Die Formel-1-Saison 2015 verspricht Spannung: Fünf Weltmeister, drei Deutsche, ein Haufen talentierter Neulinge. SPOX-Redakteur Alexander Maack bewertet nach jedem Grand Prix die fahrerischen Leistungen von Sebastian Vettel, Lewis Hamilton, Fernando Alonso und Co. und stellt sein persönliches Driver-Ranking auf. Teil 16: Der USA-GP in Austin/Texas.
Platz 1, Max Verstappen: Die Geschichte des Rennens hat Lewis Hamilton mit seinem dritten WM-Titel geschrieben, die beste Leistung aber lieferte Max Verstappen. Dafür gewinnt er erstmals die Tageswertung im Driver-Ranking. Der Niederländer verpasste nicht nur den Großteil des 3. Freien Trainings durch ein Problem mit seiner Renault-Powerunit und stellte den Toro Rosso trotz geringer Regentestfahrten in die Top 10, er beeindruckte im Rennen.
Egal, wer ihm vors Auto kam, Verstappen attackierte. Dass ein 18-Jähriger, der erst eineinhalb Jahre Autorennen fährt, eine derart herausragende Beurteilung der Größe von Lücken, Angriffschancen und Risiken an den Tag legt, ist für mich nach wie vor unverständlich. Verstappen überholte selbst auf den langen Geraden nahezu mühelos, obwohl der Toro Rosso keineswegs mehr der pfeilschnelle Hochgeschwindigkeitswagen der Vergangenheit ist, sondern mehr seinem großen Bruder von Red Bull ähnelt, bei dem Abtrieb höhere Kurvengeschwindigkeiten ermöglicht.
Verstappen bezeichnete seinen vierten Platz im Rennen selbst als das Maximum. Aus meiner Sicht war es mehr als das. Sergio Perez hielt er hinter sich, indem er einen zweiten Satz der weichen Reifenmischung in der Box abholte, als Vettel auf Mediums wechselte. Damit fuhr der Niederländer 28 Runden bis zur Zielflagge - ohne großen Leistungsabbau. Das war starkes Management. Die Frage, die sich fast wöchentlich stellt: Wohin soll das führen, wenn der Junge wirklich erfahren ist?
Platz 2, Sebastian Vettel: Der schnellste Mann im Rennen saß im Ferrari. Vettel brachte trotz Startplatz 13 die Mercedes in Gefahr, als er in den letzten Runden massiv aufholte und auf Nico Rosberg auflief. Dabei profitierte er von zwei echten und zwei virtuellen Safety-Car-Phasen, die verhinderten, dass sich das Feld weit auseinanderzog. Er legte die Grundlage dafür aber selbst.
Vettel kam mit dem Regen besser zu Recht als Räikkönen und tat sich im Rennen mit Überholmanövern etwas leichter, nachdem er bereits in der ersten Runde um sechs Plätze nach vorn gesprungen war. Der Anschluss an die Mercedes am Ende deutete daraufhin, dass Ferrari ohne die Motorenwechsel in Austin ein klarer Siegkandidat gewesen wäre. Doch auch mit Hindernissen war Vettels Fahrt stark. Glücklich war allerdings, dass er in Q1 den Ferrari beim Kontakt mit der Mauer nicht zerstörte.
Platz 3, Jenson Button: Der Engländer ist einer der Pechvögel der laufenden Saison. Nicht nur dass sein McLaren-Honda ihn immer wieder ausbremste, warf Button in der Driver-Ranking-Gesamtwertung zurück. Ihn ereilte das Pech auch immer wieder, wenn Fernando Alonso im baugleichen Auto auftrumpfen konnte. Mittlerweile hat sich das Bild zumindest leicht gewandelt. Button fährt noch immer mit der älteren Ausbaustufe des Honda-Triebwerks und hält trotzdem mit Alonso mit.
Austin bot ihm dazu die perfekte Gelegenheit. Button spulte eine vollkommen unaufgeregte Fahrt ab: größtmögliche Fahrzeugkontrolle und kaum Risiken. Das machte sich bezahlt. Obwohl ihm Alonso dank besserem Motor und mehr Grip auf der Hinterachse im Qualifying über eine Sekunde Rückstand aufbrummte, war es Button, der das zweite Top-6-Resultat der britisch-japanischen Kollaboration in der Saison 2015 holte. Wenn er von Problemen verschont bleibt, ist Button noch immer ein Spitzenpilot.
