Alonso hätte so viel mehr verdient...

Dominik Geißler
13. November 201719:51
Fernando Alonso wurde 2005 und 2006 Formel-1-Weltmeisterxpb
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Nach jedem Grand Prix der Formel 1 bewertet SPOX die Leistungen der Fahrer am vergangenen Wochenende. Teil 19 der Saison 2017: der Große Preis von Brasilien. Während sich Fernando Alonso abermals für höhere Aufgaben empfiehlt, verpasst Sebastian Vettel die Spitzenposition. Lewis Hamilton wird für seine Aufholjagd belohnt und für seinen Quali-Fehler abgestraft. Valtteri Bottas zeigt zwei Gesichter.

Platz 10, Sergio Perez:

Zum ersten Mal seit dem Großen Preis von Singapur hat der Mexikaner seinen teaminternen Widersacher Esteban Ocon im Qualifying geschlagen. Mit einer famosen Runde, die ihn bis auf Startplatz fünf brachte.

Die gute Position verlor er aber direkt zu Beginn des Rennens. In Kurve eins ließ er sich außen von Fernando Alonso düpieren, ehe er im anschließenden Turn ins Gras ausweichen musste. Die kurze Offroad-Fahrt nahm ihm jegliche Traktion, sodass er gleich mehrere Positionen verlor. Perez berappelte sich aber von der unglücklichen ersten Runde und kämpfte sich bis zur Ziellinie zurück, quasi direkt ins Getriebe von Alonso. Ein paar Meter mehr und er hätte den McLaren-Piloten noch überholt.

Platz 9, Nico Hülkenberg:

Wenn man sagt, dass Sebastian Vettel seine Durststrecke beendet hat, so gilt das auch für Nico Hülkenberg. Seit dem Belgien-GP im August hatte der Emmericher nämlich nicht mehr gepunktet. Jetzt durfte er immerhin einen Zähler mit nach Hause nehmen. Bevor die Ampellichter erloschen, hat Hülk sicherlich auf noch mehr gehofft, doch mit dem Renault waren in Interlagos keine Heldentaten möglich. Immerhin hat er seinen Teamkollegen Carlos Sainz Junior in die Schranken gewiesen.

Platz 8, Daniel Ricciardo:

Das Pech, das Max Verstappen über weite Strecken der Saison an seinen Reifen kleben hatte, hat er jetzt offenbar Daniel Ricciardo übergeben. Nach Mexiko musste der Australier nun schon zum zweiten Mal in Folge unerlaubterweise Motorenteile wechseln und somit abermals eine Startplatzstrafe in Kauf nehmen.

Dass es nach dem Start im Mittelfeld besonders eng zur Sache geht, erlebte Ricciardo am eigenen Leib, als ihn Vandoorne umdrehte. Vom letzten Platz aus pflügte sich der fünfmalige GP-Sieger anschließend durchs Feld und sorgte dabei für die schönsten Überholmanöver des Rennens. Mehr als der sechste Rang war am Ende nicht möglich.

Platz 7, Lewis Hamilton:

Es ist schon ein wenig kurios: Kaum ist der Engländer Weltmeister, macht er Fehler. Und zwar einen ziemlich dicken, der ihm das früheste selbstverschuldete Quali-Aus seit dem Deutschland-GP 2014 bescherte.

Den Vorwurf, dass er die Saison nur noch halbgar zu Ende fahren würde, wollte sich Hamilton aber offenbar nicht machen lassen. Im Rennen zeigte er sich nämlich wieder von seiner besten Seite. Von dem Kuddelmuddel am Start mit einigen Ausfällen und anschließender Safety-Car-Phase profitiert, überholte der Mercedes-Pilot anschließend Konkurrent um Konkurrent - die ersten zwölf Umläufe im Schnitt je einen.

Auf einer Strecke wie dem Autodromo Jose Carlos Pace ist das in einem Silberpfeil zwar nur bedingt außergewöhnlich. Wie er aber nebenbei die Lücke zur Spitze zugefahren hat, ist dann doch beachtlich. 5,5 Sekunden waren es am Ende auf Rennsieger Sebastian Vettel.

Umso zwiegespaltener dürfte Hamilton über das Wochenende denken. Sein Speed war da, doch hat er sich mit einem unnötigen Fehler selbst jeglicher Siegchance beraubt. Für die Mercedes-Konkurrenz offenbarte das Wochenende übrigens nichts Gutes. Hamilton hatte die neueste Motor-Version im Heck sitzen und durfte diesen voll ausschöpfen. Resultat: rund 15 PS mehr Leistung und auf der Geraden über sieben km/h Geschwindigkeitsvorteil gegenüber Ferrari.

Platz 6, Valtteri Bottas:

Wie in Mexiko wurde der Finne Zweiter. Kann er damit zufrieden sein? Nein. Dauer-Kritiker Jacques Villeneuve ging gegenüber motorsport-total.com sogar noch einen Schritt weiter und polterte: "Das ist peinlich für Bottas. Sein Niveau ist das eines guten Nummer-2-Piloten."

Damit muss man dem Weltmeister von 1997 wohl Recht geben. Während Bottas in der ersten Saisonhälfte überzeugte und teilweise schneller als Hamilton war, geht seit der Sommerpause wenig bis nichts zusammen. In Brasilien hätte er die Chance gehabt, in Abwesenheit seines Teamkollegen zu gewinnen, scheiterte aber aufgrund des schlechteren Starts an Vettel.

