In der Raw-Ausgabe vom 31. Juli tat Paul Heyman einmal mehr das, was er besser kann als jeder andere im Pro-Wrestling-Business: sprechen, das Publikum in seinen Bann ziehen und dabei den Einsatz gewaltig erhöhen.
Das langjährige Sprachrohr des amtierenden Universal Champion Brock Lesnar wandte sich im Namen seines Schützlings an Raw General Manager Kurt Angle und die Fans, um das anstehende Fatal-4-Way-Match beim SummerSlam gegen Roman Reigns, Braun Strowman und Samoa Joe zu thematisieren.
Von Bedeutung waren dabei insbesondere seine letzten Sätze, in denen der 51-Jährige Angle für die Ansetzung harsch kritisierte und am Ende erklärte, sein Schützling werde die WWE verlassen, falls er den Titel in diesem Match, in dem er nicht aktiv an der Entscheidung beteiligt sein muss, verlieren sollte.
Storyline oder Realität?
Klar ist: Hierbei kann es sich schlicht um eine Storyline handeln, um Lesnar temporär aus den Shows zu schreiben, da seine vertraglich vereinbarten Auftritte im Jahr 2017 größtenteils oder sogar vollständig aufgebraucht sind. Sein Vertrag sieht nur eine bestimmte Zahl von Auftritten pro Jahr vor; bucht die WWE ihn darüber hinaus, muss sie ihm pro Auftritt eine signifikante zusätzliche Summe zahlen.
Weiterhin könnte der Grund für eine Auszeit sein, dass man den Titel wieder regelmäßig in den Shows vertreten haben will. Die Raw- und generellen WWE-Quoten befinden sich seit geraumer Zeit im Tief und die Verantwortlichen könnten die Hoffnung hegen, dass ein präsenter Champion, der nicht nur alle paar Wochen oder gar Monate zu sehen ist, daran etwas ändert.
Gerüchte um UFC-Comeback
Allerdings kamen zuletzt auch Gerüchte auf, Lesnar könnte ein MMA-Comeback wagen. Der 40-Jährige, der 2008 bereits die UFC Heavyweight Championship gewann, trat zuletzt am 9. Juli 2016 bei UFC 200 im Octagon an. Für den Kampf gegen Mark Hunt strich Brock die damalige Rekordsumme von 2,5 Millionen US-Dollar (mittlerweile von Conor McGregor getoppt) ein.
Im Nachhinein wurde Lesnar der Sieg gegen Hunt aberkannt und er wurde aufgrund der Einnahme verbotener Substanzen suspendiert, nachdem er durch zwei Drogentests gerauscht war. Zudem musste er 250.000 Dollar Strafe zahlen. Sein WWE-Comeback feierte er trotz daraus resultierender Kritik an der fragwürdigen WWE-Doping-Politik lediglich einen Monat später, beim SummerSlam mit einem Squash-Sieg über Randy Orton.
Die offizielle Begründung: als Part-Timer unterliegt Brock nicht den Bestimmungen der WWE Wellness Policy. Am 14. Februar 2017 wurde dann publik, dass Brock die UFC über seinen Rücktritt informiert hatte. Das Thema schien endgültig abgehakt, aktuell liegt seine Doping-Sperre auf Eis.
Fakt ist: Lesnar funktioniert auch im MMA-Bereich als Publikumsmagnet und kassierte für seine insgesamt neun Kämpfe (5 Siege, 3 Niederlagen, 1 No Contest) gigantische Summen. Allerdings ist er in der WWE im Verhältnis zur Zahl seiner Auftritte absoluter Bestverdiener und die Vorbereitung auf anstehende Kämpfe fällt deutlich geringer aus.
Der erste Abgang
Für den ehemaligen Amateur-Wrestler der University of Minnesota, der in Maryfield, Saskatchewan in Kanada eine Farm besitzt, stehen seine Familie und sein Privatleben im Vordergrund, regelmäßige Auftritte und Touren mit der WWE oder einer anderen Organisation kommen entsprechend für ihn schon lange nicht mehr in Frage.
Lesnar ist seit 2006 mit der früheren WWF-Diva Sable (aka Rena Greek) verheiratet, das Paar hat gemeinsam zwei Söhne. Weiterhin hat der gebürtig aus Webster, South Dakota stammende Lesnar Zwillinge aus einer früheren Beziehung und ist der Adoptivvater von Greeks Tochter aus vorheriger Ehe.
