Dramatischer Australien-GP mit einem tragischen Helden Sebastian Vettel und einem strahlenden Sieger Jenson Button. Während Vettel wieder mal technische Probleme hatte, gewann Button im McLaren das Rennen. Lewis Hamiltons große Show blieb unbelohnt, Michael Schumacher war chancenlos.
Sebastian Vettel muss seinen Red Bull langsam hassen. Wie in Bahrain lag er auch in Australien klar in Führung, als ihn in Runde 26 eine lose Radmutter stoppte. "Man kann nichts daran ändern. Aber es ist schon Scheiße", sagte Vettel. "Ehrlich gesagt würde ich im Moment am liebsten nach Hause fliegen. Aber Lebbe geht weiter. Von meiner Seite aus hätte ich heute nichts besser machen können. Nach Bahrain jetzt wieder mit so einem Mist dazustehen, ist schon ärgerlich."
"Er ist sehr frustriert", sagte Red-Bull-Teamchef Christian Horner im SKY-Interview. "Aber wir haben auch ein sehr schnelles Auto. Wir müssen das Problem lösen und das nächste Rennen ist auf einer Strecke, die uns eigentlich passen müsste. Und da müssen wir gewinnen in Malaysia."
Nutznießer und strahlender Sieger war Weltmeister Jenson Button. Der McLaren-Pilot schonte bei widrigem Wetter die Reifen am besten und fuhr mit nur einem Boxenstopp den Sieg nach Hause. "Das war ein toller Sieg", sagte Button. Zweiter wurde der sensationell starke Renault-Pilot Robert Kubica. Felipe Massa komplettierte im Ferrari das Podium.
Crash zwischen Schumacher und Alonso
Michael Schumacher fiel nach einem Startunfall mit Fernando Alonso weit zurück und musste sich am Ende mit Platz zehn und nur einem WM-Punkt begnügen. Alonso wurde nach dem Crash noch Vierter vor Nico Rosberg im zweiten Mercedes.
"Ich hatte einen guten Start. Aber dann kam ein Anklopfen von hinten. Da ging es dahin. Da kann man nicht mehr viel machen, weil es so rutschig ist. Zum Glück hat mich dann vorne noch einer getroffen und mich wieder gerade gedreht. Aber dabei ist mein Frontflügel kaputt gegangen. Insofern hat es mir nicht viel geholfen. Ab da war das Rennen vorgezeichnet", sagte Schumacher.
Mercedes-Sportchef Norbert Haug ließ trotzdem nichts auf seinen Star kommen: "Michael war sensationell gut unterwegs. Er war Opfer. Es war Jenson Button, der Alonso umgedreht hat. Michael musste ausweichen - Frontflügel gebrochen. Dann war er ganz hinten. Und danach noch auf den zehnten Platz zu fahren: Was Michael gemacht hat, war das absolut Mögliche in seinem Zustand."
Hamilton nach "Rennen meines Lebens" nur Sechster
Lewis Hamilton fuhr von Startplatz elf aus ein spektakuläres Rennen mit vielen Überholmanövern, fiel aber kurz vor dem Ziel nach einer unverschuldeten Kollision mit Mark Webber zurück. "Ich bin vermutlich eines der besten Rennen meines Lebens gefahren", sagte Hamilton. "Aber leider bin ich durch die Taktik, einen zweiten Reifenwechsel zu machen, zurückgefallen und später von Mark Webber abgeschossen worden."
In der Fahrer-WM liegt Alonso mit nun 37 Punkten vor Massa (33) in Führung. Button ist mit 31 Zählern schon Dritter. Rosberg liegt als bester Deutscher mit 20 Punkten auf Rang fünf hinter Hamilton.
Die Schlüsselszenen des Rennens:
Start: Vettel kommt gut weg und verteidigt souverän seine Führung. Dahinter wird es chaotisch. Button dreht in der ersten Kurve Alonso um, der knallt daraufhin in Schumacher. Der Frontflügel des Mercedes ist kaputt, Schumacher muss zum Notstopp.
Runde 1: An Kobayashis Sauber bricht der Frontflügel, er fliegt heftig ab und kracht mit voller Wucht in die Seite von Hülkenbergs Williams. Ein heftiger Crash, Kobayashi fliegt über den Williams drüber. Zum Glück passiert niemandem etwas.
Runde 10: Der Regen hat aufgehört, die meisten Spitzenpiloten wechseln auf Slicks. Vettel wartet eine Runde länger, bleibt aber in Führung.
Runde 12: Sutil hat die Reifen noch nicht gewechselt, führt das Rennen kurzzeitig sogar an. Doch dann muss er wegen eines technischen Defekts aufgeben.
Runde 16: Spektakulärer Dreikampf: Webber und Hamilton gehen an Massa vorbei, dann greift Hamilton Webber an. Der Australier bremst zu spät, drängt Hamilton ab und rutscht ins Gras. Massa schlüpft wieder durch.
Runde 21: Da ist Hamilton wieder und geht diesmal endgültig an Massa vorbei. Alonso ist auch schon wieder am Ferrari-Kollegen dran.
Runde 23: Der Hamilton-Wahnsinn geht weiter. Er fliegt an Rosberg heran - und geht vorbei.
