Die neuen Gesichter der Bundesliga

Haruka Gruber
13. September 201010:03
Srdjan Lakic führt mit Papiss Cisse (beide vier Tore) die Torschützenliste anImago
Werbung
Werbung

Der FC Schalke 04, VfB Stuttgart und VfL Wolfsburg blamieren sich, dafür sorgen Nobodys für die Glanzlichter. Doch wer ist der Lautern-Olic? Was ist das Isaac-Vorsah-Rätsel? Und woher kommt dieser Moa Abdellaoue?

1899 Hoffenheim: Isaac Vorsah (22)

SPOXGettyEs sagt viel aus, wenn ein zurückhaltender Mensch wie Josip Simunic derart große Worte wählt, um seinen neuen Abwehrpartner zu loben: "Sollte Isaac so weitermachen, wird er einer der besten Innenverteidiger Europas."

Lange wurde in Hoffenheim gerätselt, warum Trainer Rangnick den 1,92-Meter-Hünen zum Sechser umfunktionieren wollte, obwohl es Vorsah im defensiven Mittelfeld nicht behagte. Es war offensichtlich, dass es ihm schlichtweg an Spielübersicht mangelt und ihm die Qualitäten im Kurzpassspiel abgehen, die auf dieser Position unablässig sind. Vielmehr ist Vorsah am besten, wenn er das Spiel vor sich hat und sich auf seine Stärken in der Balleroberung konzentrieren kann.

Seit dieser Saison hat auch Rangnick ein Einsehen und setzt Vorsah ausschließlich auf seiner Lieblingsposition in der Innenverteidigung ein. Einer der entscheidenden Faktoren, um Hoffenheims perfekten Saisonstart mit lediglich einem Gegentor zu erklären.

Kommt Hoffenheim in den Europacup? Hier geht's zum Tabellenrechner!

"Vorsah hat in den letzten Wochen an Selbstvertrauen gewonnen. Ich bin mit seiner gesamten Leistung sehr zufrieden. Simunic und er harmonieren sehr gut", sagt Rangnick. Imponierend die Angst einflößende Präsenz, die der sonst so schüchterne Vorsah ausstrahlt. Überragend seine zwei Tore, die er in dieser Saison nach Ecken bereits erzielt hat.

Dabei war zu befürchten, dass der Durchbruch des 22-Jährigen nach der durchwachsenen Vorsaison erneut auf sich warten lässt. Vor der WM erlitt er einen Innenbandriss und während des Turniers zwangen ihn Knieprobleme dazu, bei Ghanas überraschendem Viertelfinal-Einzug drei der fünf Spiele auszusetzen. Hinzu kam ein persönliches Drama: Als er in Hoffenheims Saisonvorbereitung einsteigen wollte, verstarb sein Bruder nach einem vermeintlichen Giftanschlag, der womöglich sogar Vorsah gegolten hat.

Dass der früher schnell verunsicherte Vorsah sich dennoch nichts anmerken lässt, ist wohl ein Zeichen seiner Entwicklung. Eine Entwicklung, die ihn zu einem der besten Innenverteidiger Europas macht?

Moa Abdellaoue: Das Zentralgestirn und der Satellit

Benjamin Köhler: Der Anti-Star

Papiss Cisse: Wie er das 96-Trauma besiegte

Srdjan Lakic: Auf den Spuren von Ivica Olic

Hannover 96: Moa Abdellaoue (24)

SPOXGettyEs ist keine drei Jahre her: Skeid Oslo, ein unbedeutender Verein aus der norwegischen Hauptstadt, stieg nach einer desolaten Saison aus der zweiten Liga ab. Daran beteiligt war ein damals bereits 22-jähriger Stürmer, dessen Talent gerühmt, dem aber der große Durchbruch nicht zugetraut wurde: Moa Abdellaoue.

Trotz der Zweifel bekam Abdellaoue vom Erstligisten Valerenga Oslo eine Chance - und nutzte sie. Sein Aufstieg seit Anfang 2008 im Zeitraffer: Pokalsieger 2008, Nationalmannschafts-Debüt, eine Einladung von Manchester United zu einem Probetraining, ein angebliches Angebot von Sunderland über fünf Millionen Euro Ablöse und zuletzt eine überragende Saison 2010 mit 15 Toren in 20 Spielen, was Hannover dazu bewegte, ihn für eine Million Euro Ablöse zu verpflichten.