Die Priorität Privatleben war auch der Grund, weshalb Brock 2004 völlig unerwartet und nach einem der größten Pushes der Pro-Wrestling-Geschichte der damaligen WWF den Rücken kehrte. In der Folge versuchte er sich zunächst als American-Football-Profi und hatte ein Tryout bei den Minnesota Vikings. Der Sprung in die NFL gelang ihm trotz mehrerer Einsätze in Preseason Games jedoch nicht.
Die Folgen des Abgangs
2005 trat er bei New Japan Pro Wrestling auf und sicherte sich gleich in seinem Debüt die IWPG Heavyweight Championship. In der Folge verteidigte er den Titel unter anderem erfolgreich gegen den heutigen SmackDown Superstar Shinsuke Nakamura. Am 29. Juli 2007 schließlich musste er den Gürtel abgeben, als er ihn an einen anderen alten Bekannten verlor: Kurt Angle. Es folgte der Wechsel zum Mixed Martial Arts.
Lesnars plötzlicher Abgang gilt bis heute als Hauptgrund dafür, dass Vince McMahon sich weigert, aufstrebenden Wrestlern einen Monster-Push an die Spitze der WWE-Nahrungskette zu geben. Die Angst davor, erneut alles auf ein Pferd zu setzen, nur damit der Wrestler dann die Liga verlässt, soll zu groß sein.
Ironischerweise stehen die beiden Männer, die in den letzten fünf Jahren wohl am ehesten einen Monster-Push erhalten haben, kommenden Sonntag mit Lesnar in einem Ring: Roman Reigns und Braun Strowman.
Brock und der SummerSlam
Sollte es Lesnars (vorerst) letztes WWE-Match werden, wäre der SummerSlam die passende Bühne. Zwar ist der zweitwichtigste PPV des WWE-Jahres mehr für seine legendären Einzelmatches, wie Bret Hart vs. The British Bulldog 1992 oder Bret vs. Owen Hart 1994 bekannt als für große Einzelschicksale a la Undertaker-Streak oder Mr. WrestleMania Shawn Michaels; doch für Brocks Karriere stellt das Event einen zentralen Knotenpunkt dar.
So gewann das Biest nur wenige Monate nach seinem Main-Roster-Debüt beim SummerSlam 2002 seinen ersten Titel: die WWF Undisputed Championship in einem Match gegen Dwayne The Rock Johnson. 2003 unterlag er seinem wohl größten Rivalen und privaten Freund Kurt Angle, den er zuvor im Main Event von WrestleMania XIX, trotz Gehirnerschütterung infolge einer gebotchten Shooting Star Press, besiegt hatte.
Spätestens seit dem Bruch der legendären WrestleMania-Streak des Undertaker 2014 wird Lesnar als praktisch unbesiegbar dargestellt. Es folgte der dominanteste Title Run der jüngeren WWE-Geschichte infolge eines Squash-Sieges gegen John Cena - natürlich beim SummerSlam 2014.
Dieser Run endete erst bei WrestleMania 31, als Seth Rollins seinen Money in the Bank-Koffer im Main Event Lesnar vs. Reigns eincashte, das Match somit zu einem 3-Way machte und Roman zum Titelgewinn pinnte.
Nächstes oder letztes Kapitel?
Doch in der Multi-Men-Stipulation enden die Parallelen zum anstehenden 4-Way noch nicht: Infolge des Titelverlusts lief Lesnar in der anschließenden Post-WrestleMania-Ausgabe von Raw förmlich Amok und zerlegte so lange Inventar, Wrestler und Raw-Kommentatoren, bis Stephanie McMahon ihn auf unbestimmte Zeit suspendierte.
Der Sinn war schon damals, ihn längerfristig aus den Shows zu schreiben, um den World Title wieder regelmäßig in den Wochenshows zu präsentieren. Zudem wirkt ein Brock Lesnar schlichtweg zu dominant und ist zu teuer, um ihn an einer anderen Stelle auf der Card als im Main Event zu buchen.
Kommenden Sonntag könnte sich Geschichte wiederholen und der Conquerer seinen World Title verlieren, ohne gepinnt oder zur Aufgabe gezwungen zu werden. Es könnte der Ausgangspunkt einer weiteren Pause oder eines erneuten UFC-Comebacks werden.
Oder aber Paul Heyman hat nur einmal mehr das WWE-Universe perfekt an der Nase herumgeführt und die Spannung erhöht, bevor sein Biest gleich drei Main Eventer abfertigt und seinen nächsten dominanten Run fortführt. Bis WrestleMania 34, oder vielleicht sogar bis zum nächsten SummerSlam?