Das Bundesligaspiel zwischen dem FC Bayern München und dem VfL Bochum hatte noch gar nicht begonnen, da war Franck Ribery bereits die Lust vergangen.
Der Franzose hatte sich für ein kurzärmeliges Trikot entschieden, weil der Himmel aber zwischen dem Aufwärmen und dem Anpfiff die Schleusen öffnete, war Ribery nicht mehr glücklich mit seinem Outfit.
Bayern verspielt Zwei-Tore-Vorsprung
Mit ausgebreiteten Armen suchte er Rat bei der Bayern-Bank und forderte ausgerechnet Jürgen Klinsmann auf, ihm ein langärmeliges Jersey zu besorgen. Der Trainer als Wasser- oder wie in diesem Fall Trikotträger?
Fest steht, dass Klinsmann derzeit abnormale Dinge erlebt und in erster Linie unerfreuliche. Eine 2:5-Klatsche gegen Bremen. Ein gegenwehrloses 0:1 in Hannover und am Samstag ein hochgradig peinliches 3:3 gegen den VfL Bochum, bei dem seine Mannschaft das Kunststück fertigbrachte, einen 3:1-Vorsprung in den letzten sieben Minuten durch eine unerklärliche Apathie im Defensivverhalten zu verspielen.
Klinsmann versteht erboste Fans
Die anschließenden "Klinsmann raus"-Rufe einiger erboster Bayern-Fans dürfen unter diesen Umständen indes nicht mehr als absurd dargestellt werden. Das hat selbst der Geschmähte eingesehen.
"Die Unzufriedenheit der Zuschauer tut weh, aber ich kann sie auch verstehen, da die Ergebnisse in der Bundesliga nicht die sind, die wir uns erhofft haben", sagte ein sichtlich betroffener Klinsmann auf der Pressekonferenz.
Mickrige neun Punkte holte der FC Bayern in sieben Spielen - nur einmal starteten die Münchner schlechter in eine Bundesligasaison (1966/67). Elf Gegentore kassierten die Bayern in bisher vier Heimspielen, das sind drei mehr als in 17 Spielen in der Allianz Arena in der vergangenen Spielzeit. In der Tabelle (Rang 11 vor den Sonntagsspielen) sind außer Hannover 96 nur noch Abstiegskandidaten schlechter platziert.
"Bayern gehört woanders hin"
"Der FC Bayern gehört ganz woanders hin als dort, wo er jetzt steht. Das bisherige Abschneiden nach sieben Bundesliga-Spieltagen ist für den FC Bayern einfach nicht zu akzeptieren", sagte Klinsmann. Erstmals in seiner Funktion als Bayern-Trainer verzichtete der Coach in Interviews nach einem Spiel auf ein Lächeln, erstmals hinterließ eine verzockte Partie einen bleibenden Eindruck bei Klinsmann. Getty
Zu plump ließ sich sein Team von den Bochumern in der Endphase düpieren, zu heftig war die Abneigung der Fans.
Immerhin gingen die Beteiligten selbstkritisch mit dem Erlebten um. "Das war höchst fahrlässig. Wir hatten das Spiel in der Tasche und hätten 4:1, 5:1 oder 6:1 führen müssen. Wir hatten Chancen für drei, vier Bundesligaspiele", so Klinsmann.
Als Hauptschuldiger muss diesmal Luca Toni gelten. Der Italiener vergab reihenweise beste Torgelegenheiten. Toni wehrte sich gegen den Vorwurf, nach dem 3:1 arrogant gespielt zu haben, gab aber zu, dass drei Tore in einem Heimspiel normalerweise für drei Punkte reichen müssten.
Hoeneß attackiert Einwechselspieler
Auch Uli Hoeneß hatte "keine Erklärung" für die letzten Minuten. "Wir haben das Spiel klar kontrolliert und es gab keine Anzeichen für ein Gegentor", sagte der Bayern-Manager.
Dass es am Ende sogar zwei wurden, lag laut Hoeneß nicht nur an den Unkonzentriertheiten in der Defensive.
"Vielleicht muss sich der eine oder andere Einwechselspieler mal hinterfragen, ob das, was er da abliefert auch noch dem entspricht, wofür er bezahlt wird", schimpfte Hoeneß. Ein Angriff auf Jose Ernesto Sosa, Lukas Podolski und Tim Borowski, die zwischen der 70. und 78. Minute für Miroslav Klose, Bastian Schweinsteiger und den überragenden Ze Roberto eingewechselt wurden.
Uli Hoeneß fassungslos - das Interview im Wortlaut
Rummenigge hält zu Klinsi
Bastian Schweinsteiger ließ die Auswechslungen nicht als Ausrede gelten: "Wir haben einen großen Kader mit vielen guten Spielern. Es war die Entscheidung des Trainers und wir Spieler stehen voll hinter ihm."
Das tut auch der Boss. "Wir haben totale Geduld und totales Vertrauen in Jürgen Klinsmann", sagte Karl-Heinz Rummenigge. Die Mannschaft müsse aber "schnell wieder in die Erfolgsspur zurückkehren".
Dazu faltete Klinsmann in Anwesenheit des kompletten Vorstands sein Team am Sonntag in einer längeren Ansprache zusammen und kündigt ab sofort eine härtere Gangart für sein Starensemble an.
"Werde strikt dagegen vorgehen"
"Ich werde das als Trainer nicht akzeptieren. Wenn man in einem Spiel wie gegen Bochum, das 3:1 steht und durch ist, einen Ze Roberto raus nimmt und ihm den Applaus gibt, den er verdient hat. Er hat ein fantastisches Spiel gemacht, aber die Leute die reinkommen, legen nicht die gleiche Einstellung an den Tag, wie ein 34-Jähriger über 80 Minuten, der sich für die Mannschaft abrackert. Das sind Punkte, da werde ich strikt dagegen vorgehen und dafür sorgen, dass diese Konstanz kommt", sagte ein angefressener Klinsmann im "DSF" und legte bei "fcb.tv" nach.
"Jeder Spieler muss uns zeigen, dass er für den FC Bayern mit 100 Prozent Herz da ist, dass er alles von sich abverlangt, dass er im Mittelfeld abräumt, dass er vorne das Tor mit letzter Konsequenz erzwingen will", so der Coach nach einer "unruhigen" Nacht.
Fans skandieren: "Wir wollen rein"
"Wir werden dafür sorgen, dass es in der Bundesliga nach oben geht", versicherte Klinsmann. "Letztendlich muss aber der Trainer seinen Kopf dafür hinhalten, wenn die Dinge nicht genau so umgesetzt werden, wie man sie den Spielern aufgibt."
Am Sonntag sperrte man zudem beim zunächst als öffentlich geplanten Training die Fans aus. Diese äußerten daher ihren Unmut und skandierten "Wir wollen rein". Rummenigge hatte ein Einsehen und gewährte den Anhängern dann doch Einlass zum Gelände.
Nun macht die Bundesliga zwei Wochen Pause, die meisten Bayern-Spieler gehen auf Länderspielreise. Vorher geht's aber noch gemeinsam auf das Münchner Oktoberfest, dem Freudenfest schlechthin. Das passt so gar nicht zur momentanen Situation beim FC Bayern.
Aber man kennt sich ja mittlerweile aus mit Abnormalitäten.