Platz 4, Daniel Ricciardo: Der Australier ist die ältere Version von Verstappen. Auch Ricciardo ist in der Lage, jeden Türspalt in ein Scheunentor zu verwandeln, sobald der Gegner ihm eine Chance zum Überholen gibt. Beispiel: Als Rosberg sich durch den auf die Strecke zurückfahrenden Kvyat irritieren ließ, stach der Australier erst durch und schnappte sich dann auch noch Hamilton. Ricciardo sammelte im Red Bull der Saison 2015 Führungsrunden. Wer hätte gedacht, dass das überhaupt möglich ist?
Hurrikan Patricia und Ricciardos Mut gaben die Gelegenheit dazu. Das erste Raunen ging durch sämtliche Formel-1-Wohnzimmer, als der Red Bull am Ende von Q1 plötzlich das Tableau anführte. Eine zusätzliche Portion Risikobereitschaft machte den Unterschied zu den Silberpfeil-Piloten aus. Als die im zweiten Quali-Teil aufdrehten und das Wetter schlechter wurde, war Ricciardo zwar "nur" noch Best of the Rest. Aber ganz ehrlich: Wer hätte darauf vor dem Wochenende auch nur einen Cent gewettet?
Platz 5, Nico Rosberg: Der Vizeweltmeister und WM-Dritte stand kurz davor, den Sonntagsdoppelpack aus vierter Pole Position und viertem Sieg in der Saison 2015 zu komplettieren. Doch er verschenkte es. Das Durchdrehen der kalten Räder wenige Runden vor Schluss mit Fastabflug war kostspielig und es war Rosbergs individueller Fehler, der ihm einen deutlichen Abzug in der Bewertung bescherte.
Bis dahin hatte er ein herausragendes Wochenende am Circuit of the Americas absolviert. Die Leistung im Qualifying war so exzellent wie im Vorjahr. Selbst als er sich nach Hamiltons unfairem Manöver beim Start von Platz 5 zurückkämpfen musste, zeigte Rosberg seine Klasse. Er überholte Hamilton entschlossen und sauber. Ab sofort braucht ihm keiner seiner Kritiker mehr vorwerfen, er hätte seinen Teamkollegen niemals auf der Strecke überholt. Nur muss sich Rosberg in Zukunft dafür selbst belohnen.
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Platz 6, Fernando Alonso: Pechvogel Alonso. Er holte das beste Qualifying-Resultat von McLaren-Honda nach dem Comeback der Japaner, doch Sekunden nach dem Start waren die Chancen auf eine Überraschung dahin. Ex-Ferrari-Kollege Felipe Massa und sein Williams räumten Alonso ab, der sich nach dem fälligen Boxenstopp auf die Aufholjagd begab.
Es funktionierte erstaunlich gut. Alonso wäre Fünfter geworden, wenn der Honda-Antrieb in der Schlussphase nicht mal wieder ausgesetzt hätte. So fiel der zweifache Weltmeister mal wieder unverschuldet ans Ende des Feldes zurück. Dass er den zehnten Platz mit einem kleinen Fehler an Ricciardo verschenkte, schmälert die gute Leistung etwas.
Platz 7, Lewis Hamilton: Weltmeister. Verdient. Doch in Austin übertrieb es Hamilton. Er erkannte am Start eine Lücke, die so nicht existierte. Er hätte Rosberg Luft lassen müssen. Eine Wagenbreite. Das Manöver war unfair. Zusätzliche Abzüge muss Hamilton für die erste Hälfte des Rennens einstecken, als er weder die Pace des aufholenden Rosberg noch die der Red Bull gehen konnte. Gleich mehrere Überholmanöver musste der dreifache Weltmeister hinnehmen.
Auf der anderen Seite sprechen einige Dinge für eine gute Bewertung: Die Wende auf Trockenreifen, mit denen sich Hamilton an Ricciardo und Kvyat vorbei hinter Rosberg in Position brachte, das Aufholen auf den neueren Reifen. Die Kontrolle über das Auto bei schwierigen Bedingungen. Hamilton leistete sich im Gegensatz zum Teamkollegen keinen Fehler. Und er begeisterte im 3. Freien Training.
Das gesamte Paddock wusste, dass das Ergebnis des Abschlusstrainings die Startaufstellung bestimmen könnte, wenn Hurrikan Patricia die erwarteten Niederschläge über dem CotA ausschütten würde. Hamilton nahm dem zweitplatzierten Vettel unter widrigen Bedingungen 0,863 Sekunden ab, Rosberg war mit demselben Material und Fahrfehler 1,957 Sekunden langsamer. Das war ein frühes Ausrufezeichen, dem anschließend einfache Punkte folgten.
