Atletico Madrid hat im Sommer kräftig in die Offensive investiert. Jackson Martinez und Luciano Vietto komplettierten das Quartett von Diego Simeone mit Fernando Torres und Antoine Griezmann. Der FC Getafe (Di., 20 Uhr im LIVESTREAM FOR FREE) soll als nächstes die neue Vielfalt zu spüren bekommen.
Die Stürmerhistorie der Rojiblancos ist lang und namhaft. Allein in den letzten Jahren schnürten Sergio Agüero, Diego Forlan, David Villa, Radamel Falcao und Fernando Torres ihre Schuhe in den Kabinen des Estadio Vicente Calderon.
Egal wo Atletico am Saisonende stand, es gab jedes Jahr tiefgreifende Änderungen auf der Position an vorderster Front. 2010 kam Diego Costa von Real Valladolid, 2011 Falcao vom FC Porto, 2012 verließ Toto Salvio den Klub, 2013 packte Falcao schon wieder seine Koffer. Die Liste ließe sich beliebig erweitern - auch in diesem Jahr war die Offensive erneut Thema Nummer eins auf dem Transfermarkt.
Nur zwei Plätze frei
Da wäre Luciano Vietto, für 20 Millionen Euro von Villarreal geholt. Da wäre Jackson Martinez, der für 35 Millionen Euro von Porto losgeeist wurde. Fast schon lotste Atletico auch Yannick Ferreira Carrasco vom AS Monaco in seine zweite Heimat.
Zusammen mit Fernando Torres und Antoine Griezmann stellen die Madrilenen so einen beeindruckenden Angriff, obwohl sich mit Mario Mandzukic und Arda Turan zwei wichtige Bausteine aus dem letzten Jahr verabschiedet haben.
Trainer Diego Simeone hat allerdings eigentlich nur zwei bis drei Plätze in seiner 4-4-2-Grundordnung für einen der zahlreichen Top-Stürmer frei. War die Rollenverteilung in den letzten Jahr noch klar - Diego Costa spielt immer - sind die wenigen Plätze nun umkämpft wie nie zuvor.
Konkurrenzkampf oder Zusammenarbeit
Wobei das Wort 'umkämpft' vorsichtig zu verwenden ist. Denn bei allem Konkurrenzkampf und allen Alternativen auf der Bank, hat sich Atletico doch verschiedene Spielertypen zusammengekauft, die je nach Spielsituation und Gegner ihre Einsätze bekommen. Startete Jackson noch gegen Las Palmas (1:0), schickte Simeone gegen Sevilla (3:0) und Barcelona (1:2) lieber Torres auf den Platz.
Mit mehr Ballbesitz als der Gegner entschied sich der Trainer dazu, den bulligen Jackson einzusetzen. Der Kolumbianer rieb sich an vorderster Front auf, riss Lücken und zeigte sich stark im defensiven Umschalten. Wurde es zu eng um den Strafraum herum, war er immer eine Option für die langen Bälle oder die Brechstange.
Als 60 Minuten von der Uhr waren und Atletico führte, war es dagegen Zeit für Torres. Er arbeitet seit seiner Rückkehr ins Calderon merklich daran, sein Spiel dem der Rojiblancos anzupassen. Torres löst sich bei eigenem Ballbesitz gerne in den Rücken seiner Gegner, verarbeitet dort lange Anspiele und hilft Atletico somit bei der Raumüberbrückung. Gegen Barca und Sevilla, zwei hochstehende Gegner die bessere Wahl.
Entscheidend für Simeone: "Sie sind ein wenig älter als die anderen, sie haben mehr Jahre an Erfahrung. Das sind die Leute, die wir brauchen. Sie kommen, ziehen das Atletico-Shirt an und können direkt spielen."
Griezmann eigentlich gesetzt
Im Zusammenspiel mit Antoine Griezmann funktionieren beide Stürmer. Der Franzose ist vielleicht der einzige wirklich gesetzte Spieler der Offensivabteilung, weil er mit seinem hohen Tempo, seiner engen Ballführung und dem ausgeprägten Zug zum Tor enorm wichtig für das oft etwas unbewegliche, trockene Offensivspiel Atleticos ist.
