Das Jahr 2013 ist für Sergio Perez eine Art Neustart. Der Mexikaner wechselte nach der letzten Saison von Sauber zu McLaren und steht nun vor der größten Herausforderung seiner Karriere. Doch der 23-Jährige merkt langsam: Aller Anfang ist schwer...
Den 26. Februar 2011 werden die Bewohner Guadalajaras nicht so schnell vergessen. Bis zu 200.000 Menschen säumten an diesem Tag die Straßen der mexikanischen Millionenstadt. Die Verhältnisse glichen einem Nationalfeiertag.
Doch die Leute kamen nicht, um einem Politiker, Popstar oder Schauspieler zuzujubeln. Der Grund für die Begeisterungsstürme war ein 21-jähriger, der angesichts seines unscheinbaren Äußeren in der Menschenmasse fast untergegangen war.
"Das war einer der schönsten Tage meines Lebens", sagte Sergio Perez im Nachhinein. "Ich habe noch nie etwas Vergleichbares empfunden wie hier, als mir so viele Menschen zujubelten. Ich bin stolz, Mexikaner zu sein, und stolz, so viel Unterstützung zu erfahren."
Perez kehrte an diesem Tag mit dem Sauber-Team für eine Demofahrt in seine Heimatstadt zurück. Es reichten acht Runden auf einem 1,5 Kilometer langen und abgesperrten Parcours, um die Meute in helle Verzückung zu versetzen.
Von Sauber zu McLaren
Seit diesen denkwürdigen Szenen sind etwas mehr als zwei Jahre vergangen. Aus Perez ist in dieser Zeit kein stämmiger Mann geworden, dieselben jugendlichen Gesichtszüge, die verstrubbelten dunklen Haare. Und dennoch wird am Sonntag in Melbourne ein anderer Rennfahrer in seine mittlerweile dritte Formel-1-Saison starten.
Hinter Perez liegt ein Tapetenwechsel, der seine Welt auf den Kopf gestellt hat. Nachdem er in den letzten beiden Jahren bei Sauber für Furore gesorgt hatte und dreimal auf das Podium gefahren war, entschied sich der Mexikaner für den nächsten Schritt in seiner Karriere.
McLaren, ein Team mit einer langen Historie und dem permanenten Anspruch auf die Weltmeisterschaft, ist sein neues Zuhause. Vielleicht wirkt Perez, der bei McLaren den zu Mercedes abgewanderten Lewis Hamilton ersetzt, auch deswegen oftmals nachdenklicher als in der Vergangenheit.
Neuland für Perez
Bei den Chrompfeilen erinnert nicht mehr viel an die familiäre Atmosphäre, für die Sauber genauso bekannt wie beliebt ist. "Auf einer Skala von ein bis zehn, würde ich einmal sagen... sechs, sieben vielleicht", beschrieb Perez seinen Einstand bei den Briten.
Es ist noch vieles Neuland. Die Mechaniker, die Bosse, der Teamkollege - Perez wirkte nach seinem ersten Testtag in Jerez wie Alice im Wunderland. "Für mich ist alles neu. Das Team, das Auto, der Motor, das Cockpit, die Arbeitsabläufe. Es ist wie ein Start bei Null. Ich muss mich an alles neu gewöhnen, von den Pedalen bis zur Lenkradstellung. Noch fühle ich mich nicht zu 100 Prozent zuhause an meinem Platz."
Dass mit Jenson Button ein Mann an seiner Seite ist, der nicht nur einen WM-Titel in seiner Vita stehen hat, sondern vom Team auf Grund seines Fahrgefühls und großer Fähigkeiten hochgeschätzt wird, könnte für Perez dabei Segen und Fluch zugleich sein.
"Ich kann mich als Fahrer glücklich schätzen, einen Weltmeister an meiner Seite zu haben, der gleichzeitig so ein guter Kerl ist." Allerdings ist sich Checo, wie Perez häufig gerufen wird, auch bewusst, dass McLaren "Buttons Team" ist.
Perez: "Ich muss mich anpassen"
Er muss sich erst mal hinten anstellen, ob er will oder nicht. Das wird vor allem offensichtlich, wenn man Perez' Aussagen nach den ersten Testfahrten richtig deutet. "Jenson ist natürlich sehr erfahren und hat eine Menge davon in dieses Auto einfließen lassen", so Perez.
"Das Auto ist schon etwas an Jensons Fahrstil angepasst, nahezu darauf ausgerichtet. Nun muss ich mich eben daran anpassen." Dass McLaren Perez in den Wintermonaten besonders unter die Lupe genommen und ihm Fitness- und Mentaltraining sowie endlose Stunden mit den Ingenieuren und im Simulator verschrieben hat, scheint eine weise Vorahnung gewesen zu sein.
Teamchef Martin Whitmarsh und Co. wollen aus Perez vielleicht nicht einen komplett neuen Rennfahrer machen. Doch der Schützling soll ihren Stempel tragen. "Die Vorbereitung auf diese Saison war intensiver als je zuvor in meiner Karriere. Aber die Motivation ist auch eine ganz andere, wenn du weißt, dass da ein Auto steht, mit dem du gewinnen kannst", gibt sich Perez verständnisvoll.
Größte Herausforderung seiner Karriere
Man merkt ihm an, dass er genauestens darauf achtet, nichts Falsches von sich zu geben. Zu groß ist die Angst, sich die Chance seines Lebens zu verderben. "Es ist eine einmalige Chance, und ich will sie nicht wegwerfen."
Dass er bei den Testfahrten in Jerez und vor allem in Barcelona - unter anderem mit einer Bestzeit - zeitweise andeutete, warum er vor seinem Engagement bei McLaren zu den begehrtesten Fahrern im Feld gehört hatte, mag für sein Selbstbewusstsein gut gewesen sein. McLaren wird von seinem Neuzugang aber wohl mehr erwarten.
"Hier geht es darum, Meisterschaften zu gewinnen. In jedem Rennen konstant 100 Prozent zu geben, wird nicht einfach werden", so Perez, der vor der größten Herausforderung seiner noch jungen Karriere steht. "Er realisiert jetzt, dass es eine Menge Druck gibt als McLaren-Fahrer", erklärte Whitmarsh zuletzt.
Das große Ziel
Er wird unter besonderer Beobachtung stehen. Eine Situation, die Perez allerdings bekannt vorkommen dürfte. Zu Beginn seiner Laufbahn oft als Paydriver ohne Talent - hinter ihm steht der mexikanische Mobilfunk-Gigant Telmex als finanzstarker Sponsor - verschrien, antwortete Perez mit Leistung.
Einzig sein berühmt-berüchtigtes süd- bzw. lateinamerikanisches Temperament machte ihm ab und zu einen Strich durch die Rechnung.
Das hielt ihn allerdings nicht davon ab, früh sein Revier zu markieren: "Ich bin nicht in der Formel 1, um mitzufahren. Ich will eines Tages Weltmeister werden." Einen Traum, den er sich irgendwann im McLaren erfüllen will. Die Bewohner Guadalajaras dürften es kaum erwarten können.
Der Rennkalender 2013