Mit Aleksandar Dragovic und Julian Baumgartlinger verpflichtete Bayer Leverkusen in der abgelaufenen Transferphase zwei österreichische Nationalspieler. Einst spielten sie gemeinsam bei Austria Wien - SPOX sprach mit ihrem damaligen Trainer Karl Daxbacher und stellt das ungleiche Duo vor.
Julian Baumgartlinger hat keinen öffentlichen Facebook-Account und bei Twitter ist er auch nicht aktiv. Der 28-Jährige sei einfach "nicht der Selbstdarstellungs-Typ", wie er der RP mal sagte, und sehe keinen Mehrwert darin, "nach jedem Sieg ein Gruppenselfie zu posten". Sein neuer Teamkollege bei Bayer Leverkusen und altbekannter Nationalelf-Mitspieler Aleksandar Dragovic ist da anders gestrickt.
Um Dragovics bisher letztes Gruppenfoto aus der Kabine zu finden, dauert es aber trotzdem etwas, da liegt eben die Sommerpause dazwischen. Scrollt man seine Facebook-Pinnwand Richtung Süden, passiert man Dragovic mit seinem Physio und beim Fußbad, Dragovic am Meer und beim Stadt-Bummel in Kiew - und dann endlich: 24. April, Gruppenfoto aus der Dynamo-Kabine. Den nationalen Meistertitel galt es zu feiern.
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Nur eine kleine Gegenüberstellung, klar, aber eine, die zeigt: Bayer 04 Leverkusen hat in der abgelaufenen Transferphase zwei Österreicher verpflichtet, die abgesehen von ihrer Nationalität recht wenige Gemeinsamkeiten haben. "Baumgartlinger ist sehr korrekt und brav", sagt ihr Ex-Trainer Karl Daxbacher im Gespräch mit SPOX, "und Dragovic eher ein Schlitzohr."
Als Trainer der Wiener Austria verhalf Daxbacher einst Dragovic und Baumgartlinger zum Debüt in der österreichischen Bundesliga. Der Weg, den die beiden bis dahin zurückgelegt hatten, könnte unterschiedlicher kaum sein.
Umgeschult
Als Sohn serbischer Einwanderer kam Dragovic 1991 in Wien zur Welt. Im Alter von sieben Jahren schloss er sich der Austria an, durchlief dort alle Jugendmannschaften und debütierte mit 17 in der Profimannschaft. "Das war eigentlich nicht so geplant", erinnert sich Daxbacher, aber "seine hervorragenden Trainingsleistungen" zwangen den Coach quasi zu diesem Schritt. Außerdem war Dragovic "in jungen Jahren strategisch schon sehr fortgeschritten".
Im defensiven Mittelfeld brachte Daxbacher seine Nachwuchshoffnung zuerst, bald schulte er ihn zum Innenverteidiger um. Für Dragovic war eines ungewohnter als das andere. In der Jugend spielte er immer offensiv, manchmal sogar Stürmer. Deshalb hatte Daxbacher anfangs selbst "die Befürchtung, dass er nicht kampfkräftig genug sein könnte und ihm die nötige Kopfball- und Zweikampfstärke fehlen würden". Er probierte es trotzdem mit Dragovic in der Innenverteidigung - und sollte es nicht bereuen.
Knapp vier Monate nach seinem ersten Einsatz hatte Dragovic seinen Stammplatz sicher. "Dass er so einen Weg machen würde, war nicht absehbar", erzählt Daxbacher. Im Sommer 2009 traf Dragovic auf diesem Weg erstmals auf Baumgartlinger, der gerade zur Austria gewechselt war.
Ausgewandert
Während Dragovic in seiner Berufs-Karriere bis zu diesem Zeitpunkt ausschließlich in Wien-Favoriten tätig war, konnte Baumgartlinger schon auf Auslands-Erfahrung zurückblicken. Nahe Salzburg geboren, wechselte er mit 13 in die Jugendabteilung von 1860 München. Der Schritt sei "ein bisschen naiv" gewesen, erzählte Baumgartlinger später und Heimweh hatte er auch bald. Baumgartlinger biss sich aber durch und kämpfte sich vor bis in die Profimannschaft der Löwen.
Mit Durchkämpfen hatte Baumgartlinger damals schon reichlich Erfahrung. Als Kind war er begeisterter Leichtathlet. Gebracht hat ihm das nicht nur eine hervorragende Koordination, Athletik und Ausdauer, sondern auch eine gewisse Einstellung. "Bei einem Crosslauf geht es nur darum, sich zu überwinden", sagte er mal gegenüber 11freunde.
Trotz dieser leichtathletischen Anfänge und ersten Skiversuchen im Alter von drei Jahren entschied sich der junge Baumgartlinger bald für den Fußball. Im Team interagieren und die Mitspieler anleiten - das war es, was Baumgartlinger immer schon gerne und gut machte. Bei Mainz trug er in der vergangenen Saison die Kapitänsbinde, seit diesem Sommer in der österreichischen Nationalmannschaft.