Warum er im hiesigen Ranking trotzdem vor Hamilton steht? Weil er sich im Qualifying keinen groben Patzer leistete, sondern mit einem perfekten Run in Q3 die Pole Position schnappte. Im Rennen hätte er aber aggressiver zu Werke gehen und, wie es Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff es nannte, "mehr Killerinstinkt" zeigen müssen.

Platz 5, Kimi Räikkönen:

Großer Preis der USA: Dritter. Großer Preis von Mexiko: Dritter. Großer Preis von Brasilien: Dritter. Kimi Räikkönen hat offenbar seine neue Lieblingsposition gefunden, zumindest könnte man das bei Betrachtung seiner letzten Ergebnisse meinen.

Dass er abermals den Sprung aufs Siegerpodest schaffte, verdankte der Iceman seiner Abgeklärtheit, als Hamilton gegen Ende des Rennens immer näher und näher kam. Und dem Fakt, dass die Reifen des Engländers in den letzten Umläufen in die Knie gingen.

Gegen Vettel zog er zwar mal wieder den Kürzeren, doch war Räikkönen über weite Strecken ebenbürtig und vor allem im zweiten Stint oft der schnellere der beiden Ferrari-Piloten.

Platz 4, Max Verstappen:

Bei 72 Prozent Vollgas-Anteil ist in einem Red Bull nicht viel zu holen. Vor allem nicht dann, wenn man den Renault-Motor aus Sicherheitsgründen auch noch etwas zurückfährt. Platz fünf war für Verstappen daher nach dem Sieg in Mexiko das Maximum.

Im Qualifying war er abermals schneller als Teamkollege Ricciardo. Im Rennen hielt er lange mit Räikkönen mit, ehe seine aggressive Fahrweise ihm die Softreifen kaputt machte. Dramatisch war das nicht, er hatte genug Vorsprung auf seine Verfolger und konnte problemlos einen Sicherheitsstopp einlegen.

Platz 3, Felipe Massa:

So emotional wie letztes Jahr war Massas zweiter Abschied vor den heimischen Fans nicht. Die Bilder auf dem Podium, auf das der Lokalmatador nach der Siegerehrung schreiten durfte, waren trotzdem etwas Besonderes.

Sportlich hatte sich Massa an diesem Tag zwar nicht für das Podest qualifiziert. Das lag aber eher am Williams als an seiner Wochenendleistung. Der 36-Jährige brachte sich mit einem perfekten Start und dem Überholmanöver gegen Alonso in die beste Position, die für ihn drin war. Gegen Hamilton und Ricciardo war er chancenlos.

Im Kampf gegen seinen einstigen Ferrari-Gefährten Alonso hatte Massa zwar die Stärken des Mercedes-Motors auf seiner Seite, trotzdem muss man ihn für seine Coolness loben. Wie fast immer in Sao Paulo ein gelungener Auftritt des baldigen Formel-1-Rentners.

Platz 2, Sebastian Vettel:

Ein paar Donuts vor den brasilianischen Fans, ein bisschen Champagner auf dem Podium - Siegen kann so schön sein! Schade nur für Vettel, dass die 25 Punkte nicht mehr viel bringen, weil sich Hamilton die Krone bekanntermaßen schon aufgesetzt hat.

Im Qualifying im entscheidenden letzten Versuch mit zwei kleinen Fehlern die Pole verpasst, lief das Rennen aus Sicht des Heppenheimers aber perfekt. Mit dem Überholmanöver am Start die Führung übernommen, gelang es Vettel, die Konkurrenz scheinbar mühelos hinter sich zu lassen.

Beim Restart gab er im richtigen Moment Gas, anschließend wurde es einzig beim beim Undercut-Versuch der Mercedes-Mannschaft eng. Mit einer starken Inlap gewann der Ferrari-Pilot aber die notwendigen Zehntelsekunden, um vorne zu bleiben.

Platz 1, Fernando Alonso:

Man kann nur hoffen, dass McLaren im nächsten Jahr dank des Renault-Motors endlich konkurrenzfähig wird. Denn dieser Fernando Alonso verdient es einfach, um Siege und WM-Titel zu fahren. Das bewies er an diesem Wochenende wieder eindrucksvoll.

Sowohl am Samstag als auch am Sonntag war die Leistung des Spaniers tadellos. Trotz Honda-Handicap manövrierte er seinen Boliden dauerhaft durch die Top 10, nach dem Start sogar vorrübergehend auf Position fünf.

Nur bitter für Alonso, dass das Power-Defizit des japanischen Motors eben so groß ist, dass er nicht nur Toro Rosso vorzeitig für seinen neuen Herstellerpartner Honda bemitleidet ("Die fehlende Leistung sollte für Toro Rosso im kommenden Jahr besorgniserregend sein"), sondern dass er auf der langen Start-Ziel-Geraden auch gänzlich machtlos schien. Selbst mit DRS-Hilfe war gegen den Speed des Massa-Williams kein Kraut gewachsen, Platz acht somit das Maximum. Immerhin überquerte er die Ziellinie 0,136 Sekunden vor dem heraneilenden Sergio Perez.