Ein lohnendes Investment, wenn er nur ansatzweise die Leistungen aus den ersten drei Bundesliga-Spielen bestätigen kann. Hanke, Forssell und Schlaudraff mögen die größeren Namen sein, die neuen Fixpunkte der 96-Offensive sind jedoch Abdellaoue und sein Sturmpartner Konan. Der Norweger mit marokkanischen Wurzeln und der Ivorer ergänzen sich ideal: Abdellaoue versteht sich mehr als Strafraumspieler, der rund zehn Zentimeter kleinere Konan wiederum bewegt sich wie ein Satellit um das Zentralgestirn Abdellaoue.

Zeugnis der erfolgreichen Zusammenarbeit: Beide Spieler haben jeweils zwei Treffer erzielt und damit maßgeblichen Anteil am überraschenden vierten Platz der 96er. Während Konan bereits letzte Saison zu den wenigen Lichtblicken in Hannover gehörte und seine Leistungen demnach nicht übermäßig erstaunen, überrascht die Ausbeute von Abdellaoue. In der Regel benötigt ein Spieler, der aus dem international drittklassigen Norwegen in eine europäische Topliga wechselt, eine wesentlich längere Anpassungsphase.

Andererseits: Dass Abdellaoue in seiner Heimat wegen seiner guten Technik, dem Torriecher und seiner Spielintelligenz mit Ex-ManUtd-Star Solskjaer verglichen wird, kommt offensichtlich nicht von ungefähr.

Isaac Vorsah: Selbst Simunic wird euphorisch

Benjamin Köhler: Der Anti-Star

Papiss Cisse: Wie er das 96-Trauma besiegte

Srdjan Lakic: Auf den Spuren von Ivica Olic

Eintracht Frankfurt: Benjamin Köhler (30)

SPOXGettyAlles schreit nach biederem Mittelmaß: Der wenig exotische Name, die für einen Fußball-Profi recht unscheinbare Vita, das Fehlen von Star-Kult und Allüren. Dementsprechend wenig Beachtung findet in der Bundesliga ein Spieler vom Schlage eines Köhler, obwohl dieser mehr Aufmerksamkeit verdient hätte.

Beim 4:0 in Mönchengladbach erzielte der 30-Jährige das wichtige 1:0. Bereits der zweite Saisontreffer für den Mann, der vor einer Saison nie zur vermeintlichen Wunschelf gehört und am Ende doch immer aufgestellt wird.

"Ich habe auch schon Stimmen gehört, die fragen: Warum spielt denn immer der Köhler? Im Stadion bekommt man das natürlich auch mit, das ist nicht immer angenehm", sagte er der "Frankfurter Rundschau".

Doch verteidigen will sich Köhler nicht: "Qualität setzt sich durch. So ist es halt. Warum sollte ich sonst immer spielen, seit jetzt sechs Jahren? Weil ich Glück habe? Oder der Liebling der Trainer bin? Nein, nein. Vielleicht liegt es einfach an meinem Können. Und vielleicht sollten das die Leute mal akzeptieren."

Wie geht der nächte Spieltag aus? Hier geht's zum SPOX-Tippspiel!

Nichts leichter als das, wenn er weiterhin so überzeugt wie zum Saisonstart. Seine direkten Gegenspieler Roman Neustädter und Tobias Levels waren sichtlich überfordert mit Köhler, der immer wieder die Stellungsfehler ausnutzte und tief in die Gasse ging.

Köhler ist kein begnadeter Techniker wie Caio (3,8 Millionen Euro Ablöse) und kein trickreicher Dribbler wie Korkmaz (2,3) - dafür verkörpert er jedoch etwas anderes: Effizienz und Vielseitigkeit. Besonders Letzteres macht ihn für Frankfurt so wertvoll. Köhler ist gelernter Stürmer, spielt bevorzugt im linken Mittelfeld und bekleidet die Linksverteidiger-Position für einen Nicht-Spezialisten überdurchschnittlich gut.

Köhler: "Im Fußball spielt sich fast alles im Kopf ab, es hängt viel mit Selbstvertrauen zusammen." Und daran sollte es bei ihm derzeit nicht mangeln.

Isaac Vorsah: Selbst Simunic wird euphorisch

Moa Abdellaoue: Das Zentralgestirn und der Satellit

Papiss Cisse: Wie er das 96-Trauma besiegte

Srdjan Lakic: Auf den Spuren von Ivica Olic

SC Freiburg: Papiss Cisse (25)

SPOXGettyDie Frage muss erlaubt sein: Was haben die Bundesliga-Scouts in den letzten Jahren so getrieben? Die Fakten sprechen gegen sie: Ein junger, fußballerisch erstklassig ausgebildeter Stürmer spielt im von Deutschland 40 Kilometer entfernten Metz, erzielt in drei Saisons 39 Tore in der zweiten französischen Liga - und niemand interessierte sich für ihn.