Bezeichnete LaLiga-Trainer vor einiger Zeit Atleticos Spiel noch als "Ohrfeige für den spanischen Fußball" bezeichnete, ist es mit Griezmann salonfähiger geworden. Es sind nicht mehr die langen Bälle auf Diego Costa und Raul Garcia, die die beiden Kanten verschleppten und über ihre Physis gefährlich machten, sondern das Offensivspiel geht etwas weicher und formfreier über die Bühne.
Griezmann ist viel unterwegs, kommt mal über links, mal über rechts. Er lauert oft außerhalb des Strafraums und stößt dann plötzlich in den Rücken der verschiebenden Außenverteidiger. Im Laufe des letzten Jahres hat der 22-Tore-Mann der letzten Saison Timing und Durchführung dabei verbessert. Manche Abläufe, um in den Rücken der Gegenspieler zu kommen, erinnern inzwischen stark an Diego Costa.
Das soll nicht bedeuten, dass Atleticos lange Bälle ausgestorben oder überhaupt nur bedroht wären. Vielmehr wird auch Griezmann gerne geschickt, egal ob lang und hoch oder steil und flach. So kann er Tempo aufnehmen und an seinen Gegnern vorbeikommen, ohne das Eins gegen Eins suchen zu müssen.
Luciano Vietto - "Ein harter Arbeiter"
Dafür wäre Luciano Vietto zuständig. Der junge Argentinier, der in der letzten Saison noch das gelbe Trikot der Submarinos trug, ist in seinen Anlagen Griezmann nicht unähnlich. Nur agiert er zentraler als der Baske, ist etwas langsamer, dafür aber stärker mit Gegner vor sich.
Vietto ist einer der Spieler, die genau wissen, wie sie einen Angriff kurz verzögern, um einem Spieler das Starten in die Lücke zu ermöglichen und ihn durchdacht anzuspielen. "Er ist ein harter Arbeiter, kann selbst Tore machen und Mitspieler in Szene setzen", fasste Simeone zusammen.
Dabei findet die Offensive ihr Ende noch nicht mit Torres, Jackson, Vietto und Griezmann. Ferreira Carrasco ist ein blitzschneller Konterspieler, der sich bei seiner Vorstellung schon bestens selbst einordnete: "Ich bin nicht hier, um Arda zu ersetzen. Simeone sagte zu mir, dass er es mag, wie ich verteidige und mit viel Tempo am Ball angreife. Ich bin hier um zu lernen und werde hart arbeiten, um mir den Traum von der Startelf zu erfüllen."
Dahinter stellen die Rojiblancos das bekannte Mittelfeld. Lediglich Oliver Torres ist neu hinzugestoßen, der 20-jährige Spanier kehrte vom FC Porto zurück. Weil er und Koke auf der anderen Seite meist die Flügel besitzen werden, sind die Hauptstädter umso abhängiger von ihren Stürmern, die auf die Außenbahnen ausweichen und so Raum für Spieler aus der zweiten Reihe öffnen.
Costa-Ersatz nicht möglich
Atletico steht ein schwieriges Jahr bevor. Viele Abgänge wiegen schwer, besonders Arda Turan und Miranda werden dem Team fehlen. Gleichzeitig ist die Offensive aber so vielseitig und breit besetzt, wie sie es noch nie in der Klub-Geschichte war und damit immer noch ein ganzes Stück qualitativer als die Offensivreihen aus Valencia oder Sevilla.
Diego Simeone setzt den Trend des letzten Jahres fort und arbeitet Schritt für Schritt daran, Atletico zu mehr als der Mannschaft zu machen, die er in den seinen ersten Jahren etablierte. So viel Kampf, so viel hässliches Spiel soll es nicht mehr sein. Schon in der letzten Saison war eine Steigerung bei spielerischen Aspekten bemerkbar, die in dieser Spielzeit noch deutlicher wird.
Schlüsselpunkt ist, nun schon im zweiten Jahr, das Ersetzen von Diego Costa. Einen zweiten Spieler, der die Bälle mit solch einer Präzision verarbeitet wie der jetzige Chelsea-Stürmer, fand man allerdings nicht in Mario Mandzukic. Der neue Ansatz baut weniger auf einem Spielertypen als auf mehreren verschiedenen Optionen auf. Die Offensive muss sich auf jeden Fall nicht vor denen der Vergangenheit verstecken.
Der Kader von Atletico Madrid im Überblick