"Hinsichtlich seines Auftretens, seines Einsatzes und seiner Intelligenz hatte er schon damals das absolute Potenzial zum Führungsspieler", erinnert sich Daxbacher an Baumgartlingers Anfänge bei der Austria. Mit 21 kehrte er von 1860 nach Österreich zurück und etablierte sich bei der Austria im taktischen Zentrum des Feldes. Obwohl er sein Profidebüt als Außenverteidiger feierte, ist Baumgartlinger der geborene Sechser. "Diese Position entspricht meiner Mentalität", sagte er 11freunde. "Ihn zeichnen eine enorme Lauf- und Kampfbereitschaft sowie ein seriöses, intelligentes Auftreten aus", beschreibt Daxbacher Baumgartlingers Vorzüge.
Zurückhaltend und tosend
Bei der Wiener Austria agierte Baumgartlinger fortan vor Innenverteidiger Dragovic. In einer Mannschaft, die gespickt war mit Spielern, die später ihren Durchbruch in Deutschland schaffen sollten: Zlatko Junuzovic, Markus Suttner, Florian Klein, Michael Liendl, Rubin Okotie. Der große Geldgeber Frank Stronach war abgesprungen, die Austria somit "gezwungen, auf jüngere Spieler zu setzen", wie sich Daxbacher erinnert.
Das Duo nutzte die Gelegenheit und entwickelte sich, bis die Austria zu klein für sie wurde. Im Januar 2011 wechselte Dragovic in die Schweiz zum FC Basel, Baumgartlinger im darauffolgenden Sommer zum FSV Mainz 05.
Fünf Jahre lang rannte Baumgartlinger dann eher geräuschlos durch deutsche Bundesligastadien, stellte Räume zu, empfahl sich zurückhaltend für höhere Aufgaben und sagte Sachen wie: "Wenn es nicht zu einer Profikarriere gereicht hätte, würde ich jetzt wohl Medizin studieren." Dragovics Karriere war stets tosender. Im positiven wie im negativen Sinne.
Schläge auf den Hinterkopf
In fünfeinhalb Jahren gewann der Innenverteidiger fünf nationale Meistertitel, drei mit dem FC Basel und zwei mit Dynamo Kiew, wo er 2013 für neun Millionen Euro hinwechselte. Nebenher galt es, drei Pokalsiege zu feiern.
2012 ging es bei einer dieser Pokalübergaben besonders spaßig zu. Eher grundlos schlug Dragovic dem anwesenden Schweizer Bundesrat und Sportminister Ueli Maurer zweimal leicht auf den Hinterkopf. Der Verein forderte Dragovic daraufhin auf, sich zu entschuldigen - was er recht unwillig tat. "Ich kann mich bei diesem Ueli Maurer oder wie der auch immer heißt nur entschuldigen - auch wenn es sehr, sehr schwer fällt", sagte er am Basler Feier-Balkon. Die Aktion hätte ihm aber "sehr, sehr viel Spaß gemacht". Zwei Wochen zuvor zündete er bei der Meisterfeier eine Pyro-Fackel. Es war nicht gelogen, als Dragovic der Tiroler Tageszeitung mal sagte, er sei "bei jedem Blödsinn dabei".
Auf dem Platz machte Dragovic jedoch wenig davon - und sich so vor allem für Premier-League-Vereine interessant. Geklappt hat der Wechsel letztlich aber in die Bundesliga zu Bayer Leverkusen. "Faszinierend" seien die Gespräche mit Trainer Roger Schmidt für Dragovic gewesen und er selbst "der glücklichste Mensch auf Erden", als der Wechsel dann für 18 Millionen Euro fixiert wurde und er in der Kabine auf seinen Nationalteam-Kollegen Baumgartlinger traf. Dessen Transfer wurde schon einige Wochen zuvor vollzogen und war mit einer Ablösesumme von vier Millionen Euro deutlich kostengünstiger.
Ehrgeiz und Zielstrebigkeit
Für beide ist der Wechsel nach Leverkusen der Sprung auf ein neues Level. Den nötigen Ehrgeiz und die Zielstrebigkeit, um sich in die erste Mannschaft der Werkself zu kämpfen, haben laut Daxbacher beide und fußballerisch hätten sie sich seit ihrer Zeit unter ihm bei der Austria enorm weiterentwickelt. Dragovic "im Zweikampfverhalten" und Baumgartlinger hinsichtlich "seiner technischen Fähigkeiten sowie seiner Passqualität und -sicherheit".
Weiterentwickelt hat sich seit ihrer Zusammenkunft in Leverkusen aber vor allem die Social-Media-Präsenz von Julian Baumgartlinger. Nach der Champions-League-Partie gegen ZSKA Moskau, dem zweiten Spiel, in dem Dragovic und Baumgartlinger zusammen im Bayer-Kader standen war es soweit: Gemeinsames Foto auf Facebook. Es wird nicht das letzte bleiben.
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