Platz 8, Nico Hülkenberg: Ein weiteres Mal holte Sergio Perez für Force India die Kohlen aus dem Feuer, während sein deutscher Teamkollege kollidierte. Doch ganz so einfach ist die Sache nicht. Der Reihe nach: Perez qualifizierte sich vor Regenkönner Hülkenberg, der in den Trainings nach ganz vorne geschwommen war. Im Rennen aber kam der Mexikaner überhaupt nicht mit den Slicks zurecht. Das nutzte Hülk und zog davon.
Schließlich folgte der Crash mit Ricciardo in Turn 12. Auf den ersten Blick schien es, als wäre der Le-Mans-Sieger eindeutig dafür verantwortlich, doch Force India lieferte eine einleuchtende Erklärung, die ihn entlastete. Hülkenbergs Frontflügel war beim Anbremsen kollabiert und runtergeknickt. Somit hatte er keine Chance, rechtzeitig zu verzögern und richtig einzubiegen. Ein technischer Fehler machte die gute Leistung zunichte, die zu einem Kampf mit Verstappen um Platz 4 geführt hätte.
Platz 9, Romain Grosjean: Eine schwierige Entscheidung, wem die letzten beiden Plätze im Driver-Ranking gebühren. Daniil Kvyat, Alexander Rossi und Romain Grosjean fuhren für mich auf ähnlichem Niveau. Den Ausschlag hat letztlich gegeben, dass die oberste Priorität für einen Fahrer immer bleiben wird, das Auto ohne individuelle Fehler um den Kurs zu bewegen.
Das machte Grosjean vorbildlich. Dem Lotus E23 mangelt es an Anpressdruck, der Mercedes-Motor ist der große Pluspunkt. Das bedeutet: Im Regen haben Grosjean und Maldonado riesige Nachteile, weil ihr Auto von einem Sekundenbruchteil zum anderen bockig ausbrechen kann. Der Franzose kam mit den Einschränkungen in Austin bestens klar. Grosjean war im Qualifying mehr als eine Sekunde schneller als der Venezolaner.
Trotzdem endete Grosjeans Rennen früh. Sogar früher als im TV-Bild zu sehen. Er bekam schon in der ersten Kurve einen Stoß von hinten. Der Unterboden und die Bremsen nahmen Schaden. Bei den drei Boxenstopps war nichts zu retten. Die Aufgabe war folgerichtig.
Platz 10, Alexander Rossi: Einen Rennwagen schnell um die Strecke zu bewegen, erfordert neben Talent auch eine Menge Übung. Lewis Hamilton war in seiner Rookie-Saison bei McLaren auch deshalb schnell, weil er zuvor zehntausende Kilometer beim Testen geschrubbt hatte.
Diese Erfahrung fehlt Rossi. Zusätzlich hatte er in Russland das Manor-Cockpit geräumt, um in der GP2 den Versuch zu unternehmen, McLaren-Supertalent Stoffel Vandoorne den Titel doch noch streitig zu machen. Er scheiterte und war trotz der zweifachen Umstellung in Austin unter Hurrikan-Bedingungen direkt wieder vor seinem Teamkollegen Will Stevens.
Der erste US-Amerikaner bei einem USA-GP seit Scott Speed fuhr zwar ein einsames Rennen, nachdem ihm Stevens beim Start unnötigerweise ins Heck gerauscht war, er hielt aber den Anschluss so gut es ging, um von Fehlern der Konkurrenz zu profitieren. Der Poker ging insofern nicht auf, dass Rossi keinen Punkt abstaubte. Er kämpfte aber mit Saubers Felipe Nasr, der in 42 Runden fünfmal in die Box fuhr, und egalisierte das beste Saisonresultat für Manor durch Roberto Merhi beim Großbritannien-GP ein.
Härtefall, Carlos Sainz jr.: Während Verstappen brillierte, legte sein spanischer Teamkollege eine bravouröse Aufholjagd hin. Sainz aber war für die Niederlage im Toro-Rosso-Duell selbst verantwortlich. Am zweiten Rennwochenende in Folge leistete er sich einen Unfall mit Nachwirkungen. Dazu kam eine Zeitstrafe, weil er mal wieder zu schnell in die Boxengasse fuhr. Sainz muss seine Fehleranfälligkeit schnell abstellen, Red Bull hat zu viele gute Talente in der Warteschleife.
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