshow gekrönt und gleichzeitig die derzeit wohl bestmögliche Main-Event-Kaliber-Fehde eingeleitet. Zudem dürfte CM/Rocky fürs kommende Jahr fix sein, ein weiterer Grund also, sich auf die nächsten Monate zu freuen. Da man parallel im Sechs-Mann-Tag-Match den Jericho-Turn durch die Attacke von Ziggler weiter voran getrieben hat, steht zudem ein weiterer Top-Face bereit. Natürlich immer vorausgesetzt, Y2J verschwindet nach dem SummerSlam nicht wieder.
Der Legendenflut ist man so weit als möglich Herr geworden und hat es geschafft, sie alle mehr oder minder gut zu booken, wenn auch ein Bret Hart oder ein Mick Foley sicherlich mehr hergegeben hätten. Die Abwesenheit von Steve Austin konnte derweil leider auch durch das gelungene Rückblick-Video nicht kompensiert werden. Scheinbar war Stone Cold aufgrund von Dreharbeiten verhindert - sehr schade. Auf der anderen Seite gab es den Undertaker, Lita, JBL, Ron Simmons, The Fink und MEAN GENE! WOOOW! zu bewundern - auch nicht übel.
Während beim HHH/Lesnar-Match nun endgültig Klarheit herrscht, werfen die Wahl des neuen RAW-GMs sowie die Darstellung von Bryan mehr Fragen auf, als sie Antworten bieten. Beispielsweise, ob Charlie Sheen jemals nüchtern genug sein wird, um den Weg zum Staples Center zu finden. Oder, ob er die Show tatsächlich verfolgt und nicht nur Scripts abgelesen hat. Ähnlich interessant ist übrigens die Frage, wieso der "Sohn" von Mae Young und Mark Henry eigentlich weiß ist - von wegen Sexual Chocolate!
RAW 1000 ist sicherlich nicht der große Game Changer geworden, den sich viele erhofften. Stattdessen wurden die Stars von früher gefeiert und man versuchte mit Erfolg, Feel-Good-Momente zu schaffen. Mit dem Ausgang der Hochzeit und insbesondere des Titelmatches hat man zudem ein paar Schocker geliefert, die so wohl niemand erwartete. Von allem etwas also und eine ungemein unterhaltsame Ausgabe, die Lust auf die nächsten 1000 macht. Ach ja, nebenbei: Hat sich schon jemand darüber gefreut, dass Cena als Erster nicht erfolgreich eingecasht hat?