St. Gallen - Für große Aufregung und Unruhe hat der Ex-Stuttgarter Marco Streller bei EM-Gastgeber Schweiz mit seiner überraschenden Rücktrittsankündigung gesorgt. "Nach der EM höre ich definitiv auf", kündigte der 26-jährige Stürmer nach dem Testspiel gegen Liechtenstein (3:0) verärgert an.
Eine Woche vor dem EM-Eröffnungsspiel gegen Tschechien lieferte der 28-malige Nationalspieler damit unliebsamen Zündstoff bei den Eidgenossen.
Der Paukenschlag von Streller rückte den Torjäger von Borussia Dortmund, Alexander Frei, etwas in den Schatten: Er avancierte mit seinem Doppelpack bei der EM-Generalprobe mit nun 35 Treffern zum neuen Rekordschützen der Schweizer Nationalmannschaft.
Von Pfiffen gekränkt
Streller, 2007 deutscher Meister mit dem VfB Stuttgart, fühlte sich bei seiner Auswechslung (59. Minute für Hakan Yakim) durch die Pfiffe des Publikums in der AFG Arena von St. Gallen am Freitagabend gekränkt.
Seit dem verlorenen Elfmeterschießen im Achtelfinale der Weltmeisterschaft 2006 gegen die Ukraine ist Streller, der damals nicht traf, immer wieder zur Zielscheibe von Schmähungen geworden.
Frei schreibt Geschichte
"Es war ein großartiger Moment. Ich habe Schweizer Fußball-Geschichte geschrieben, aber jetzt gilt es, nach vorne zu schauen", freute sich dagegen Sturm-Partner Frei. Der Bundesliga-Profi übertraf im 59. Länderspiel mit seinen beiden Toren (24./31. Minute) die alte Rekordmarke von Kubilay Türkyilmaz (34 Treffer).
"Ich gönne es Alex Frei von ganzem Herzen. Es ging in seiner Karriere in letzter Zeit ja nicht nur gut wegen der Verletzungen", sagte der Schweizer Nationaltrainer Jakob "Köbi" Kuhn, "aber er ist ein großer Kämpfer mit einem großen Herzen. Das tut der ganzen Mannschaft gut."
EM als Mutmacher
Vor allem aber war es Balsam für Kuhns Kapitän, der nach Hüft- und Waden-Operationen neun Monate pausieren und um die EM-Teilnahme bangen musste.
"Das ist eine Saison gewesen, die ich nie wieder erleben möchte. Ich habe mich immer an der EM hochgezogen", meinte Frei. "Ich hoffe nun, es geht am 7. Juni so weiter wie heute."
Liechtenstein kein Gradmesser
Allerdings gab die Partie gegen die biederen Liechtensteiner nicht wirklich Aufschluss über die Leistungsstärke der Schweiz vor dem Duell mit Tschechien, das sich mit einem 3:1 gegen Schottland auf den EM-Start einschoss.
"Mehr oder weniger bin ich mit dem Spiel zufrieden", resümierte Kuhn und fügte ehrlich an: "Wir wurden eingeladen, die ersten beiden Tore zu schießen." Treffer Nummer drei erzielte Johan Vonlanthen (68.).
"Es ist klar, dass im Hinblick auf das Spiel gegen die Tschechen noch einiges zu verbessern ist", weiß Kuhn, dessen Team bei der EM noch auf die Türkei und Portugal trifft.
Bangen um Barnetta
Bangen muss der Nationalcoach weiter um seinen Spielmacher Tranquillo Barnetta, der nach einer Knöchelverletzung pausierte. "Ich möchte jetzt eigentlich noch nicht über die Aufstellung vom nächsten Samstag reden. Es wird sich zeigen, ob er am 7. Juni schon bereit ist", sagte Kuhn.
Der 23-jährige Mittelfeldakteur von Bayer 04 Leverkusen freute sich "über den sehr kontrollierten Auftritt" seines Teams und vor allem über Freis Rekord: "Wir sind stolz, ihn bei uns im Team zu haben. Die Tore kamen für uns zum richtigen Zeitpunkt."
Müller überzeugt
Zufrieden zeigte sich Kuhn über die Leistung seines Abwehrchefs Patrick Müller, der einen Tag vor dem Testspiel eine Woche zuvor gegen Slowenien (2:0) ohne Genehmigung den französischen Erstligisten Olympique Lyon verlassen hatte.
"Er bewegt sich auf dem Niveau, dass wir gegen die Tschechen erwarten können", so Kuhn. "Ich hoffe, dass er der Abwehr die nötige Sicherheit geben kann. Er machte in den beiden Spielen wenig Fehler."
Nach dem Liechtenstein-Spiel gewährte der Nationalcoach seinen 23 Spielern zwei Tage Heimurlaub bis zum Einzug ins EM-Quartier in Feusisberg hoch über Zürich.