Man hatte immer irgendwie geahnt, dass Berti Vogts falsch lag. Sein Mantra, wonach es "keine Kleinen mehr" in Europa gebe, schien schon damals, Mitte der 90er Jahre, nicht mehr als eine billige Schutzbehauptung zu sein.
Die Kleinen waren so klein wie immer, nur die Deutschen waren weniger groß, als sie es gerne gehabt hätten. Und siehe da, auch anderthalb Jahrzehnte später tummeln sie sich noch in Europas Fußballarenen, all die Luxemburgs, Liechtensteins und Maltas. Und Vogts' Nachnachfolger Joachim Löw hat mit der DFB-Elf erst vor kurzem einen 3:0-Sieg gegen die Färöer eingefahren.
Auch am Freitag fordern die Zwerge wieder die Riesen, das Fürstentum Andorra tritt im De Kuip in Rotterdam gegen die Niederlande an, die Republik San Marino in Wembley gegen England. "Lasst sie spielen", sagt FIFA-Präsident Joseph Blatter, der sich Ende September noch einmal gegen die Einführung einer Vor-Qualifikation aussprach, in der sich die traditionell Erfolglosen gegenseitig eliminieren würden.
"Lasst die Kleinen gegen die Großen spielen, lasst ihnen die Hoffnung, dass sie irgendwann gewinnen und sich für eine WM qualifizieren können", sagte Blatter, der sich nicht gänzlich aus Eigennutz für den Status quo einsetzt. Die Stimmen der kleinen Verbände zählen bei FIFA-Entscheidungen schließlich genau so viel wie die der großen.
Und so schwebte Blatter am Dienstag zum ersten Mal in Vangar ein, dem Flughafen der Färöer, die es in ihrem ersten Heimspiel in der deutschen Gruppe am Freitag übrigens mit den nicht ganz so riesigen Schweden zu tun bekommen. Im 1.000-Einwohner-Örtchen Midvagur sah er einheimischen Kids beim Kleinfeld-Kicken zu, bei "großartiger Atmosphäre", wie der 76 Jahre alte Schweizer alsbald über Twitter verbreiten ließ. Basisbesuch im Wahlkreis, würde das in der Politik wohl heißen.
"Das war historisch"
Neben den politischen Erwägungen geht natürlich auch ein gewisser Reiz aus von diesem ewig ungerechten Vergleich, der im Fußball öfter als in den meisten anderen Mannschaftssportarten zugunsten des Underdogs ausgeht - ähnlich wie in den ersten Runden des DFB-Pokals.
Wie also Vestenbergsgreuth die Bayern schlagen kann, ist auch die Sensation bei den Qualifikationen zu WM oder EM immer denkbar. Der Sieg von Luxemburg im Herbst 2008 in der Schweiz tröstete das kleine Land beispielsweise darüber hinweg, dass es von 336 Länderspielen insgesamt erst 25 gewonnen hat und möglicherweise schon im nächsten Jahr das tausendste Gegentor kassieren wird.
Auch Blatter wies in seinem Plädoyer darauf hin, dass die Färöer im September 1990 gleich ihr erstes Pflichtspiel gewonnen haben, 1:0 gegen Österreich. "Das war historisch", sagte der FIFA-Boss. Die deutsche Elf entkam auf den Nordatlantik-Inseln einmal ja auch nur dank zweiter Last-Minute-Tore von Miroslav Klose der Blamage des Punkteverlusts, unter Rudi Völler war das. Und Vogts, den Fürsprecher der Kleinen, ereilte das Ende als Bundestrainer dann ausgerechnet auf Malta, wo sein Team mit Ach und Krach 2:1 gewann.
Lasst sie also weiterspielen, denn auch Vogts kennt die Vorzüge der Spiele gegen die Kleinen - sein einziges Länderspieltor erzielte der "Terrier" nämlich ebenfalls gegen Malta, beim 8:0 im Jahre 1976.
Die WM-Qualifikation in Europa