Runde 26: Vettel ist raus! Der Red Bull steckt im Kiesbett. Klar in Führung liegend, hat Vettel mal wieder die Technik im Stich gelassen. Eine Radmutter hat sich links vorne gelöst.
Runde 34: Schumacher kommt schon zum dritten Mal an die Box und holt sich neue Reifen. Danach ist er der schnellste Mann im Feld, auch wenn er außerhalb der Punkte liegt. Aber er animiert andere Piloten dazu, auch noch einmal neue Reifen zu holen. Unter anderem auch Hamilton, der danach die schnellsten Runden dreht. Button, Kubica und beide Ferrari-Piloten bleiben draußen.
Runde 56: Hamilton ist an Alonso dran und greift an. Der Ferrari-Pilot hält dagegen, Hamilton will zurückstecken - aber Webber hinter ihm pennt und knallt ihm in die Seite. Hamilton ist nach einem grandiosen Rennen im Kiesbett, Webber braucht eine neue Nase.
Ziel: Button gewinnt wie im Vorjahr in Australien. Nach seiner Kollision mit Alonso am Start macht er keinen Fehler mehr, schont die Reifen perfekt und gewinnt sein erstes Rennen im McLaren. Kubica wird großartiger Zweiter, Massa steht ebenfalls auf dem Podest.
Mann des Rennens
Lewis Hamilton: Allein ihm zuzusehen, war jede Minute wert, die man früher aufgestanden ist. Von Startplatz elf aus lag er schon nach dem Start im Regen direkt hinter Teamkollege Jenson Button. Bei abtrocknender Strecke brannte er danach ein Feuerwerk ab und überholte erst Webber, dann Massa und wenig später auch Rosberg. Nach einem zweiten Reifenwechsel lieferte er sich zunächst ein weiteres packendes Duell mit Webber, dann holte er rasant auf Alonso und Massa auf. Im Vergleich zu Teamkollege Button können Spötter Hamiltons Aktionen als brotlose Kunst bezeichnen, aber das Racer-Herz hat beim Anblick der Aktionen des Briten bis an die Decke geschlagen. Das war ganz, ganz großer Sport. Das tragische Ende durch den unverschuldeten Crash mit Webber hätte Shakespeare nicht besser schreiben können.
Flop des Rennens
Mark Webber: Der Australier hat beim Heimspiel seine Nerven nicht in den Griff bekommen. Zunächst lief eigentlich alles gut, doch nach dem ersten Boxenstopp machte er in der ersten Kurve einen Fehler und musste Massa passieren lassen. Später kämpfte er sich wieder an Massa vorbei, nur um im Duell mit Hamilton zu spät zu bremsen, den McLaren leicht zu berühren und selbst in die Wiese zu rutschen. Nach seinem zweiten Stopp holte er wieder rasant auf, beging dann aber wieder gegen Hamilton einen dummen Fehler und schoss den McLaren-Piloten endgültig ab. Für diesen Unfall wurde er im Nachhinein von der Rennleitung verwarnt. Nach einem Nasenwechsel wurde er im schnellsten Auto am Ende Neunter.
Szene des Rennens
Runde 16: Unfassbarer Dreikampf zwischen Hamilton, Massa und Webber. Erst geht Webber an Massa vorbei, und auch Hamilton rutscht mit durch. Dann schnappt sich der McLaren-Pilot wenige Kurven später auch noch außen herum Webber, doch der Australier bremst auf der noch feuchten Piste zu spät. Er und Hamilton kollidieren leicht, Webber rutscht in die Wiese. Massa lacht sich kaputt und schlüpft gegen beide wieder durch.
Lehren des Rennens
Gebt der Formel 1 ein bisschen Regen - und schon beschert sie den Fans eines der turbulentesten Rennen der letzten Jahre. Nach all den Diskussionen um die Formel Langeweile in Bahrain war der Australien-GP das genaue Gegenteil.
Mehr Action gab es aber nicht nur wegen des Regens. Man hatte auch den Eindruck, dass zumindest einige Fahrer ihre große Vorsicht aus dem ersten Rennen abgelegt haben. Einige - wie Hamilton - notgedrungen, weil sie aufholen mussten, andere, weil sie offenbar etwas mehr Vertrauen in die Haltbarkeit der Reifen hatten. Australien hat aber auch Überholmanöver etwas mehr begünstigt. Mal sehen, wie es in einer Woche in Malaysia läuft.
Eine bittere Lehre betrifft die deutschen Asse. Red Bull hat weiterhin das schnellste Auto, wirft aber wieder mal einen Sieg durch technische Probleme weg. Sebastian Vettel kann einem wirklich nur leid tun. Statt möglichen 50 Punkten hat er nach zwei Rennen nur 12 Zähler auf dem Konto.
Bei Mercedes bleibt die Erkenntnis, dass noch einiges an Speed fehlt. Frappierend war zu sehen, wie viel schneller Alonso im Ferrari das Feld aufrollen konnte als Schumacher im Mercedes. Ebenfalls Besorgnis erregend: Hamilton war auf der Geraden um Lichtjahre schneller als Rosberg.