Der SC wusste offenbar als einziger Klub die Klasse des 25-Jährigen richtig einzuschätzen und verpflichtete den Senegalesen im letzten Sommer für moderate 1,5 Millionen Euro. Die Rendite: Zunächst sechs Rückrunden-Tore und der Klassenerhalt, nun der starke Saisonauftakt mit sechs Punkten nach drei Spielen, zu der Cisse vier Treffer beitrug. Damit führt er gemeimsan mit Lauterns Lakic die Torschützenliste an.

Überblick: Die besten Knisper der Liga

"Er ist immer anspielbar, kann die Bälle verteilen und kommt selbst immer wieder zu Chancen", lobte Trainer Dutt bereits in der Vorbereitung. Überragend Cisses Leistung beim 2:1 gegen Stuttgart, als er den Ausgleich erzielte, insgesamt sieben Schüsse abgab und sich wiederholt gegen Stuttgarts Niedermeier durchsetzte.

Mittlerweile kommt es einem wie eine halbe Ewigkeit vor, als Cisse im März dieses Jahres gegen Hannover erst zwei hundertprozentige Chancen vergab, nur um später ein Eigentor zu köpfen, das die Niederlage besiegelte. "Das zu verarbeiten, war nicht einfach", sagt Cisse.

Aus dem Pechvogel von damals wurde innerhalb weniger Monate jedoch einer der begehrtesten Stürmer der Liga. Freiburg hat wohl noch nie so sinnvoll 1,5 Millionen Euro ausgegeben.

Isaac Vorsah: Selbst Simunic wird euphorisch

Moa Abdellaoue: Das Zentralgestirn und der Satellit

Benjamin Köhler: Der Anti-Star

Srdjan Lakic: Auf den Spuren von Ivica Olic

1. FC Kaiserslauterm: Srdjan Lakic (26)

SPOXGetty

Die Geschichte ist fast schon zu süß, um wahr zu sein. Wenn der kleine Srdjan nicht so anfällig für Erkältungen gewesen wäre, würde er wohl heute noch Wasserball spielen. Aber weil er sich im Schwimmbecken immer wieder einen Schnupfen zuzog, ordnete seine Mutter an, dass er zum Fußball zu wechseln habe.

Lakic gehorchte - und wird seiner Mutter vermutlich für immer dankbar sein. Denn nach Jahren voller Tiefen und wenige Höhen erlebt der 26-Jährige die schönsten Wochen seiner Karriere, obwohl es zuletzt eine 1:2-Niederlage in Mainz setzte. Der Kroate war es, der Kaiserslautern in Führung brachte. Sein vierter Treffer im dritten Saisonspiel und gleichbedeutend der erste Platz in der Torjägerliste, zusammen mit Freiburgs Cisse.

Noch immer wirkt es für viele verwunderlich, dass der früher als Durchschnitts-Stürmer abgestempelte Lakic einer der besten Angreifer der Bundesliga sein soll. Dabei sind die Parallelen zu seinem kroatischen Landsmann Olic augenscheinlich.

Beide wechselten als Talente aus Kroatien zu Hertha BSC Berlin, scheiterten jedoch in der Hauptstadt, zogen weiter - und schafften erst mit Mitte 20 den Durchbruch. Lakic galt schon früher als kompletter Spieler, beidfüssig, technisch geschult und fleißig. Doch ihm fehlte das gewisse Etwas.

Die Heimat von Lakic: Alle Infos zum Fritz-Walter-Stadion

In Berlin gelang ihm in zwölf Bundesliga-Spielen kein Treffer, und auch die Ausleihe zum niederländischen Erstligisten Almelo verlief ordentlich, aber eben nicht berauschend (28 Spiele, sieben Tore). Dann kam Kaiserslautern.

"Ich wusste, dass der FCK ein großer Verein ist, der gerade eine große Krise überstanden hatte. Ich sah das als Herausforderung", erinnert sich Lakic an den Sommer 2008. Seine erste Saison in der Pfalz verlief überzeugend (25 Spiele, zwölf Tore), doch im zweiten Jahr trug er wegen mehrerer kleiner Verletzungen nur sieben Treffer zum Bundesliga-Aufstieg bei.

Und doch war er als Führungsfigur unumstritten, bei Trainer Kurz wie auch in der Mannschaft: Gemeinsam mit Amedick ist Lakic auch in dieser Saison gleichberechtigter Kapitän. Aber wie lange noch? Nach dieser Saison läuft Lakic' Vertrag aus, und die Angebote werden sich wohl jetzt schon stapeln.

Isaac Vorsah: Selbst Simunic wird euphorisch

Moa Abdellaoue: Das Zentralgestirn und der Satellit

Benjamin Köhler: Der Anti-Star

Papiss Cisse: Wie er das 96-Trauma besiegte